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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Wo liegt die Wiege der Amerikas?
Die Ausgrabungsstätte Monte Verde im heutigen Chile

Florian Quitzsch | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Die Besiedlung der Neuen Welt von Asien aus wurde bis vor kurzem üblicherweise nicht länger als 12.000 Jahre zurückliegend angenommen. Jüngste archäologische Beweise aus Südamerika deuten aber darauf hin, dass die Migration von Asien nach Amerika viel früher stattgefunden haben könnte. Die „Beweise“ kommen unter anderem von der zentralchilenischen Fundstelle Monte Verde und der brasilianischen Ausgrabungsstätte Toca do Boqueirão do Sítio da Pedra Furada. Die angewendete Methode der nicht unumstrittenen Radiokohlenstoffdatierung lässt im ersten Fall auf 13.000 bis 14.500 Jahre alte kulturelle Artefakte schließen, während im brasilianischen Fall die Funde scheinbar sogar auf bis zu 32.000 Jahre zurück datiert werden können. Beide Fundstellen würden damit zu den ältesten Fundstätten auf dem amerikanischen Doppelkontinent gehören. Somit wäre wieder einmal die Annahme der „Clovis First“-Theorie in Frage gestellt. Manche bezweifeln deshalb sogar die These der Erstbesiedlung Amerikas über die Beringstraße, obwohl diese Frage aufgrund genetischer Untersuchungen eigentlich geklärt scheint. [1]

Rückstände von Meeresalgen die in Monte Verde gefunden wurden, scheinen die Theorie für eine der ältesten bewohnten Siedlungen in den Amerikas zu bestätigen und lassen darüber hinaus den Schluss zu, dass die Bewohner extensiven Kontakt mit der zirka 80 Kilometer entfernten Pazifikküste hatten. Die Radiokarbon-Datierung der Algen ergab ein Alter von 14.100 Jahren, plusminus 120 Jahre. Damit wäre Monte Verde mindestens 1.000 Jahre älter als die Clovis-Kultur, die auf dem heutigen Gebiet des US-Bundesstaates New Mexico existierte und lange als älteste menschliche Kultur der Neuen Welt galt. Diese Annahme wurde erst jüngst durch Funde in Oregon (Paisley Cave) in Frage gestellt.

Die Fundstelle von Monte Verde – heute ein Torfmoor, dass aufgrund des Einschlusses fast alle Ausgrabungsstücke konserviert hat – liegt in der Nähe von Puerto Montt, zirka 800 Kilometer südlich von der Hauptstadt Santiago entfernt. Die an einem Bach oder kleinen Fluss liegende Siedlung umfasste ein dutzend Hütten und bot Platz für 20 bis 30 Menschen. Die gefundenen, über die Siedlung verteilten, Algen waren teilweise mit anderen Pflanzen vermischt und wurden vermutlich, neben ihrer Bedeutung als nährstoffreiche Nahrung (u.a. jod-, eisen-, zinkhaltig), aufgrund ihrer medizinischen Wirkung gegessen bzw. gekaut. Weitere Funde wie vom Meer geformte Steine und Wasserpflanzen aus Brackwassergebieten legen die Vermutung nahe, dass die Bewohner von Monte Verde die vom Meer dargebotenen Nahrungs- und Gebrauchsmittel in umfangreicher Weise nutzten und fast wie eine Art „Strandgutsammler“ lebten.

Daneben wurden aber auch Inlands-Ressourcen an Pflanzen und Nüssen gefunden, die darauf schließen lassen, dass die Menschen aus Monte Verde sowohl Kontakt mit der Küste wie auch dem Landesinneren hatten und sich mit ihrer Geographie und den vorhandenen Ressourcen beschäftigten. Die Rückstände einer ausgestorbenen Lama-Art und eines elefantenähnlichen Tieres – Gompothere genannt – lassen annehmen, dass die Jagd ebenfalls als eine Quelle der Nahrungsbeschaffung diente.

Die Schlüsse die bisher daraus gezogen wurden, weisen darauf hin, dass die ersten Einwanderer Amerikas tatsächlich über die damals existierende Landbrücke aus Asien, die heutige Beringstraße, kamen. Ihren Weg an der Pazifikküste bis nach Südamerika fortsetzend, nutzten sie die sich unterwegs bietenden maritimen Ressourcen.

Wie manche Wissenschaftler argumentieren, ist die Anpassung an die Umwelt jedoch ein langwieriger Prozess und daher könnten weder die Clovis-Menschen noch die Bewohner von Monte Verde Neuankömmlinge gewesen sein. Wenn die ersten Immigranten nicht über die Beringstraße einwanderten, dann müssen sie die neue Welt aber zwangsläufig in Booten erreicht haben. Doch von wo aus welche Gruppen welche Route genommen haben, ist noch Gegenstand heftiger Diskussionen. Zur Disposition stehen Theorien welche eine Besiedlung über den Seeweg entweder aus Asien oder Europa kommend postulieren. Dabei wird auch der Weg über die Antarktis nicht völlig ausgeschlossen. Aufgrund der genealogischen Erkenntnisse ist die Herkunft aus dem europäischen Raum jedoch so gut wie ausgeschlossen.

Bei der Lösung des Rätsels um die Uramerikaner würde zweifellos die Erforschung weiterer Fundstätten helfen. Doch diese müssen erst gefunden werden, da sie aufgrund des seither um etwa 100 Meter gestiegen Meeresspiegels zum Teil unter Wasser liegen werden. Im Übrigen ist es jedoch fast unvorstellbar, dass es für die Besiedlung der Amerikas nur eine Ausgangsregion gegeben haben soll. Die damaligen Gruppen können sich wohl kaum an den heute herrschenden Theorien orientiert haben – es sei denn, sie hätten damals noch nicht die Möglichkeiten zu einer Ozeanüberquerung gehabt. Und auch wenn sich die verschiedenen Annahmen nicht zwangsläufig in allen Punkten widersprechen, wird die der Wahrheit am nächsten kommende Theorie – wie fast immer – irgendwo in der Mitte liegen bzw. eine Metaperspektive einnehmen.

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[1] Siehe dazu idw – Universität Bern (2007): Erste Amerikaner kamen aus Sibirien: Genetische Untersuchungen bestätigen alte Theorie. In: Scinexx, <http://www.g-o.de/wissen-aktuell-7437-2007-11-23.html>, [20.05.2008].

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