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NAFTA-Abkommen: Eine Alternative für Mexiko?

Victor Coellar | | Artikel drucken
Lesedauer: 6 Minuten

Als der US-Präsident George Bush, der kanadische Regierungschef Brian Mulroney sowie der mexikanische Staatspräsident Carlos Saunas de Gortari am 17.12.1992 den NAFTA-VERTRAG unterzeichneten, begann damit ein neues Kapitel in der wirtschaftlichen Kooperation und Entwicklung der drei beteiligten Ländern.

Dieses Abkommen muß allerdings noch in den nächsten Monaten von den Parlamenten dieser Länder gebilligt werden. Für die mexikanische Regierung scheint diese Ratifizierung einfacher zu sein als für die anderen Administrationen, da die in Mexiko seit über sechzig Jahren regierende PRI (Partido Revolucionario Institucional) im Senat über eine Mehrheit verfugt.

Der designierte amerikanische Präsident Bill Clinton hat bekräftigt, er sei „grundsätzlich für den Vertrag“, er befürworte aber eine stärkere Berücksichtigung um weltpolitischer und arbeitsrechtlicher Maßnahmen. Während der Unterzeichnung in Ottawa kam es zu Protesten der Opposition, die Mulroney vorwarf, die Interessen der kanadischen Arbeiter nicht genügend berücksichtigt zu haben. Der Premierminister hingehen behauptete, die NAFTA sei der „beste und direkteste Weg“ zur Wohlstandssteigerung in der gesamten nordamerikanischen Region“ (FAZ, 9.12.92, S. 11).

Dieses Abkommen bedeutet für Mexiko die Möglichkeit, eine Reihe von Problemen lösen zu können, die bisher sowohl das ökonomische Wachstum als auch die wirtschaftliche Entwicklung behindert und zur Vertiefung der Klassenunterschiede geführt hatten. Seit den 40er Jahren betreibt Mexiko eine Entwicklungspolitik, die auf Importsubstitution basiert. Die geringe Binnenproduktion von Maschinen, Ausrüstungen und ähnlichen Gütern hat dazu geführt, daß die mexikanische Industrie von derartigen Importen abhängig wurde, um das Wachstum zu fordern. Außerdem war sie nicht mehr in der Lage, selbst die vom Ausland für ihre Tätigkeit erforderlichen Güter zu finanzieren. Dies hatte zur Konsequenz, daß das wirtschaftliche Wachstum seit 1970 zu steigender Auslandsverschuldung führte.

Diese Auslandsverschuldung und der internationale Erdölpreisverfall brachten Anfang der 80er Jahre die mexikanische Handelsbilanz aus dem Gleichgewicht. Außerdem wurde der mexikanische Peso wegen der Devisenknappheit abgewertet, die Investitionen sanken und die Inflation wuchs in den letzten Jahren enorm; außerdem kam es zu einer großen Einkommenskonzentration. Angesichts dieser Situation begann sich Mexiko stärker in Richtung Außenhandelswirtschaft zu orientieren (Beispiel dafür ist der GATT-Beitritt im Jahre 1986), die durch Liberalisierung, Deregulierung und Internationalisierung charakterisiert war und mit der man die Wettbewerbsfähigkeit der Produktionsanlage zu verbessern und die Exporte zu diversifizieren suchte. Das mündete in einem gemeinsamen Vorschlag des mexikanischen und des US-Präsidenten, eine nordamerikanische Freihandelszone zu schaffen. Als allgemeine Ziele der NAFTA wurden folgende formuliert:

  • Beseitigung der Handelsschranken für Produkte und Dienstleistungen zwischen den beiden Ländern,
  • Verbesserung der Bedingungen für einen fairen und gleichberechtigten Wettbewerb in der Freihandelszone,
  • bedeutsame Ausweitung der Liberalisierung der gegenseitigen Investitionsmöglichkeiten,
  • Schaffung gemeinsamer Verfahrensregeln zur Bereinigung von Handelskonflikten und
  • Schaffung der Grundlagen für die künftige bi- und multilaterale Zusammenarbeit, um die Vorteile des Abkommens auszubauen.

Der Vertrag, so Salinas, sei Ausdruck der Hoffnung von drei souveränen Staaten, eine Region zu bilden, in der der freie, geordnete und gerechte Warenaustausch vorherrsche, und in der sich die produktiven Kapazitäten der drei Staaten ergänzen würden, um erfolgreich den Wettbewerb mit anderen Regionen und Ökonomien aufnehmen zu können.

Diese Freihandelszone umfaßt mehr als 360 Mio. Menschen und das Bruttoinlandprodukt (BIP) beträgt über 6 Bio, US-Dollar. Der Vertrag befreit rund 84% aller mexikanische Exporte in die USA bzw. 79% derjenigen nach Kanada von Zöllen.

Nach 5 Jahren sind 92% der Exporte in die USA und 86% nach Kanada befreit und nach 10 Jahren sind es bereits 99%. Umgekehrt genießen nur 43% der US-Lieferanten und 41% der kanadischen Exporte nach Mexiko sofortige Zollfreiheit, die Anteile erhöhen sich auf 65% nach 5 Jahren und 99% nach 10 Jahren.

Der Vertrag enthält auch Sonderbestimmungen (abweichende Zollsenkungen und sofortige Abschaffung von Quoten) für einige Sektoren wie z.B. Textilindustrie, Automobilindustrie, die Landwirtschaft oder den Energiebereich.

„Im Energiebereich hat sich Mexiko mit seinen Vorstellungen durchgesetzt: Die Exploration und Förderung von Erdöl sowie der Verkauf vom Petroleum und Basispetrochemieerzeugnissen bleiben in Händen des mexikanischen Staates. Die Verfassung bedarf damit keiner Änderung“ (Deutsch-Mexikanische Industrie und Handelskammer, Wirtschaftsnotizen aus Mexiko, August, 92 S.4).

Zum Schluß sei an eine Reihe von Tatsachen, die sich nach dem GATT-Beitritt (1986) ereigneten, erinnert. Einerseits führte die Liberalisierung des Marktes dazu, daß das Wachstum des BIP im Jahre 1989 erstmals seit 1982 des Bevölkerungswachstum überflügelte, andrerseits jedoch stieg das Handelsbilanzdefizit enorm an, da sich die Importe von 1987 zu 1989 verdoppelten, während die Exporte lediglich um 10% stiegen. Diese Tendenz, die sich in den folgenden Jahren fortsetzte, läßt den Schluß zu, daß im Ergebnis der Freihandelspolitik ökonomisches Wachstum nur um den Preis eines wachsenden Ungleichgewichts im Außenhandel zuungunsten Mexikos erreichbar ist.

Das bedeutet, daß trotz der Exportsteigerung bei Fertigprodukten das daraus resultierende Zahlungsbilanzdefizit in irgendeiner Weise finanziert werden muß, um das wirtschaftliche Wachstum fortsetzen zu können.

Die neue Wirtschaftspolitik hat die Vermeidung weiterer Kreditaufnahmen im Ausland zum Ziel und setzt statt dessen auf ausländische Direktinvestitionen, um dieses Defizit abzubauen.
Auf dem Kapitalmarkt hat sich dabei Mexiko gegen die starke Konkurrenz anderer Länder, die zuvor ihre Märkte dem Auslandskapital geöffnet hatten und politisch wie ökonomisch stabil sind, wie z.B. Spanien und Taiwan durchzusetzen.

Infolge dieser wirtschaftspolitischen Umorientierung hat Mexiko vor allen Dingen folgende Ergebnisse vorzuweisen:

  1. Senkung der Inflation
  2. Wachstum der Nicht-Erdöl Exporte
  3. Umstrukturierung der Produktionsanlagen,
  4. Schaffung neuer Arbeitsplatze.

Das bedeutet leider noch lange nicht, daß die Gesamtheit der mexikanischen Bevölkerung, insbesondere die ärmeren Schichten, davon profitieren. So beschränkt sich die Erhöhung der Kaufkraft auf einen relativ kleinen Teil, da -um Auslandskapital ins Land zu holen- die Lohnkosten niedrig gehalten werden müssen.

Außerdem hat besonders der Industriesektor unter den Auswirkungen des neuen Wirtschaftskurses zu leiden, da viele nationalen Unternehmen noch nicht auf die internationale Konkurrenz vorbereitet sind.

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Mexikos Textilindustrie in der Krise

Die Mexikanische Textilindustrie befindet sich nach Angaben des Zusammenschlusses der mexikanischen Textilidustriellen (Camara Nacional de la Industria Textil, CNIT) in einer „tiefen Krise“. Danach haben in diesem Jahr sechzig von 1500 offiziell registrierten Unternehmen ihre Tore geschlossen. Wichtiger Grund für die Zusammenbrüche ist nach Meinung des Verbandes die „dramatisch“ gestiegene Einfuhr aus den asiatischen Billiglohnländern, allen voran Südkorea. Im letzten Jahr wurden Textilien im Wert von 440 Millionen Dollar exportiert aber gleichzeitig Textilien im Wert von fast 820 Millionen Dollar importiert. Der Verband macht für die Krise aber auch die „überteuerten Kredite“ der mexikanischen Banken verantwortlich, die eine Erneuerung der industriellen Anlagen erschwerten. Eine Umfrage der Kammer unter 3000 Textilindustriellen ergab, daß nur ein „minimaler Teil“ seine Ausrüstungen schon erneut habe.

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