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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Von der Kolonie zur Republik

Jan Meine | | Artikel drucken
Lesedauer: 6 Minuten

Brasilien feiert(e) in diesem Jahr Jubiläum – das Jubiläum zum 500. Jahrestag seiner Entdeckung. Gefeiert wird das gesamte Jahr, der Höhepunkt war jedoch der 22. April, denn am 22. April 1500 landete Pedro Alvares Cabral mit der zweiten portugiesischen Flotte an der brasilianischen Küste, welche auf Grund des Vertrages von Tordesillas (1493-1494) im portugiesischen Herrschaftsbereich lag. Die in Besitz genommene Küste erhielt den Namen IIha da Vera Cruz – „Land des wahren Kreuzes“. Der Chronist Pedro Vaz de Caminha verfaßte einen Bericht über die Vorgänge während der Entdeckungsfahrt. Unklar ist noch heute, ob Brasilien wirklich durch Zufall entdeckt worden ist, oder ob bereits zuvor Kenntnisse über die geographische Lage dieser Region existierten.

Es stellt sich äußerst schwierig dar, die Geschichte der indigenen Bevölkerung bis zur Entdeckung Brasiliens zu rekonstruieren, da es auf dem Gebiet Brasiliens keine Hochkulturen gab und somit nur sehr wenige bleibende Überlieferungen, wie z.B. die Zeit überdauernde Bauwerke, existieren. Die indigene Bevölkerung wurde von der Forschung in acht Sprachfamilien eingeteilt, deren Angehörige wiederum in zahlreiche Untergruppen zerfielen. Die bekanntesten dürften die Tupi-Guarani, die Tapuya sowie die Familie der Ge sein. Über die Frage nach der Zahl der Indios und der Bevölkerungsdichte im Jahr 1500 läßt sich nur spekulieren, wissenschaftlich belegte Zahlen können nicht angegeben werden. Eine der veranschlagten Zahlen der Bevölkerung auf dem heutigen Gebiet Brasiliens im Jahr 1500 belauft sich auf 2,4 Mio.

Da sich Portugal zu dieser Zeit lediglich für die Errichtung eines Handelsmonopols für Gewürze und andere begehrte Güter aus Indien in Europa interessierte, legte die portugiesische Krone keinen größeren Wert auf eine rasche und umfassende Kolonisierung des Landes. Die Kolonisationspolitik der Portugiesen war nicht die einer weitreichenden Inbesitznahme des Landes, sondern eine reine Küstenkolonisation; dies geschah durch die Vergabe von Kapitanien entlang des Küstenstreifens, wodurch das Hinterland Brasiliens noch über Jahrzehnte nicht von Europäern berührt wurde. Schnell erkannte man jedoch die ökonomische Bedeutung des Pau Brasil, des Brasilholzes, welches vor allem in Nordwesteuropa zum rötlichen Färben von Tuch genutzt wurde. Der „Zyklus des Brasilholzes“ wurde eingeleitet. Die brasilianische Wirtschaftsgeschichte wird in verschiedene Zyklen eingeteilt, in denen jeweils ein Rohstoff dominierend für Brasilien war. Der Zyklus des Brasilholzes wurde von dem des Zuckers Ende des 16. Jahrhunderts abgelöst, welcher bis ins 18. Jahrhundert herrschte. Mit dem raschen Anwachsen der Zuckerproduktion im Nordosten und im Zentrum erfolgte auch eine Zunahme des Imports von afrikanischen Sklaven. 100 Jahre nach der Entdeckung Brasiliens existierten nur wenige Siedlungsschwerpunkte entlang der Küste, wie Salvador (gegr. 1549) und Rio de Janeiro (gegr. 1565), sowie kleinere Bevölkerungsansammlungen. Die einzelnen Kapitanien hatten zum Mutterland mehr Kontakt als untereinander, was an der enormen Größe des Landes, sowie an der nicht vorhandenen Infrastruktur lag.

Ab ca. 1635 begann eine Binnenexpansion, ausgehend von der Region um Sao Paulo. Träger dieser Binnenexpansion waren die sogenannten Bandeirantes (Bandeira = Fahne). Sie führten Züge ins Hinterland durch, mit dem ursprünglichen Ziel, Indianer zu versklaven. Verstärkt wurden diese Züge, nachdem Gold gefunden wurde. Das historisch wichtige Ergebnis lieferten die Bandeirantes durch die Erkundung und Kartographierung des brasilianischen Hinterlandes. Gold wurde zur treibenden Kraft einer Erschließung des Innenlandes. Die reichhaltigsten Vorkommen fand man in der Gebirgsregion Minas Gerais, diese stieg damit zu einer florierenden Provinz auf; der ,,Zyklus des Goldes“ dauerte jedoch nur ca. 100 Jahre, von l 700 bis 1800.

Als zu Beginn des 19. Jahrhunderts Frankreich zusammen mit Spanien begann, Portugal zu besetzen, entschied sich der portugiesische Hof, nach Brasilien zu übersiedeln. Im November 1807 verließen 36 Schiffe mit 15 000 Personen – Aristokratie, Klerus. Führungspersonen der Bürokratie, Großgrundbesitzern und Handelsleuten den Hafen von Lissabon und erreichten im März 1808 Rio de Janeiro, von wo aus Dom Joao über Brasilien und Portugal regierte. Diese Übersiedlung war einzigartig in der europäischen Geschichte: zum ersten und einzigen Mal verlagerte eine Kolonialmacht die Hauptstadt ihres Reiches in eine Kolonie. Brasilien erlebte einen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung, trotz der nicht mehr sehr ertragreichen Goldgruben. Zum Substitut für das Gold wurde der Kaffee. Hin neuer Zyklus bildete sich heraus, der „Zyklus des Kaffees“, der bis zur Wellwirtschaftskrise 1929 dauerte. Bereits 1822 erfolgte die Ausrufung der Unabhängigkeit durch den Sohn des portugiesischen Königs Dom Pedro. Als Pedro I wurde er zum Kaiser von Brasilien proklamiert, kurz darauf kam es zur Ausarbeitung einer ersten politischen Verlassung, welche 25. März 1824 verkündet wurde und bis 1891 ihre Gültigkeit behielt. 1888 trat das Lei Aurea (Goldenes Gesetz) in Kraft, durch das die Sklaverei offiziell aufgehoben wurde. Mit dem Sturz des Kaisers Dom Pedro II 1889 endete auch die konstitutionelle Monarchie in Brasilien und die Zeit Ersten Republik begann zwei Jahre später trat die neue Verfassung in Kraft, die Verfassung der „Vereinigten Staaten von Brasilien“, Vorbild für diese Verfassung waren die USA, nicht zuletzt wurde die starke Dezentralisierung übernommen. Im Jahr 1922 wurden 100 Jahre Unabhängigkeit gefeiert – in Sao Paulo fand die Semana de Arte Moderna (Woche der modernen Kunst) statt; Kunst und Architektur waren Protagonisten auf dem Weg Brasiliens in die Moderne. Die Politik folgte nach der Weltwirtschaftskrise – der Weltkaffeemarkt und die Finanzmärkte brachen zusammen den veränderten Rahmenbedingungen, welchen sich Brasilien ausgesetzt sah. Nach der Revolution im Oktober 1930 übergab die Militärjunta die Macht an Getulio Vargas, obwohl dieser in den Präsidentschaftswahlen gegen Julio Prestes unterlegen war. Damit endete die Erste Republik und wurde zur Alten Republik. Die folgenden 15 Jahre Getulismo waren geprägt durch Populismus, korporatistische Strukturen und ein starkes Engagement des Staates in der Wirtschaft.

1954 forderte das Militär Vargas aufgrund von Skandalen zum Rücktritt auf, dieser jedoch beging Selbstmord. Der neue Präsident Juscelino Kubitschek forcierte die Industrialisierung Brasiliens und veranlaßte den Bau der neuen Hauptstadt Brasilia, welche I960 eingeweiht wurde. Eine Wiederwahl war Kubitschek nicht vergönnt, 1964 putschte wieder das Militär und übernahm die Macht. Bis 1985 lösten sich mehrere Militärregime unter verschiedenen Präsidenten ab. Die Militärregime legitimierten sich in der Bevölkerung hauptsächlich durch wirtschaftliches Wachstum. Als dieses jedoch nicht mehr gewährleistet werden konnte, kam es zu einem umfassenden Demokratisierungsprozeß: 1985 wurde Jose Sarney erster Präsident der Neuen Republik. Die verfassungsgebende Versammlung erarbeitete eine neue Verfassung, an welcher sieh die Bevölkerung mit Vorschlägen beteiligte die Verfassung wurde 1988 verkündet.

Bei den Präsidentschaftswahlen 1994 wurde Fernando Henrique Cardoso – der „Schöpfer“ des Plano Real, des Stabilisierungsplans gegen Inflation und für Wirtschaftswachstum – zum Präsidenten gewählt. Zum ersten Mal in der Geschichte wurde 1998 ein Präsident in einer demokratischen Wahl wiedergewählt: Cardoso wurde mit 53% der Stimmen für weitere vier Jahre Präsident.

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