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Das Autonomie-Referendum in Santa Cruz vom 4. Mai

Florian Quitzsch | | Artikel drucken
Lesedauer: 5 Minuten

Weitere Spaltung Boliviens oder Verhandlungs-Faustpfand der Opposition?

Das Autonomie-Referendum am heutigen 4. Mai im bolivianischen Tiefland-Departement von Santa Cruz könnte die politische Situation im Land weiter anheizen. Der Ausgang des Votums scheint vorprogrammiert, denn nach letzten Umfragen wollen ca. drei Viertel (75 Prozent) der Regionsbewohner dafür stimmen – bei 13 Prozent prognostizierter Nein-Stimmen und der gleichen Anzahl von noch Unentschiedenen. Die weitläufige Meinung ist deshalb, dass die überwältigende Mehrheit der zur Wahl aufgerufenen Cruceños mit „sí“ (ja) abstimmen wird. Das Referendum birgt aufgrund der, in der Presse meist aber übertrieben dargestellten, Separationsgefahr und eines möglichen Zerfalls des Landes nicht nur latente Spannungen in sich. Zumindest die klare Linie des Nationalen Wahlgerichtshofes Boliviens (CNE), des Parlamentes und internationaler Akteure wie der OAS oder der EU – die das Referendums alle für illegal erklärten – sorg(t)en dafür, dass die Autonomiebestrebungen keinen weiteren Nährboden erhalten. Autonomiereferenden gekoppelt mit der Forderung einer Dezentralisierung der Verwaltung stehen im Juni 2008 ebenfalls in den anderen reichen Departements des Ostens Beni, Pando und Tarija – aufgrund ihrer geographischen Anordnung auch als Halbmond bezeichnet – zur Disposition. Mit einem positiven Ausgang des Volksentscheides in Santa Cruz würde deshalb auch ein Präzedenzfall für die anderen Departements geschaffen. In den Departements Cochabamba und Chuquisaca waren ebenfalls schon Stimmen für Autonomiereferenden zu vernehmen.

Das Referendum – im Zuge des angenommenen Verfassungsvorschlages vom Dezember 2007 initiiert [1] – wurde von einer Gruppe konservativer regionaler Politiker und Bürger der hellhäutigen Oberschicht vorangetrieben, unter ihnen Rubén Costas, der Präfekt von Santa Cruz; Branco Marinkovic, der Vorsitzende des „Bürgerkomitees Pro Santa Cruz“; Carlos Dabdoub, der Vorsitzende der Organisation der Privatunternehmer und Juan Carlos Urenda, der wesentlich an der Ausarbeitung des Autonomiestatutes beteiligt war. Ihre Interessen liegen vor allem in der Sicherung der Einnahmen aus der Gewinnung von Erdöl und –gas, die sich zum großen Teil in den Tieflandregionen des Ostens befinden. Die Forderung nach Autonomie ist deshalb auch als Antwort auf die von der bolivianischen Regierung durchgeführte Verstaatlichung der Gas- und Ölvorkommen zu sehen, eine Maßnahme die dem Staatshaushalt einen seit Ewigkeiten nicht gekannten Überschuss zuführte. Ein weiterer Faktor, der zu starker Opposition der reichen Landbesitzer, formiert in der Landwirtschaftskammer des Ostens (CAO), geführt hat, ist die von der Morales-Regierung in Gang gesetzte Landreform. Diese beinhaltet eine Umverteilung zu Gunsten der meist indigenen Minifundistas und eine Limitierung des Grundbesitzes bzw. eine Enteignung im Falle unproduktiv genutzter Böden.

Eine wichtige Rolle werden in den kommenden Tagen und Wochen auch die Sicherheitskräfte spielen, die zumindest in Person von Vizeadmiral Jose Luis Cavas Villegas bereits erklärt haben, auf der Seite der Verfassung und damit hinter der Regierung von Evo Morales zu stehen. Für den Tag des Referendums wird in Santa Cruz mit gewalttätigen Ausschreitungen gerechnet, da aufgrund der Ablehnung der nationalen Polizei und des Militärs die Abstimmung zu sichern, sich verschiedene als gewalttätig bekannte Jugendorganisationen der Rechten wie die Jugendunion Santa Cruz (UJC) und Studenten des lokalen Universitätsverbundes (FUL) als Sicherheitskräfte zur Verfügung gestellt haben. Zudem haben die Anhänger der Bewegung zum Sozialismus (MAS) in drei „berüchtigten“ Stadtteilen von Santa Cruz bereits ihren Widerstand gegen die Durchführung des Referendums angekündigt.

Wie von vielen Beobachtern bereits konstatiert, werden die unmittelbaren Folgen des Referendums vor allem im politischen Verhandlungsprozess zwischen der MAS-Regierung und der rechten Opposition eine Rolle spielen. Die auszuhandelnden Kompromisse, unter anderem der Autonomiestatus der Tieflanddepartements in der neuen Verfassung, hatten bereits eine Rolle in der Verfassungsgebenden Versammlung gespielt und wären spätestens dort wieder als Tagesordnungspunkte aufgetaucht. Allein die Durchführung des Referendums kann als Niederlage der Regierung gesehen werden, die mit allen Mitteln versucht hatte, dieses zu verhindern. Die Niederlage würde – bei einem „positiven“ Ausgang des Referendums – gleichzeitig einen Sieg für die konservativen Gegner der Regierung bedeuten, da sie dadurch ein Faustpfand in den zukünftigen Verhandlungen erhalten. Wie auch immer das Referendum ausgeht: es muss abgewartet werden, wie sich die Situation in Bolivien weiter entwickelt, da der Umbruch des Landes bereits in vollem Gange ist, die Regierung Morales es sich aber nicht leisten kann, auf so vielen Baustellen gleichzeitig präsent zu sein.

Den Ausgang des Referendums finden Sie in unserer Noticia vom 5. Mai: Santa Cruz votiert für die Autonomie

Siehe dazu auch die Analyse des Real News Network: Bolivia faces separatist challenge [_http://therealnews.com/web/index.php?thisdataswitch=0&thisid=1439&thisview=item&renewx=2008-05-05+12%3A45%3A00# (Der Link konnte am 15.02.2012 nicht mehr aufgerufen werden.)]

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[1] Bereits am 2. Juli 2006 stimmte Bolivien neben der Wahl einer Verfassungsgebenden Versammlung über ein Referendum zur Autonomie der einzelnen Landesteile (Departements) ab. In den vier östlichen Departements Santa Cruz, Tarija, Beni und Pando gab es klare Mehrheiten für eine Autonomie.

Quellen:

  • Andean Information Network: Illegal Autonomy Referendum Deepens Division in Bolivia. 25.04.2008. http://upsidedownworld.org/main/index2.php?option=com_content&task=view&id=1251&pop=1&page=0&Itemid=1, [04.05.2008].
  • Buitrago, Miguel A.: Potential for Violence on the 4th. 02.05.2008. <http://mabb.blogspot.com/>, [04.05.2008].
  • Ders.: Iyambae! Autonomia! Santa Cruz’s Cry for Autonomy Goes Ahead. 01.05.2008. http://mabb.blogspot.com/, [04.05.2008].
  • Crabtree, John: Santa Cruz’s Referendum, Bolivia’s Choice. 01.05.2008. http://upsidedownworld.org/main/index2.php?option=com_content&task=view&id=1262&pop=1&page=0&Itemid=68, [04.05.2008].
  • Fuentes, Federico: Right Wing Revolt Threatens Bolivia. 30.04.2008. http://upsidedownworld.org/main/index2.php?option=com_content&task=view&id=1258&pop=1&page=0&Itemid=68, [04.05.2008].

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