Im Salzsee Salar de Uyuní in Bolivien wird das größte Lithiumvorkommen der Welt vermutet. Die staatliche Bergbaugesellschaft bevorzugt bisher einen ausschließlich industriellen Ansatz für den zukünftigen Abbau dieses für die Batterieherstellung essentiellen Rohstoffes. Wissenschaftler der TU Freiberg haben in Zusammenarbeit mit der Universität Tomás Frías in Potosí eine Alternative entwickelt, die möglicherweise die Bewohner der Region, die bisher von Salzabbau und Landwirtschaft leben, einbeziehen könnte. QUETZAL sprach am 30. April 2012 mit Robert Sieland, Mitglied des Freiberger Forscherteams, über einige „basics“ der Lithiumgewinnung, die Besonderheiten des Salar de Uyuni sowie verschiedene technischen Verfahren der Lithiumgewinnung.
Am 22. September 2012 fand in Leipzig eine internationale Konferenz zum Thema Lithium statt, deren Ergebnisse der Verein „Ayni – Verein für Ressourcengerechtigkeit“ auf spanisch in einer jüngst erschienenen Broschüre veröffentlicht hat. Aus dieser bringen wir die Übersetzung eines Ausschnittes, der sich mit dem aktuellen Stand des staatlichen Lithium-Projektes befasst.
-Die Redaktion-
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Das Fortschreiten des Staatsprojektes, offizielle Version
Zu den verschiedenen Phasen des bolivianischen Staatsprojektes kann man auf der Homepage des GNRE (Nationales Management für Evaporit-Rohstoffe) [1] lesen: „Die Phase 1, die Pilotphase, läuft. Die Phase 2, die Industrialisierung, dauert bis Ende 2016. Die Phase 3, die Batterieproduktion, wird im April 2014 mit der Inbetriebnahme des Labors und der Pilotanlage für Lithiumbatterien umgesetzt.“ Einem anderen Dokument des GNRE [2] zufolge gibt es den folgenden Zeitplan: erste Phase: 2008 – 2011; zweite Phase 2011 – 2013/14; dritte Phase: 2014 -. Nach Angaben des Verantwortlichen des GNRE wurde die Pilotanlage am 01.03.2013 in Betrieb genommen, bisher wurden zehn Tonnen Lithiumkarbonat mit einem Feingehalt von 96 Prozent gewonnen und „ die Anmeldung des entsprechenden Patents“ ist „im Gange“. Die Industrieanlage mit einer Produktionskapazität von 30000 Tonnen jährlich befindet sich im „Entwurf des Referenzbezuges, um den Vertragsprozess der Ingenieurleistungen für den endgültigen Entwurf der Industrieanlage voranzutreiben…“ [3]
Die Ausrüstung für ein „Labor und die Pilotanlage“ zur Batterieherstellung [4] erfolgte durch die chinesische Firma LinYiDake Ltda. Nach Informationen der Homepage des GNRE [5] handelt es sich dabei um eine Firma, die sowohl über „ … Erfahrungen in Bezug auf die Rohstoffe zur Batterieherstellung als auch die Batterieherstellung selbst“ verfügt. Die Montage würde im November 2013 beginnen. Ende August wurde die Unterzeichnung einer Absichtserklärung zwischen den Niederlanden und Bolivien bekannt gegeben, die drei Bereiche umfasst: „Erstens die Zusammenarbeit mit Bolivien, damit es sein eigenes Werk zur Herstellung von Lithiumbatterien erhält, zweitens die Schaffung eines Labors und drittens den Erfahrungsaustausch.“ [6]
Hinsichtlich der Lithiumkathoden wird informiert, dass „mit dem koreanischen Konzern Kores-Posco eine Vereinbarung zur Ausrüstung einer Pilotanlage für Kathoden auf Grundlage von Lithiumkarbonat – welches wir schon mit guten Ergebnissen auf Pilotniveau produzieren – getroffen wurde“. [7]
Für die gesamte Pilotunternehmung waren 17 Mio. US-Dollar geplant, aber bisher wurden einem Dokument des GNRE [8] zufolge 19,5 Mio. Dollar investiert. Einer neuen Information zufolge [9] belaufen sich die Ausgaben der Zentralbank von 2011 bis heute jedoch auf bisher 565,5 Mio. Bolivianos (81 Mio. Dollar), von diesem Betrag wurden 416,5 Mio. Bolivianos (60 Mio. Dollar), das sind 73,6 Prozent, verbraucht. Die erste Auszahlung der Bolivianischen Zentralbank (BZB) betrug 40 Mio. Bolivianos (5,7 Mio. Dollar), die zweite 97,4 Mio. Bolivianos (14 Mio. Dollar), danach 109,4 Mio. Bolivianos (15,7 Mio. Dollar) und die vierte umfasste schließlich 318 Mio. Bolivianos (45,7 Mio. Dollar).
Zur Durchführung der Phase 2, der Industrialisierung des Salar de Uyuni, wurde mit der BZB ein Vertrag über 801 Mio. Bolivianos und ein weiterer über 35 Mio. Bolivianos zur Errichtung einer Pilotanlage für Lithiumionenbatterien unterzeichnet. Es ist wichtig hinzuzufügen, dass der Kredit der BZB nur zur Unterstützung der Phasen 2 und 3 des Projektes bestimmt ist, obwohl die Phase 1 noch nicht abgeschlossen ist.
Das Projekt, inoffizielle Version
Das bolivianische Volk hat zum Glück einen Experten als kritischen Beobachter des Staatsprojektes. Es handelt sich um Juan Carlos Zuleta Calderón. Wir sagen zum Glück, weil wir Bolivianer uns ohne ihn in völliger Unwissenheit über dieses Thema befinden würden und die eigenen Verantwortlichen des Projekts mit äußerster Diskretion auftreten. Die folgenden Zeilen basieren weitgehend auf Ansichten des Experten. Zuleta zufolge konnte das Staatsunternehmen nach mehr als fünfjährigen Versuchen nicht eine einzige Tonne Lithiumkarbonat von international wettbewerbsfähiger Qualität erzeugen. Man muss daran erinnern, dass Professor Voigt, ein deutscher Experte [10], 2010 erklärte: „1 kg Lithiumkarbonat mit einem Reinheitsgrad von 99,5 Prozent, nicht geeignet für Autobatterien, kostet 6 – 8 US-Dollar. Dagegen kostet 1 kg Lithiumkarbonat mit einem Reinheitsgrad von 99,95 Prozent, geeignet für Autobatterien, zwischen 15 und 30 US Dollar.“ Das GNRE produziert es mit einem Höchstgehalt von 96 Prozent.
Während der Geschäftsführer des GNRE versichert, das es bei der Industrialisierung von Lithiumkarbonat um den quantitativen Aspekt geht („Der Unterschied zwischen der Versuchs-, Pilot-, semiindustrieller und industrieller Produktion ist die Quantität“) [11], weist Zuleta darauf hin, dass „man nicht sagen kann, dass das Karbonat ein Industrieprodukt sei, nicht einmal ein Zwischenprodukt, sondern ein gereinigter Rohstoff.“ Zuleta zufolge hat Kores-Posco aus Südkorea ein Patent zur Gewinnung von Lithiumkathoden direkt aus den Salzlaken des Salar de Uyuni, welches scheinbar im Moment das einzige echte und registrierte Patent ist. Kores-Posco mache den Beginn des Projekts abhängig von der Unterzeichnung eines „zweiten Dokuments, welches ausdrücklich die Eigentumsrechte an dem Patent zu den Salzlaken, die gratis durch das GNRE ohne irgendeinen Kompromiss seitens der Ausländer übergeben wurden, den südkoreanischen Wissenschaftler zuerkennt.“
Nach Ansicht Zuletas ist die Pilotproduktion von Batterien ein äußerst schlechter „Plan B“ und hat nicht die geringste Erfolgsaussicht, da das Land sich einerseits nicht auf einen sicheren Vorrat an Lithiumkarbonat in einer für Batterien geeigneten wettbewerbsfähigen Qualität verlassen kann und andererseits alles darauf hinzudeuten scheint, dass die erwähnte Pilotanlage für Batterien keinerlei Spitzentechnologie entspricht.
Die niederländische Unterstützung, die sich anfänglich auf eine professionelle Beratung auf internationalem Niveau zur Errichtung eines technischen Berufsausbildungszentrums mit einem Labor und einer Pilotanlage zu beschränken schien, strebt nunmehr die Unterzeichnung eines Vertrages zwischen GNRE und BTI Energy Innovators (ehemals GAIA) an, einem niederländischen Werk zur Batterieproduktion, welches in Europa gut bekannt ist und einen nicht unbedeutenden Anteil am Batterieweltmarkt hat. [12]
Die Bewohner des Uyuni-Gebietes als Nutznießer
Das Lithiumprojekt des bolivianischen Staates beinhaltet keinerlei Konzept zur Einbeziehung der Bevölkerung des Gebietes. Es ist eine Enklave im Kolonialstil. In der letzten Zeit wurden die Bewohner des Umlandes des Salar de Uyuni zu richtigen Exporteuren, aber nicht von Lithium, sondern Quinoa: „dem goldenen Korn“. Es gibt keine genauen Angaben zur Anzahl der Quinoa-Bauern, aber man schätzt 22.000 Produzenten. [13] Das ist das Paradoxe der Angelegenheit. Die Departements Oruro und Potosi, wo sich die bedeutendsten Salzseen Boliviens und der Welt befinden, beherbergen zugleich die größte genetische Vielfalt und folglich auch die höchste Produktion von Quinoa in Bolivien [14]. Die großen Quinoaproduzenten befinden sich rund um den Salar de Uyuni [15]. Der Vizeminister für ländliche Entwicklung Victor Hugo Vazquez verwies im Internationalen Jahr der Qinoa darauf, das die Fläche von 134 Mio. ha Quinoa aus dem Jahr 2012 auf 200 Mio.ha im laufenden Jahr (2013) ansteigen wird und man erwartet, dass der Export mehr als 100 Mio. Dollar abwerfen wird [16]. Die bolivianische Regierung sollte eine interdisziplinäre Studie in Auftrag geben, welche die Folgen aufzeigt, die ein massiver Lithiumabbau in der Salar de Uyuni auf die Quinoaproduktion haben könnte.
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[1] http://www.evaporiticos.gob.bo/ (eingesehen am 22.8.2013)
[2] Siehe: Estado Plurinacional de Bolivia. Gerencia Nacional de Recursos Evaporiticos: Estrategia Nacional de Industrialización de Recursos Evaporiticos de Bolivia. Conferencia de Prensa dado por el Presidente Evo Morales Ayma en Palacio de Gobierno, La Paz, 21 de octubre de 2010, S. 15
[3] http://www.evaporiticos.gob.bo/ (eingesehen am 22.8.2013)
[4] http://www.evaporiticos.gob.bo/ (eingesehen am 22.8.2013)
[5] http://www.evaporiticos.gob.bo/?p=1100#more-1100 (22.8.2013)
[6] http://www.la-razon.com/economia/Holanda-transferira-tecnologia-litio_o_1896410380.html
[7] Ebenda.
[8] Siehe Quadro de Memoria 2012, S. 22
[9] http://www.hidrocarburosbolivia.com/bolivia-mainmenu-117/mineria-siderurgia/63832-bcb-entrego-bs-565-milliones-del-primer-contracto-para-litio.html (eingesehen am 3.9.2013)
[10] http://www.amigo-latino.de/indigena/noticias/newsletter_6_10/382_entrevista_Voigt,html (eingesehen am 22.8.2013)
[11] http://www.evaporiticos.gob.bo/ (eingesehen am 22.8.2013)
[12] http://www.lostiempos.com/diario/actualidad/economia/20130829/gobierno-busca-acuerdo-con-bti-energy-inovators-para-construir-una-plata_226381_488896.html
[13] http://www.infoquinua.bo/?opc=noticiatid-23 (eingesehen am 22.8.2013)
[14] http://www.quinuainternacional.or.bo/menu/pagina/12 (eingesehen am 28.8.2013)
[15] http://www.agrobolivia.gob.bo/compendio2012/index/.html#/64/200med (eingesehen am 28.8.2013)
[16] Siehe http://www.la-razon.com/economia/Aumentaran-cultivos-incremento-interno-exportacion_o_1865813458.html (eingesehen am 3.9.2013)
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Übersetzung aus dem Spanischen: Claudia Arnold
Bildquellen: [1] Quetzal-Redaktion, Anke Hertam; [2] Quetzal-Redaktion: Maxim Karpilowski