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Kupfer – Das rote Gold aus Chile

Florian Quitzsch | | Artikel drucken
Lesedauer: 7 Minuten

Chile: Chuquicamata, Mine - Foto: Maxim KarpilowskiDer Anfang der Dokumentation könnte auch aus einem Film von Stanley Kubrik stammen. Die Kamera fängt ein in gelb-orange getauchtes mondähnliches Szenario am Rande der Anden auf fast 3.000 Meter Höhe ein. Nur die künstlich aufgeschütteten Gesteinsmassen, sowie die Gebäude und Wohnhäuser der zur staatlichen Kupfergesellschaft Codelco gehörenden Mine Chuquicamata verdeutlichen, dass es von Menschen geschaffene Gebilde sind. Und das inmitten einer der lebensfeindlichsten Wüsten der Erde, der Atacama. Bereits seit über 100 Jahren wird hier der wichtigste chilenische Rohstoff gefördert: Kupfer – das rote Gold des Landes.

Die Reportage nimmt den Zuschauer mit auf eine spannende Reise über und unter Tage, verdeutlicht den Gewinnungsprozess des Kupfers, erzählt von den Minenarbeitern und ihren Arbeitsbedingungen. Es wird nicht mit Details gegeizt und die durch die angenehme, anfänglich so gut wie omnipräsente Erzählerstimme eingestreuten Zahlen lassen es dem Rezipienten für kurze Zeit fast schwindelig werden. Das liegt wohl daran, dass die gigantische offene Mine eine wahre Ansammlung von Superlativen ist. Der noch aus dem Weltall zu erkennende Tagebau ist vier Kilometer lang, zwei Kilometer breit und einen Kilometer tief. Damit ist Chuquicamata die weltweit größte offene Kupfermine und deckt 25 Prozent des globalen Kupferbedarfes. Täglich werden aus etwa 180.000 Tonnen Gestein mit einem Kupfergehalt von 1,5 Prozent ungefähr 2.500 Tonnen hochprozentiges Kupfer gewonnen. Die für den Laien minimal erscheinende Konzentration ist immer noch doppelt so hoch als in anderen Kupferabbauregionen der Erde. Nicht zu vergessen, der in den letzten Jahren immens gestiegene Kupferpreis, der den Abbau auch bei noch geringeren Konzentrationen wirtschaftlich macht.

Chile: Chuquicamata, Kipper - Foto: Maxim KarpilowskiDie 100 im täglichen Einsatz befindlichen Muldenkipper lassen auch die Augen von „großen Kindern“ hell erstrahlen. Aber das Fahren und Rangieren dieser mehrere hundert Tonnen schweren „Männer-Spielzeuge“ ist alles andere als ungefährlich. Das Filmteam begleitet den Fahrer Vladimiro, der eines dieser fahrenden „Einfamilienhäuser“ bewegen darf und dafür umgerechnet 2000 Euro im Monat verdient. Ein überdurchschnittlich guter Lohn für Chile, möglich aufgrund der starken Gewerkschaft der Fahrer. In der Mine herrscht – für eine bessere Übersicht – Linksverkehr und vor allem im Winter müssen die Fahrer beim Abladen des Gesteins aufpassen, dass ihre Kolosse nicht den Abhang hinunterrutschen.

Immer schön dem Verarbeitungsprozess des Kupfers folgend, wird – die verschiedenen Zwischenschritte der Herauslösung des Kupfers aus dem Gestein allerdings nur angerissen – als nächstes die einem höllischen Glutofen gleichende Gießerei zum Schauplatz gemacht. In dieser herrschen Lärm sowie unmenschliche Temperaturen und das Spiel mit dem Feuer hat schon das eine oder andere Opfer gefordert. Aber die traditionell als macho minero geltenden Minenarbeiter haben sich an die obligatorische Schutzkleidung gewöhnen müssen, da sie bei mehrmaligen Verstößen gegen die Sicherheitsbestimmungen entlassen werden können. Mit oder ohne Schutzkleidung, der Job fordert den Arbeitern alles ab, bis zur Erschöpfung. Das Kupfer wird letztendlich bis auf einen Gehalt von 99,99 Prozent angereichert und erreicht damit einen nahezu absoluten Reinheitsgrad. Der gesamte Prozess wird, wie in modernen Zeiten üblich, elektronisch und digital überwacht, wobei die weibliche Systemstimme „Tanja“, benannt nach einer ehemaligen Praktikantin, der fast ausschließlich männlichen Belegschaft etwas den Tag „versüßen“ soll.

Chile: Chuquicamata, Ort - Foto: Maxim KarpilowskiDie zur Mine gehörende Stadt Chuquicamata, von ihren Bewohnern liebevoll nur Chuqui genannt, befand sich zum Zeitpunkt der Doku bereits im Prozess der Umsiedlung, der bis 2007 abgeschlossen wurde. Codelco folgte damit den von Chile anerkannten internationalen Umweltstandards, da ein Leben in der extrem staubhaltigen Luft die Gesundheit der Bewohner mehr als gefährdet. Diese wurden in das 15 Kilometer entfernte Calama umgesiedelt, wo das Staatsunternehmen seinen Arbeitern Häuser nach Baukastensystem hinstellte, die zu zinsgünstigen Krediten abgezahlt werden können. Die Stadt ist damit bereits auf 150.000 Einwohner angewachsen. Codelco hat die Umsiedlungsaktion aber nicht ganz uneigennützig durchgeführt, da so zusätzlicher Platz für den Abraum geschaffen werden kann, wenn der Ort Chuquicamata erst einmal weg ist. Immerhin wird der Friedhof der letzte stumme Zeuge einer über einhundertjährigen Geschichte bleiben – irgendwie passend an diesem unwirtlichen Ort. Dass die Jugendlichen zunehmend in die Stadt gehen, um zu studieren oder um andere Berufe als den des Minenarbeiters zu ergreifen, ist da nicht verwunderlich.

Schauplatzwechsel: Es geht zum Berg El Inca in der Nähe des Städtchens El Salvador, zirka 400 Kilometer weiter südlich. In dieser Untertage-Mine wird erst seit 50 Jahren Kupfer abgebaut. Sie ist das Produkt der Kupfererschöpfung einer anderen Lagerstätte und deren Verlagerung, wodurch etliche Arbeitsplätze gerettet werden konnten – daher der Name des Ortes. Die Minenarbeiter fahren mit der Eisenbahn in den Berg ein und wer, wie Chuck Norris – so der Spitzname eines Mineros – den Zug verpasst, muss mit dem Güterzug hinterher. Den Namen haben sie ihm verpasst, da der Minero früher keinem Faustkampf aus dem Weg gegangen sei. Es geht in den Berg, der mehrere vertikale Ebenen besitzt und so zerlöchert ist wie ein Schweizer Käse. Dort ist es eng, staubig und dunkel. Die Sprengungen zur Erweiterung des Tunnelsystems müssen sorgfältig durchgeführt werden, damit es nicht zu ungeplanten Einstürzen kommt. Ein Arbeiter äußert den fast schon philosophischen Satz, dass „sie hier ein bisschen Geld dafür verdienen, dass sie ihre Lebenszeit verkürzen.“

Die Mine schläft nie. Es wird quasi rund um die Uhr gearbeitet. Die Arbeiter sind eine verschworene Gemeinschaft und haben sich den nötigen Humor für diese Knochenarbeit bewahrt. Sie geben sich Spitznamen wie Tinte, Cajacito oder Flaite. Die schnelle Fahrt mit dem Bagger durch das unterirdische Labyrinth wirkt mit der entsprechenden Musik wie aus einem Science Fiction-Film. Am Ende der Schicht bringt der Zug die Belegschaft wieder ans Tageslicht. Sie sind ausgelassen, singen Lieder über Liebe, Lust und Leid und klopfen dabei rhythmisch auf ihre Brotbüchsen. Fast wie kleine Kinder.

Dass der Bergbau, hier der Kupferabbau, selten ohne Umweltschäden auskommt, wird im Beitrag zum Glück nicht verschwiegen. Das durch Arsen, Säuren und andere Giftstoffe verseuchte Wasser wird heutzutage gereinigt und wieder verwendet, aber noch bis in die 1990er Jahre wurde es ohne Aufbereitung ins Meer eingeleitet. Und das bereits seit den 1930er Jahren, als der Kupferbergbau noch in US-amerikanischer Hand war. An einem Küstenabschnitt auf sieben Kilometer Länge existiert so gut wie kein Leben mehr und die Erholung des Gebietes wird wohl noch Jahrzehnte dauern. Proteste gegen die Umweltsituation wurden erst nach dem Sturz Pinochets möglich. Das beste Beispiel ist die Bucht von Chañaral, wo der Strand durch Kupferschlamm und Arsen verseucht ist und eine grünliche Farbe angenommen hat. Die Anwohner sind wütend über die Tatsache, dass Codelco zwar eine Strandpromenade und einen Spielplatz errichtet hat, jedoch nichts gegen die Umweltverschmutzung unternimmt. Der im Beitrag zu Wort kommende Codelco-Vertreter versucht sich, wie üblich, aus der Sache rauszureden.

Die Dokumentation besticht durch ihren sachlichen Charakter und bietet gut recherchierte Fakten. Die teilweise grandiosen Landschaftsbilder der Atacama in der Abendsonne oder der Minenstadt bei Nacht setzen noch ein Sahnehäubchen obendrauf. Die dezent eingesetzte Musik ist eine Mischung aus Flamenco, Klassik und Stomp, aber immer passend. Mit einer optimalen Länge von 45 Minuten, ein Beitrag bei dem absolut keine Langeweile aufkommt. Die letzten Bilder zeigen den Transport des Kupfers mit dem Zug nach Antofagasta. Die Fahrt dauert auf der sich dem Pazifik entgegen windenden Strecke etwa sechs Stunden. Von dort wird das Kupfer hinaus in die Welt verschifft, z.B. nach China oder Europa. Die prognostizierte Erschöpfung der oberirdischen Vorräte in Chuquicamata wird schon bald einen unterirdischen Abbau notwendig machen.

Glanz der Erde – Kupfer aus Chile
RBB 2004, Regie: Kristian Kähler

Fotos: Chuquicamata, Chile 2006 – Maxim Karpilowski.

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