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Neue Agenda für die Rechte der Frauen in Costa Rica

Solveig Vogel | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Seit April 1997 gibt es in Costa Rica die Gruppe Agenda Politica de las Mujeres Costarricences. Sie setzt sich aus Frauen zusammen, die in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, so z.B. staatlichen Institutionen, privaten Einrichtungen oder auch Nichtregierungsorganisationen (NGO’s) tätig sind Sie alle zählen sich zur aktuellen Frauenbewegung Costa Ricas, und sie legen Wert darauf, als Einzelpersonen in der „Agenda“ mitzuarbeiten und nicht etwa als Repräsentantinnen ihrer Einrichtung bzw. Organisation oder als Vertreterinnen der erweitereten Frauenbewegung insgesamt. Jetzt, kurz vor Beginn des Wahlkampfes im Land, treten die Frauen mit ihrer Agenda an die Öffentlichkeit.

Erklärtes Ziel ist es, die politische Konjunktur für die Erweiterung der politischen Partizipationsmöglichkeiten von Frauen zu nutzen: Frauen soll der Zugang zu Entscheidungspositionen in Parteien und staatlichen Institutionen garantiert werden, sie sollen Einfluß auf Wahlkampfpolitik, auf parteiinterne Strukturen sowie auf Regierunspolitik und Staatseinrichtungen nehmen können.

Die Agenda Politica besteht aus einem Dokument, an dem die Frauen seit April 97 gearbeitet haben. Die Basis für die Forderungen und Vorschläge in der Agenda bilden die Beschlüsse der Weltfrauenkonferenz in Peking 1995. Die Agenda Politica fordert, das Recht von Frauen auf gleichberechtigte Wahrnähme ihrer staatsbürgerlichen Rechte sowie auf die Ausweitung und Festigung der Demokratie Costa Ricas anzuerkennen. Durch gezielte Gender-Politik und staatliche Maßnahmen zur Frauenförderung müssen diese Rechte endlich in die Realität umgesetzt werden. In Arbeitsgruppen – comisiones – widmeten sich die Teilnehmerinnen verschiedenen Schwerpunktthemen, die im Leben der costarikanischen Frauen eine entscheidende Rolle spielen. Dazu zählen unter anderem die Wirtschaftspolitik, Umwelt, politische Macht- und Entscheidungspositionen, Gesundheit, Bildung, Arbeit, Gewalt gegen Frauen, Familienbeziehungen. Für alle Teilbereiche wurden in den Kommissionen Forderungen aufgestellt und Vorschläge unterbreitet, die Eingang in das Abschlußdokument, die Agenda Politica fanden.

Zu diesen Forderungen zählen u.a.:

  • Der Kampf gegen die Armut, vor allem gegen die Feminisierung der Armut, muß zu einem zentralen Thema der Wirtschaftspolitik werden.
  • Ministerämter, Führungspositionen in autonomen Instituten, im Parlament sowie in den Gemeinderäten sollen möglichst paritätisch besetzt werden; auf jeden Fall darf der Anteil von Männern oder Frauen in den Ämtern jeweils mehr als 60% betragen.
  • Personen, die wegen Gewalt gegen Frauen und/ oder Kinder verurteilt worden sind, sollen kein öffentliches Amt bekleiden dürfen.

Zunächst arbeiteten an der Agenda überwiegend Frauen aus gutsituierten und privilegierten Kreisen mit, denen ihre besondere berufliche Stellung sowie ihre soziokönomische Situation erlaubt, sich diesem zeitintensiven, arbeits- und z.T. auch kostenaufwendigen Projekt zu widmen. Erst in der nächsten Zeit wird der Kontakt zu Frauenorganisationen in den Provinzen gesucht, mit denen ein Austausch über die Agenda und ihre Forderungen geplant ist. Diese Ansprüche sollen, je nach Einschätzung der Aktivistinnen, in die Agenda integriert werden.

Bisher ist allerdings nicht klar, inwieweit das ganze Projekt tatsächlich als Ausdruck der Arbeit der Frauenbewegung Costa Ricas verstanden werden kann, selbst wenn ein Erfolg der Gruppe allen Frauen des Landes zugute kommen würde. Es ist noch nicht geklärt, mit welchem politischen Verhandlungsgewicht die Gruppe versuchen kann, ihre Forderungen und Ziele durchzusetzen. Die Intentionen der aktiven Frauen sind zudem sehr unterschiedlich: Manche wollen mit ihrer Mitarbeit in der Agenda Politica in erster Linie die Frauenbewegung stärken, für andere steht das persönliche Fortkommen, die persönliche Karriere im Vordergrund. Es entstehen Interessenkonflikte, die sich in angespannter Gruppendynamik ausdrücken und die weder sichtbar gemacht noch ausreichend diskutiert werden. Dadurch gerät die Arbeit an einem gemeisamen Projekt immer wieder in Gefahr. Die Zusammenarbeit als Produkt einer Bewegung wird empfindlich beeinträchtigt, denn was ihr zu politisch relevantem Verhandlungsgewicht verhelfen kann, ist ihre Einigkeit als Gruppe.

In der aktuellen Phase, wird deutlich, daß bisher versäumt wurde, die eigene Arbeit, die eigene Zusammensetzung, die gruppeninternen Spannungen und Konflikte ausreichend zu thematisieren und zu reflektieren. Der Schwerpunkt des Interesses lag von Anfang an auf der Wirkung nach außen, vor allem im Rahmen von Parteien, Regierungspolitik und staatlichen Institutionen. Es ist abzuwarten, ob dieses Defizit an Selbstanalyse innerhalb der Gruppe noch zugunsten der Realisierung ihrer Ziele und Forderungen behoben werden kann.

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