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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Artikel

Mittendrin am Rand der Gesellschaft
Afrokolumbianer und Indigene in Kolumbien

Lesedauer: 6 Minuten

Afrokolumbianer - Foto: Alejandra Quintero/Global HumanitariaDie Verbesserung der Situation der Afrokolumbianer und Indigenen in Kolumbien ist weiterhin eine große Herausforderung. Vor zwei Jahren (2009) veröffentlichte La Semana das Ergebnis eines Reports der Minority Rights Group International (MRG). Demnach galten diese beiden Bevölkerungsgruppen als am stärksten marginalisiert.

Seitdem zeichnen verschiedene Veröffentlichungen ein ähnliches Bild. Nach den letzten Berichten der UNO gelten 1.392.623 Einwohner, die – nach offiziellen Angaben – auf 87 Völker verteilt sind, als zur indigenen Bevölkerung gehörig. Das Land weist eine Gesamtbevölkerung von 43 Millionen Einwohnern aus. Der Anteil der Indigenen beträgt somit 3,2 Prozent, aber nur 2% bezeichnen sich selbst als indigen. Die indigenen Völker nehmen ungefähr 31 Millionen Hektar (29,84% des gesamten nationalen Gebietes) ein.

Nach Informationen der Nationalen Organisation der Indigenen in Kolumbien (ONIC) existieren jedoch 102 indigene Völker. 78% der Bevölkerung leben in ruralen Zonen. Nur eine Minderheit wohnt in urbanen Zonen, wenngleich die Ziffern in den letzten Jahren gestiegen sind. Die Ursachen für diese Entwicklung sind oft (intrafamiliäre) Landarmut und erzwungene Vertreibung. Die Analphabetenrate bei den Indigenen zwischen 15 und 45 Jahren liegt bei 24,1%. Nur die Hälfte der Bevölkerung zwischen fünf und 25 Jahren hat Zugang zu Bildung. 32,4% der Indigenen besitzen keine Krankenversicherung.

Die afrokolumbianische Bevölkerung beläuft sich auf 2.501.534 Einwohner [PNUD Report 2010]. Auch ihre Situation ist besorgniserregend. Die Analphabetenrate der Afrokolumbianer wird auf 30% geschätzt. Zehn Prozent der Kinder zwischen sechs und zehn Jahren haben keinen Zugang zu Bildung. 80% der Afrokolumbianer können ihre Grundbedürfnisse nicht decken.

Aber nicht nur die Armut ist für beide Volksgruppen allgegenwärtig; sie sind auch stark von dem internen bewaffneten Konflikt betroffen. Die Ermordung von indigenen oder afrokolumbianischen Menschenrechtsaktivisten, Gewalt gegen Frauen oder die Entführung von Kindern zur Rekrutierung in die Streitkräfte sind einige Beispiele für die Handlungsweise der Konfliktparteien. Von den mehr als vier Millionen internen Vertriebenen sind über 30% (1,3 Millionen) Afrokolumbianer und 15% (600.000) Indigene. 96% der Afrokolumbianer, die als interne Vertriebene gemeldet sind, leben unter der Armutsgrenze. Gemäß einer Analyse des Verfassungsgerichtshofs vom Jahr 2009 befinden sich 34 indigene Völker in der Gefahr, als Folge des internen bewaffneten Konflikts auszusterben. Trotzdem weist ONIC darauf hin, dass auch andere indigene Völker gefährdet sind. Aber diese anderen Gruppen haben weniger als 500 Einwohner, 18 Völker weniger als 200 Einwohner und 10 gar weniger als 100 Einwohner.

Indigene, Kogui - Foto: Camila RiveraDas Ziel von bestimmten Gruppen ist es, sich das Land der Indigenen oder Afrokolumbianer anzueignen. Darin liegt für die betroffenen Volksgruppen eine lebensbedrohende Gefahr. Denn man will die Indigenen und Afrokolumbianer beseitigen, um auf ihrem Land Cocapflanzen anzubauen oder Palmölplantagen anzulegen oder Agrobusiness für die Rindfleischproduktion zu gründen. Die Milizen der FARC oder ELN auf der einen und die paramilitärischen Gruppen auf der anderen Seite operieren besonders in den Departments von Antioquia, Arauca, Cauca, Choco, Nariño und Putumayo. Indigenen und Afrokolumbianern wird dann meist ein Ultimatum gestellt, dass sie innnerhalb von 24 Stunden ihr Land zu verlassen haben. Menschenrechtsaktivisten weisen darauf hin, dass die paramilitärischen Gruppen das Agrobusiness erleichtern.

Doch auch beim Kampf zur Vernichtung von Cocapflanzungen werden die Menschenrechte der lokalen Bevölkerung verletzt. Die Auswirkungen auf die Gesundheit und Ernährung sind verheerend, wenn die Flugzeuge Herbizide (u.a. Glyphosat) zur Vernichtung dieser illegalen Plantagen versprühen. Obwohl der Verfassungsgerichtshof verfügt hat, dass bei der Durchführung solcher Aktionen vorher die lokale Bevölkerung zu konsultieren sei und bis dahin das Versprühen der Giftmittel verboten ist, wird immer wieder von solchen Einsätzen ohne Einbeziehung der betroffenen Bevölkerung berichtet.

Schließlich sind die indigenen und afrokolumbianischen Völker noch von Projekten zur Ausbeutung der natürlichen Ressourcen betroffen. Auch hier erfolgt oft keine vorherige Konsultation der lokalen Bevölkerung. Ein Beispiel dafür: Der Consejo Comunitario La Toma, Kommune Suárez (Cauca) hat seit drei Jahren die Landtitulierung beantragt. Die Afrokolumbianianer wohnen und arbeiten seit dem 17. Jahrhundert in diesem Ort. Trotzdem hat der Staat ohne vorherige Konsultation mit der afrokolumbianischen Kommune die Landtitel und die Genehmigung für ein Bergbauprojekt an Privatinvestoren vergeben.

Die UNO-Berichte erkennen zwar die Fortschritte des Staates an, um diese Probleme anzugehen. Aber gleichzeitig wurde die Implementierung eines Plans zum Schutz der indigenen Völker und der afrokolumbianischen Bevölkerung und auch die Entwicklung eines Gesetzes zur vorherigen Konsultation indigener Völker empfohlen.

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Quellen:
[1] PNUD, Situación socioeconómica de la población afrocolombiana en el marco de los Objetivos del Desarrollo del Milenio, 2010.
[2] Minority Rights Group International, State of the World’s Minorities (2009, 2010, 2011)
[3] UN Doc. A/HRC/15/37/Add.3 vom 25.05.2010; UN Doc. A/HRC/16/45/Add.1 vom 25.01.2011; UN Doc. A/HRC/16/22 vom 3.02.2011; UN Doc. E/C.19/2011/3 vom 11.02.2011

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Bildquelle: [1] Alejandra Quintero/Global Humanitaria; [2] Camila Rivera

Indigene und Afrokolumbianer am stärksten marginalisiert

Aus: La Semana

Der Jahresbericht 2009 über die weltweite Situation der ethnischen Minderheiten, der von der wichtigsten internationalen Organisation für die Wahrung der Rechte von Personen indigener und afrikanischer Abstammung, Minority Rights Group International (MRG), veröffentlicht wurde, weist darauf hin, dass diese Bevölkerungsgruppen in Kolumbien am stärksten von Marginalisierung und Armut betroffen sind sowie den schlechtesten Zugang zu Bildung haben. Im Folgenden einige Tatsachen, die im Bericht über Kolumbien genannt werden:

Während das Durchschnittseinkommen von Personen afrikanischer Abstammung 500 Dollar pro Kopf und Jahr beträgt, verdient der Rest der kolumbianischen Bevölkerung 1900 Dollar pro Kopf und Jahr.

46 Prozent der Binnenflüchtlinge in Kolumbien sind indigener und afrikanischer Abstammung.

72 Prozent der Indigenen und 87 Prozent der Afrokolumbianer über 18 Jahre haben keinen Grundschulabschluss.

Die Analphabetenrate unter Afrokolumbianern schwankte 2008 zwischen 33 und 31 Prozent. Von allen im Aufbaustudium befindlichen Studenten waren 2009 nur 0,71 Prozent indigener und 7,07 Prozent afrikanischer Abstammung.

80 Prozent der Afrokolumbianer leben in extremer Armut, während der Landesdurchschnitt 46 Prozent beträgt.

Die Wahrscheinlichkeit vertrieben zu werden, ist für Afrokolumbianer 84 Prozent höher als für Mestizen.

Die Tatsache, dass sie das Geld für Schulgebühren, Schuluniformen und Verkehrsmittel nicht aufbringen können, ist einer der Gründe, warum Kolumbianer afrikanischer und indigener Abstammung schlechten Zugang zu Bildung haben.

Original Beitrag aus La Semana vom 25. Juli 2009. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift.

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Übersetzung aus dem Spanischen: Michael Wübben

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