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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Heiße Spur kalt serviert
Dokutainment um erste Amerikaner

Gabriele Töpferwein | | Artikel drucken
Lesedauer: 5 Minuten
Rezension - Heiße Spur am Monte Verde (532 Downloads )

Die Wiege der Menschheit stand in Afrika, darüber sind sich die Experten weitgehend einig. Von Afrika aus erfolgte die Besiedlung des gesamten Planeten. Der amerikanische Doppelkontinent war die letzte große Landmasse, auf die der Mensch vorstieß. Wann dies geschah, darüber streiten sich die Forscher noch. Die Zahl der archäologischen Funde ist zu gering, als dass letzte Aussagen möglich wären. Bislang gelten die Vertreter der so genannten Clovis-Kultur als die ersten Amerikaner. Das liegt einfach daran, dass die ältesten Artefakte, die bislang wissenschaftlichen Prüfungen standhielten, dieser Kultur zuzurechnen sind. Diese Funde sind nach Meinung der einen bis zu 13.600 Jahre, nach Meinung der anderen höchsten 13.100 Jahre alt. Eine internationale Forschergruppe stellte im letzten Jahr fest, dass die amerikanischen Ureinwohner nicht nur alle mehr oder weniger Nachkommen einer Besiedlungswelle sind, sondern, dass diese Besiedlung definitiv vor etwa 11.000 Jahren v. u. Z. von Sibirien aus erfolgte. Das belege die genetische Forschung unzweifelhaft. Ein britisches Forscherteam will dagegen in Mexiko menschliche Spuren entdeckt haben, die 40.000 bis 50.000 Jahre alt sind. Und der US-Amerikaner Dillehay fand Ende der 1990er Jahre in Chile Spuren menschlicher Besiedlung, die seiner Meinung nach ca. 1.000 Jahre älter sind als die der Clovis-Kultur. Und, und, und… die Liste könnte fortgesetzt werden.

Monte_Verde_Dokutainment_erste_Amerikaner_02.jpg Die Ankunft der ersten Menschen auf dem Kontinent wird also heiß diskutiert und ein Film über dieses Thema kann spannend sein wie ein Krimi. Gisela Graichen und Peter Prestel, die beide Erfahrungen mit ur- und frühgeschichtlichen Themen haben (u.a. „Schliemanns Erben“) waren wohl auch dieser Meinung und konzentrieren sich in ihrem Film „Heiße Spur am Monte Verde“ auf die Arbeit von Tom Dillehay. Dieser hat im südchilenischen Monte Verde – so heißt es im Film – ca. 12.500 Jahre alte Spuren menschlicher Besiedlung gefunden. Damit gäbe es einen Beweis für die Existenz des Menschen in Amerika bereits ein Jahrtausend vor der Clovis-Kultur. Genug Stoff also für eine tolle Geschichte, aus der dann aber leider doch nur eine dieser ZDF-Fernsehreportagen wurde, in denen publikumswirksam viel behauptet, aber wenig belegt wird.

Das Problem beginnt bereits bei der Datierung. Wenn die Funde 12.500 Jahre alt sind, dann gehören sie in die Zeit der Clovis-Menschen und es wäre „lediglich“ die Frage zu stellen, wie diese so schnell gen Süden kamen. Vermutlich stammen die Spuren menschlicher Besiedlung also aus der Zeit um 12500 v. u. Z. Dillehays Entdeckung, die im Film nicht genauer datiert wird, „erschütterte die Fachwelt“, weil sie auf etwas stieß „was es nicht geben durfte“. Graichen und Prestel belassen es allerdings bei solch markigen Sprüchen, die „Fachwelt“ selbst kommt nicht zu Wort. Stattdessen wird mal schnell ein internationales Team aus einem Paläobiologen, einem Arzt, einer Genetikerin und einem Geologen zusammengestellt, das dem Geheimnis von Monte Verde interdisziplinär nachgehen soll. Tom Dillehay will vor allem widerlegen, dass Südchile in der Zeit um 12500 v. u. Z. noch unter eiszeitlichen Gletschern verborgen war und allein deshalb nicht besiedelt werden konnte. Das Team reist also durch Chile und Argentinien (Chilóe, Monte Verde, Patagonien) und sucht dort nach Belegen für Dillehays Thesen. Die Suche nach Sedimentschichten, Gletscherspuren und Schnecken ist für den Laien aber nicht besonders spannend und so bewältigen die Forscher diese wie einen Schulausflug. Jedenfalls vermittelt der Film einen solchen Eindruck. Man kann die Experten dabei beobachten, wie sie mal ein wenig in der Landschaft herumbuddeln und en passant auch gleich die nötigen Beweise finden. Deren Alter wird dann schnell geschätzt, das muss für den Zuschauer in der Regel reichen. An den Ausläufern eines eiszeitlichen Gletschers entnimmt der Geologe eine (!) Probe, die dann beweist, dass die Region seit 40.000 Jahren eisfrei ist. So geht Wissenschaft also auch. Bei einem anderen Einsatz werden die Forscher „skeptisch“ hinsichtlich des Erfolgs ihrer Mission, weil der Paläontologe Frank Riedel bereits seit mehr als einer (!) Stunde vergeblich nach Überresten von Schnecken sucht.

Monte_Verde_Dokutainment_erste_Amerikaner_01.jpgIn diesem Film muss irgendwie alles schnell gehen; es wird vermutet, behauptet, angedeutet. Und dabei bleibt es dann zumeist. Vor vielleicht 20.000 Jahren, so heißt es, gab es einen gewaltigen Tsunami an der chilenischen Südwestküste. Für die Filmemacher ist das erstaunlich, fast sensationell. Wieso eigentlich? Aber für die These der frühen Besiedlung erscheint ihnen eine Flutkatastrophe als eher günstig. Die Menschen konnten damals schließlich besser mit Naturkatastrophen umgehen. Glaubt die Genetikerin. Eine schlüssige Begründung für ihren Glauben bietet sie allerdings nicht, aber als ein Beleg für die Existenz von Menschen muss das reichen. Der Arzt des Teams untersucht die letzten Vertreter der Kanuindianer (?!) in Feuerland und kommt dann zu dem Schluss, dass ihre Zahl immer weiter abnimmt. Dass Wie und Warum des Aussterbens dieser Gruppe (der Yahgan?) behalten die Filmemacher dann aber für sich. Vermutlich wäre das zu verwirrend für den Zuschauer, und anstrengend sollte es wohl doch nicht sein. Ich will auf weitere Beispiele verzichten. Allzu häufig erscheint in diesem Film allein die Möglichkeit, dass etwas geschehen sein könnte als hinreichender Beweis dafür, dass es tatsächlich auch so war.

Öffentlichkeitsarbeit per Filmreportage hilft zweifellos bei der Verbreitung eigener, von der allgemeinen wissenschaftlichen Lehrmeinung abweichender Thesen. Anstatt zu überzeugen, hat mich diese Reportage allerdings eher skeptisch gemacht. Das liegt aber grundsätzlich nicht an Dillehays Thesen, sondern vor allem an deren Vermittlung im Film. Ich glaube nicht, dass das Forscherteam um Tom Dillehay wirklich so dilettantisch arbeitet und seine Ergebnisse derart oberflächlich interpretiert wie in „Heiße Spur am Monte Verde“ dargestellt. Da hatten Graichen und Prestel wohl die Unterhaltung der Fernsehzuschauer etwas zu sehr im Blick. Und die Forscher haben es hingenommen. Schade eigentlich, das Thema ist wirklich hochinteressant.

Heiße Spur am Monte Verde (2006); ZDF-doku/ 17. Mai 2008

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