Lateinamerika: Neuester CEPAL-Report – Armut auf Rekordtief
CEPAL, die UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik, hat am 26. November 2025 ihren Jahresbericht „Panorama Social de América Latina y el Caribe“ veröffentlicht. Seine Essenz lautet: Die monetäre Armut (Einkommen bzw. Konsum bei der Erfüllung von Grundbedürfnissen wie Ernährung, aber auch Wohnen und Kleidung) hat in Lateinamerika so stark abgenommen, dass sie jetzt die niedrigste ist, die jemals vergleichend gemessen wurde. Grundsätzlich entspricht diese Armutsminderung einem globalen Trend. In Lateinamerika aber hat sich die monetäre Armut im Vergleich zu 1990 (damals waren 51,2 Prozent der Bevölkerung arm) 2025 sogar halbiert (auf 25,1 Prozent). Sie ist auch 5 Prozent geringer als 2019, also als in der Vor-Corona-Zeit. (Viel) geringer als während der Corona-Jahre ist sie ohnehin. Auch die extreme Armut (bei ihr sind schon die Grundnahrungsmittel nicht mehr bezahlbar) sank, wenn auch weniger stark. Anders als noch 1990 gilt damit heute nicht mehr die Hälfte, sondern nur noch ein Viertel der lateinamerikanischen Bevölkerung als arm und ein knappes Zehntel als extrem arm. Armut betrifft hier folglich nur noch ein Quintil und nicht mehr (die untersten) zwei. Haiti und Cuba haben zu dieser Statistik allerdings keine Daten geliefert. Die immense Armutsminderung lässt sich, laut CEPAL, vor allem auf einen Rückgang von Arbeitslosigkeit, auf Lohnsteigerungen, aber auch auf gestiegene Sozialausgaben des Staates und damit verbundene Programme zur Armutsbekämpfung zurückführen. Das ist insbesondere in Mexiko, aber auch in Brasilien der Fall. Allerdings ging die Armutsreduktion in Honduras, Costa Rica und der Dominikanischen Republik noch weiter als in diesen beiden Ländern, was bei Honduras nicht zuletzt auch daran liegen mag, dass es das in Lateinamerika größte Empfängerland von Remittances ist. Trotz dieser Erfolge bei der Armutsminderung führt aber noch immer Honduras, zusammen mit Guatemala, das lateinamerikanische Armutsranking an, wenn Cuba und Haiti nicht mitgerechnet werden. Am wenigsten Armut gibt es in Chile, Uruguay und Costa Rica. Anders jedoch als Armut ist die soziale Ungleichheit in Lateinamerika, insofern durch den Gini-Koeffizienten (perfekte Gleichheit = 0; perfekte Ungleichheit = 1) darstellbar, im Wesentlichen gleich geblieben bzw. hat nur sehr leicht abgenommen. Auch bei dieser Berechnung waren Cuba und Haiti, hier aber auch Venezuela und Nicaragua nicht dabei. Betrug der lateinamerikanische Gini-Koeffizient 2021 0,469 und 2023 04,656, wurde er zuletzt, 2024, mit 0,452 angegeben. Zum Vergleich: In den OECD-Staaten (hier ohne die lateinamerikanischen Mitglieder) belief er sich auf 0,315 (2023). Dieser Abstand zur OECD hat auch damit zu tun, dass die Reichen in Lateinamerika besonders reich sind: Verfügt hier das oberste Dezil über 34,2 Prozent des Gesamteinkommens, fällt dieser Prozentsatz z.B. in Deutschland um 10 Prozent geringer aus. Lateinamerika hat damit die nach dem subsaharischen Afrika weltweit größte soziale Ungleichheit zu verzeichnen. Seine diesbezüglichen „Spitzenreiter“ sind Kolumbien, Panamá, Brasilien und Costa Rica. Inzwischen jedoch definiert die CEPAL Ungleichheit und Armut nicht mehr ausschließlich über Kaufkraft, sondern auch „multidimensional“, mithin als komplexe Matrix von Einkommen, Beschäftigung, Gesundheit, Bildung einerseits, bezogen auf sozio-ökonomische Schicht, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Altersgruppe und Wohnort andererseits. Entsprechend dieser Matrix ist Armut in erster Linie bei Lohn bzw. Renten feststellbar, danach folgen Wohnungs- und Bildungsarmut. Doch auch in dieser, komplexeren Dimension ist die Armut in der Region um etwa die Hälfte zurückgegangen. Das lässt schlussfolgern: Es gibt keine Korrelation zwischen Armut und sozialer Ungleichheit. Das heißt: Armutsbekämpfung kann auch erfolgreich sein, wenn soziale Ungleichheit hervorrufende Eigentums- und Verteilungsverhältnisse nicht angetastet werden. Kolumbien, Costa Rica, Panamá, die Dominikanische Republik, insbesondere aber Chile, die sozial extrem ungleich sind, aber selbst für lateinamerikanische Verhältnisse wenig von Armut gezeichnet, zeigen das deutlich. Dies deutet auf einen trickle-down-Effekt hin, bei dem das Wachstum des Inlandsproduktes nicht nur zur Bereicherung der Reichen, sondern, bei entsprechender Preisentwicklung und Sozialprogrammen, auch zur Verbesserung der sozialen Situation der untersten Quintile genutzt wird. (Bild: Quetzal-Redaktion, soleb)