Es ist ein einmaliges, umfassendes Anschauungs-Erlebnis. Das zweitgrößte Monument Argentiniens (nach dem auf dem Cerro de la Gloria in Mendoza), steht am Ende der Costanera Sur. Von Arturo Dresco 1936 fertiggestellt, sollte die Skulptursammlung zum 400. Jahrestag der Erstgründung von Buenos Aires Dank und Anerkennung für Spanien darstellen, und so nennt das Werk sich auch: A España.
Die dargestellten Bronzefiguren zeichnen nahezu lückenlos die Geschichte Amerikas und insbesonders Argentiniens nach. Angefangen mit Kolumbus, vor Königin Isabel la Católica knieend und eine Schatulle mit den Juwelen zur Finanzierung seiner Entdeckungsreisen in Empfang nehmend. Ganz oben thront König Fernando V. von Kastilien neben der weiblichen Verkörperung der Libertad.
In vier Gruppen unterteilt sind an diesem herrlichen Denkmal alle bedeutenden Geschichtsgrößen zu finden, von den Entdeckern über die Konquistadoren und die Kolonisten bis zu den Vizekönigen im Vorfeld der Staatwerdung Argentiniens 1810.
Sebastián Gaboto ist natürlich zu sehen, der erste Europäer, der sich an der Mündung des Carcarañá in den Río Paraná niederließ und dort während 823 Tagen Freundschaft und Feindschaft der Eingeborenen teilte. Sodann Pedro de Mendoza, Gründer des ersten Buenos Aires in der Gegend des heutigen Belén de Escobar nahe dem Río Luján. Es folgen Domingo Martínez de Irala, der Interims-Adelantado nach Mendozas Tod, und nebenan der geniale Alvar Nuñez Cabeza de Vaca neben einem Ross, denn er durchquerte mit zahlreichen Pferden ganz Südbrasilien, entdeckte die Iguazú-Wasserfälle und erreichte ohne nennenswerte Verluste Asunción del Paraguay. Es folgt Hauptmann Juan de Garay, Gründer sowohl des ersten Santa Fe als auch der heutigen Stadt Buenos Aires, sowie sein Waffenkamerad Jerónimo Luis de Cabrera, Begründer von Córdoba.
Mag nun das rein handwerkliche Können eines Künstlers noch so genial sein, der Erfolg seiner Arbeit wird stets nicht nur von den Vorgaben seines Auftraggebers abhängen, sondern mehr noch von seinen Beratern. Sonst kann man sich schwer vorstellen, wie der seinerzeit kaum 18-jährige Raffael seine grandiose „Schule von Athen“ schaffen mochte. Und ebenso dürfte auch der im Vorort Temperley geborene und wirkende Arturo Dresco ausgezeichnete Assessoren gehabt haben, die ihm bei der Skizzierung des Monumentalwerkes in allen Details zur Seite gestanden haben müssen.
Denn es fehlt in der Sammlung wirklich kein Namhafter. Da stehen seitlich die großen Seefahrer Juan Díaz de Solis, Entdecker des Río de la Plata, und Fernando de Magallanes, Bezwinger des Fretum, der bis heute seinen Namen tragenden Meerenge und Namensgeber des Pazifik, sowie schließlich Sebastián Elcano, der Magellanes‘ Erstumseglung mit der von Holzwürmern durchlöcherten Victoria zu Ende führte.
Auch der weise und gütige Hernandarias ist zugegen, wie auch die fünf wichtigsten der insgesamt neun spanischen Vizekönige (Cisneros, Cerviño, del Pino, Cevallos und Vértiz). Der mit seiner Geige die Eingeborenen zum Übertritt zum Christentum bewegende San Francisco Solano fehlt ebensowenig wie Martín del Barco Centenera, Autor des mit seinem schon um 1501 in Lissabon gedruckten, schwülstigen Poems „Argentina y la Conquista del Río de la Plata“ unserem heutigen Land seinen Namen gab. Auch Félix Azara ist zugegen, der große Naturforscher, und der erste amerikanische Verteidiger der Menschenrechte, Fray Bartolomé de las Casas.
Doch das Kunstwerk, an dem Dresco immerhin mehr als fünf Jahre arbeitete, um die jeweils etwa zweieinhalb Meter großen Standbilder zu modellieren und dann zu gießen, wäre nicht, was es ist, wenn es nicht ein Mysterium beinhalten würde. Und dieses Geheimnis existiert in Form einer kryptischen Figur mit wallendem Überwurf, einen nackten Eingeborenenknaben umarmemd, gleich neben Azara stehend. Die Identität dieses quasi aus dem Rahmen fallenden Beschützers wird von vielen Sachverständigen erst gar nicht erklärt, und wenn, dann nur vage Namen und Beruf erwähnend: Sacerdote Fernández.
Da schien, glaubt man, Bildhauer Dresco nur noch eine Persönlichkeit in seiner Galerie zu fehlen, und jemand regte Sacerdote Fernández an.
Doch wer war wohl dieser Priester? Schlägt man im Espasa oder im Jackson oder aber in Diego Abad de Santillans umfassender Gran Enciclopedia Argentina nach, wird man mehrere Kleriker dieses Namens finden, doch welcher ist es nur? Fernández de Enciso wirkte zu weit entfernt, und andere Fernández‘ hätten keinen Vergleich mit der gezeigten Persönlichkeit ausgehalten. Es bedarf schon einer eingehenden Recherche, bis man endlich auf den korrekten Namensträger stößt: Juan Patricio Fernández, ein spanischer Jesuit, der bis 1672 im heutigen Paraguay wirkte und über seine Missionarstätigkeit eine umfassende „Relación Histórica“ von seinem Wirken unter den Chiquitos-Eingeborenen hinterließ, die 1726 in Madrid gedruckt wurde.
Ob Arturo Dresco (1875-1961) mit dem weithin unbekannten Priester die Kenntnisse der Betrachter seines Opus auf die Probe stellen, oder aber ob er lediglich die Gruppe von 28 Konterfeis komplettieren wollte, um den für seine Arbeit vereinbarten Gesamtbetrag von 280.000 Pesos moneda nacional einstreichen zu können – es ist gut, dass es neben den Bekannten auch die eine oder andere Figur gibt, die bis zu einem gewissen Punkt Rätsel aufgibt.
Übrigens ist das herrlich dargestellte Pferd neben Alvar Nuñez Cabeza de Vaca eine Zugabe Drescos zum Nulltarif.
Als Ganzes gesehen scheint dieses wundervolle Monument unvollständig, sobald man bemerkt, dass eigentlich noch eine andere wichtige Figur, und zwar der Namensgeber Amerikas, fehlt, nämlich Vespucci. Denn das Denkmal soll ja ein Dank an Spanien sein.
Wirklich? Dann aber warum Kolumbus? Steht doch im Vertrag mit der Königin klipp und klar: „Cristobal Colón, geboren zu Genua, erhält…“.
Und nun steht das Denkmal, heute kaum beachtet (denn zur Zeit seines Entstehens war die Costanera Sur noch das populärste Freibad von Buenos Aires und stark besucht) am südlichen Ende der schattigen Küstenpromenade fast vergessen da. Unverdientermaßen.
Marlú
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Dieser Artikel erschien am 23. Mai 2009 bereits im Argentinischen Tageblatt (Nr. 31.720, 120. Jahrgang, Seite 4). Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Argentinischen Tageblatt.
Bildquellen: [1] Claudio Elias/Public Domain; [2] Public Domain