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Erster Gipfel der BRICS+ in Rio de Janeiro

Peter Gärtner | | Artikel drucken
Lesedauer: 15 Minuten

Am 6. und 7. Juli 2025 fand in Rio de Janeiro das XVII. Gipfeltreffen der BRICS statt. Luiz Inácio da Silva (Lula), Präsident des Gastgebers Brasilien, konnte die Staatsoberhäupter Indiens, Südafrikas und Indonesiens sowie die Regierungschefs von China, Ägypten und Äthiopien begrüßen. Russland und der Iran waren durch ihre Außenminister vertreten, während die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) den Kronprinzen von Abu Dhabi entsandt hatten. Russlands Präsident Wladimir Putin nahm per Videoschaltung teil. Damit hatten sich die zehn Länder der BRICS+ erstmalig zu einem Gipfel getroffen. Auf die Ländergruppe entfallen ca. 40 Prozent der Weltwirtschaft und knapp die Hälfte der Weltbevölkerung. Außerdem werden dort 44 Prozent des Erdöls, 78 Prozent der Kohle und 36 Prozent des Erdgases gefördert. Zudem verfügen die BRICS+ über 90 Prozent der globalen Verarbeitungskapazitäten für seltene Erden.

In ihrer gemeinsamen Erklärung, die 126 Punkte umfasst, bestätigten die zehn Mitglieder der BRICS+ den Status von Belarus, Bolivien, Kasachstan, Kuba, Malaysia, Nigeria, Thailand, Uganda, Usbekistan und Vietnam als Partnerländer, die in dieser Eigenschaft ebenfalls auf dem Gipfel vertreten waren (Punkt 3). Neben weiteren Staats- und Regierungschefs des globalen Südens und Ostens, die der Einladung des brasilianischen Präsidenten gefolgt waren, nahmen die Leiter der Sekretariate der UNO, der WHO und der WTO sowie führende Vertreter multilateraler Banken, darunter die Neue Entwicklungsbank der BRICS (NDB), die Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) und die Lateinamerikanische Entwicklungsbank, an den Sitzungen teil.

Klares Bekenntnis zum Völkerrecht

Auf der ersten Plenarsitzung wurde die Entschlossenheit bekräftigt, die Herausbildung einer gerechteren, stabileren und polyzentrischen Weltordnung zu fördern, die sich auf die Prinzipien der UN-Charta stützt. Dabei setzen die BRICS-Staaten auf drei strategische Säulen: eine neue Wirtschafts- und Finanzarchitektur, einen alternativen globalen Sicherheitsrahmen sowie verstärkten kulturellen Austausch. Inklusivität und gegenseitiger Respekt bilden das Fundament der gegenseitigen Beziehungen. So wurden die jüngsten israelischen und amerikanischen Angriffe auf iranisches Territorium, die unter Verletzung der UN-Charta durchgeführt wurden, einhellig verurteilt.

In der Abschlusserklärung, die am ersten Tag des Treffens angenommen wurde, erinnern die BRICS+ anlässlich des 80. Jahrestages der Beendigung des Zweiten Weltkrieges an dessen historische Bedeutung (Punkt 9). In Punkt 14 sprachen sich die zehn Länder gegen jegliche Sanktionen aus, die nicht vom UN-Sicherheitsrat genehmigt sind. Globale Gesundheit (Punkt 15), ein globaler Ordnungsrahmen für KI (Punkt 16) und Klimaschutz (Punkt 81-84) waren weitere Themen, zu denen sich die BRICS mit einem gemeinsamen Standpunkt äußerten.

Beim Thema „Frieden, Sicherheit und internationale Stabilität“ nahmen die Konflikte im Nahen und Mittleren Osten den größten Raum ein. Die BRICS-Mitglieder forderten nicht nur ein Ende jeglicher Aggressionen gegen den Iran (Punkt 21), sondern nahmen auch detailliert zum Israel-Palästina-Konflikt Stellung (Punkt 24 bis 27). Neben der Forderung nach einem Waffenstillstand im Gaza-Streifen, der nachdrücklichen Verurteilung des unmenschlichen Vorgehens Israels und der Bekräftigung der Zugehörigkeit Gazas als Teil Palästinas wurde der Rückzug Israels von allen Teilen des okkupierten Territoriums verlangt. Die BRICS+ stellten sich hinter den Antrag Südafrikas beim Internationalen Gerichtshof (ICJ) in Den Haag, in dem die Verurteilung Israels wegen Völkermords an der Bevölkerung des Gaza-Streifens verlangt wird. Die Bekräftigung der Zwei-Staaten-Lösung erfolgte trotz der Einwände des Iran, der eine separate Protestnote ankündigte.

BRICS als Gegenmacht und Alternative

Der Abschnitt zur MENA-Region (Middle East & North Africa) veranschaulicht die Herangehensweise, mit der die erweiterte Gruppe der BRICS+ in der gegenwärtigen Situation navigiert. Auf der einen Seite erfordert das Konsensprinzip, auf dessen Basis die Mitglieder ihre Beschlüsse fassen, dass Kompromisse gefunden werden, die von allen akzeptiert werden können. Auf der anderen Seite darf dies nicht zur Verwässerung der grundlegenden Prinzipien und Ziele führen, die für die Errichtung einer tragfähigen multipolaren Weltordnung notwendig sind. Der Rio-Gipfel hat zudem gezeigt, dass der Trump-Faktor für das Zusammenwirken BRICS+ eine zusätzliche Herausforderung darstellt.

Die ersten Verlautbarungen, mit denen Washington auf den BRICS-Gipfel reagiert, zeigen die grundsätzliche Gegnerschaft der Trump-Administration gegenüber der Staatengruppe. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand. Erstens stehen die USA nach dem Ende ihrer unipolaren Weltordnung vor einem grundsätzlichen Dilemma: Einerseits sehen sie sich außerstande, die Herausbildung einer multipolaren Welt aufzuhalten, wollen aber – obwohl geschwächt – andererseits ihre Vormachtstellung retten. Um diese Quadratur des Kreises bewerkstelligen zu können, muss Trump mit drei Schwergewichten fertig werden: China, Russland und Iran. Da diese zugleich Schlüsselländer für den Erfolg der BRICS sind, gerät die gesamte Staatengruppe ins Visier Washingtons. Zweitens arbeiten die BRICS-Länder seit 2024 verstärkt an Alternativen zur Hegemonie des US-Dollars. Allein die Absicht reicht, um allen Ländern, die dies versuchen sollten, mit Sanktionen und Strafzöllen zu drohen. Drittens sind sich die USA bewusst, dass die Architektur und das Wesen der künftigen Weltordnung maßgeblich davon abhängen, inwieweit sich die BRICS als deren Gestalter profilieren können. Letztlich geht es um die Frage, ob und wie die neuen Machtbeziehungen das Überleben der Menschheit sichern können. Während Trump auf Stärke, Drohungen und Bestrafungen setzt, bevorzugen die BRICS Kooperation und friedliche Lösungen. Mit ihrem Festhalten am Völkerrecht und an der UN-Charta unterscheiden sich die BRICS grundlegend vom aggressiven und irrationalen Agieren des Westens, was besonders in Hinblick auf den israelischen Völkermord in Gaza sichtbar wird.

Der Trump-Faktor

Zugleich zeitigt der Trump-Faktor nicht unerhebliche Folgen für die BRICS-Gruppe als Ganzes und ihre Mitgliedsstaaten im Einzelnen. Die „Neue Zürcher Zeitung vom 8. Juli 2025 (S. 6) versteigt sich diesbezüglich sogar zu der Formulierung, dass neben dem Fernbleiben des chinesischen Präsidenten Xi „die Furcht vor Trumps Wut“ den Gipfel in Rio dominieren würde. Die FAZ vom Vortag (S. 18) konstatiert, dass die Handelspolitik von Donald Trump einen Keil zwischen China und Indien treiben würde. Sieht man sich den Text der Abschlusserklärung genauer an, dann fällt auf, dass bei der Verurteilung des Krieges gegen den Iran die USA namentlich nicht genannt werden. Auch in den übrigen Punkten bleiben die USA unerwähnt. Selbst Begriffe wie „Hegemon“ oder „Empire“ werden nicht verwendet. Angesichts der bereits bestehenden Spannungen und der Macht der USA ist es ist ein Gebot der politischen Klugheit, sich einer diplomatischen Sprache zu bedienen.

Als Präsident der USA, die als stärkste Militärmacht der Welt, als Zentrum des internationalen Finanzsystems und – trotz aller Defizite – auch als Land mit enormer Marktmacht immer noch den Status einer Supermacht beanspruchen, verfügt Trump über ausreichende Mittel, um andere Länder in die Knie zu zwingen oder schwer zu schädigen. Gegen derartige Angriffe sind die einzelnen BRICS-Staaten in unterschiedlichem Maße gewappnet. Während Brasilien, Indien und Südafrika enger in den US-amerikanischen Macht- und Interessenbereich eingebunden sind und deshalb vorsichtiger agieren, verfügen China und Russland über größere Spielräume. Ähnlich differenziert gestaltet sich die Situation in der Gruppe der neuen Mitglieder. Während Ägypten, Äthiopien und die VAE – wenn auch aus unterschiedlich Gründen – um ein gutes Verhältnis zu den USA bemüht sind, befindet sich der Iran in direkter Konfrontation mit Washington. Der südostasiatische „Riese“ Indonesien agiert aus einer Position heraus, die dazwischen liegt.

Wie der indische Ministerpräsident Narendra Modi immer wieder betont, verstehen sich die BRICS nicht als anti-westlicher Zusammenschluss, sondern als ein nicht-westlicher. Dies wird nicht zuletzt an der positiven Bewertung der Rolle der G20 als „the premier global forum for international economic cooperation“ (Punkt 64) deutlich. Auch in Bezug auf internationale Finanz- und Handelsinstitutionen wie Weltbank, Internationaler Währungsfonds (IWF) und Welthandelsorganisation (WTO) fällt der Ton eher wohlwollend aus (Punkt 10-13; Punkt 70 und 71).

Abbau von Spannungen und Interessenausgleich

Herausforderungen anderer Art ergeben sich aus Differenzen und Spannungen zwischen einzelnen Ländern der BRICS. In Hinblick auf die Stabilität und Ausrichtung der Staatengruppe ist das Verhältnis zwischen Indien und China von zentraler Bedeutung. Nachdem die beiden asiatischen Großmächte ihre jüngsten Grenzkonflikte im Vorfeld des BRICS-Gipfeltreffens im Oktober 2024 in Kasan beigelegt hatten, führte der Anschlag in Pahalgam im indischen Unionsterritorium Jammu und Kaschmir, bei dem am 22. April insgesamt 26 Menschen ermordet wurden, erneut zur Belastung der gegenseitigen Beziehungen. Der Territorialstreit im Kaschmir, der seit der Unabhängigkeit von Indien und Pakistan im Jahr 1947 andauert, belastet nicht nur das bilaterale Verhältnis zwischen den beiden Staaten, sondern führt auch immer zu Konflikten zwischen Indien und China, dem traditionellen Verbündeten Pakistans. Der Terrorakt vom April löste einen kurzen, aber heftigen militärischen Schlagabtausch zwischen Indien und Pakistan aus, zu dem auch die BRICS in ihrer Gipfelerklärung Stellung nahmen. Unter Punkt 34 verurteilen sie diesen aufs Schärfste und bekräftigen ihre die Bereitschaft, alle Formen und Manifestationen des Terrorismus zu bekämpfen. Im Folgenden (Punkt 35) werden die Anschläge, die Ende Mai/ Anfang Juni 2025 gegen Brücken, Züge und zivile Infrastruktureinrichtungen in den russischen Gebieten Kursk, Brjansk und Woronesch verübt worden waren und zahlreiche Opfer unter der Bevölkerung gefordert hatten, in gleicher Weise verurteilt. Beim Ukrainekonflikt, auf den im Punkt 22 der Erklärung eingegangen wird, bekräftigen die BRICS-Länder ihre jeweiligen nationalen Positionen, die sie im Rahmen der UNO und anderer internationaler Foren vorgetragen hatten. Die Friedensinitiativen der afrikanischen Länder, Brasiliens, Chinas und anderer Staaten werden begrüßt. Die BRICS verleihen ihrer Hoffnung auf eine nachhaltige Friedensregelung Ausdruck. Anhand der genannten Beispiele wird deutlich, dass die BRICS sowohl im Umgang miteinander wie auch in Hinblick auf regionale Konflikte bemüht sind, die Spannungen durch Diplomatie und gegenseitigen Respekt zu entschärfen, um so Grundlagen für eine friedliche Beilegung zu schaffen. 

Medien-Echo

Das BRICS-Gipfeltreffen in Rio de Janeiro fand weltweit Beachtung, wobei die Bewertung unter dem Strich ambivalent ausfällt. So wird einerseits hervorgehoben, dass es sich dabei um die erste Zusammenkunft der erweiterten BRICS-Gruppe (BRICS+) gehandelt hat. Wenn in der Überschrift gefragt wird, ob die BRICS+ inzwischen mächtiger als die G7 seien (FAZ vom 7. Juli 2025), dann verweist dies auf das gewachsene Gewicht jener Ländergruppe, die sich als Alternative zum exklusiven Klub der führenden westlichen Staaten versteht. Andererseits werden die Ergebnisse kritisch kommentiert. Überschriften wie „Große Worte, kleine Taten“ (Luca Schäfer/ telepolis), „Wenn jeder etwas anderes will“ (FAZ vom 8. Juli 2025) und „Xis Abwesenheit prägt den Brics-Gipfel“ (NZZ vom 8. Juli 2025) verweisen auf die wichtigsten Kritikpunkte. Wie bereits bei vorherigen Gipfeltreffen der BRICS verweisen die Mainstream-Medien auf die große Heterogenität der Ländergruppe, die durch die Erweiterung noch gewachsen sei. Auch diesmal werden die Spannungen und Interessenunterschiede zwischen Indien und China betont, wobei die Sympathien für Indien nicht zu übersehen sind.

Interessant ist in diesem Zusammenhang der telepolis-Beitrag von Luca Schäfer vom 8. Juli 2025 (1). Für ihn stellt der Rio-Gipfel eine „herbe Enttäuschung“ dar. Er begründet seinen Standpunkt mit dem Verweis auf die zahlreichen Konflikte und Probleme in der Welt, denen die uneindeutige und lückenhafte Abschlusserklärung nicht gerecht werde. Mit Verweis auf Indien, Brasilien und Südafrika, die im Juni am Treffen der G7 in Kanada teilgenommen hatten, erkennt er innerhalb der BRICS „erste Risse“. (2) Seine auf die BRICS-Staaten bezogene Feststellung, es existierten „vollkommen unterschiedliche Konzepte einer staatlichen Ordnung und zivilgesellschaftlichen Zukunft“ ist ein Argument, das Kritiker immer wieder vorbringen, um die Heterogenität der Ländergruppe als ein Manko hervorzuheben, das deren Stabilität und Erfolg infrage stellt. (3) Der Verweis auf die genannten Unterschiede lässt sich auch ins Positive wenden. Der Umstand, dass die BRICS ungeachtet dessen seit ihrem Start 2009 auf eine Erfolgsgeschichte verweisen können, ist ein überzeugender Praxistest für die von ihnen angestrebte multipolare Weltordnung. Während der Westen sich im Niedergang befindet und darauf mit irrationaler Aggressivität reagiert, sind die erweiterten BRICS ein Beleg dafür, dass trotz gravierender Unterschiede und Interessen eine friedliche, auf Kooperation und Ausgleich gerichtete Welt möglich ist.  

Klare Worte

Allen, denen die Abschlusserklärung von Rio de Janeiro zu vage ist, sei die Rede der russischen Außenministers Sergei Lawrow vom 7. Juli empfohlen, nach der die anwesenden Medienvertreter die Gelegenheit hatten, Fragen zu stellen. (4) Mit klaren Worten äußerte er sich zu zentralen Fragen der weiteren Entwicklung der BRICS+. Den Status der BRICS-Partnerländer umriss er mit folgenden Worten: „Der wesentliche Unterschied zu bisherigen Gästen besteht darin, dass diese Länder dauerhaft an allen BRICS-Veranstaltungen teilnehmen werden – nicht nur an den Gipfeltreffen und Ministertreffen, sondern auch an der Mehrheit der sektoralen Formate, die sich mit verschiedenen Aspekten der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und der Lösung humanitärer Probleme befassen. … natürlich stellt die Teilnahme der zehn Länder, die beim Gipfel in Kasan als Partnerländer definiert wurden, eine qualitativ neue Stufe in der Entwicklung unserer Vereinigung dar.“

In Bezug auf die UNO, deren Reform im Punkt 5 der Abschlusserklärung angesprochen wird, äußerte sich Lawrow kritisch zu dem „Missstand“, dass die Schlüsselpositionen mit Personal aus den NATO-Ländern besetzt sind: „Doch die entscheidenden Positionen, von denen das reale Funktionieren des Sekretariats abhängt – und damit die Erarbeitung von Empfehlungen für die Mitgliedstaaten, was wiederum die Tagesordnung stark beeinflusst – sind durchweg von NATO-Staaten besetzt. Der Generalsekretär, mit dem ich hier gesprochen habe, Antonio Guterres, ist Portugiese. Die Stellvertreterin für politische Angelegenheiten ist US-Bürgerin, der Stellvertreter für Friedenssicherungseinsätze ist französischer Staatsbürger, der Stellvertreter für humanitäre Angelegenheiten ist britischer Staatsbürger. Es gibt auch die Erste stellvertretende Generalsekretärin – sie ist Staatsbürgerin Nigerias, aber gleichzeitig auch US-Staatsbürgerin.“ Die Drohungen Trumps gegenüber den BRICS konterte der russische Außenminister mit den Worten, dass „das Modell der Globalisierung, das die USA über viele Jahre im neoliberalen Kontext vorangetrieben haben und das zeitweise von allen ,akzeptiert‘ wurde, nicht mehr funktioniert.“ Den Kampf um die Menschenrechte sieht er „bei unseren Freunden im globalen Süden“ besser aufgehoben als beim Westen.

Den Vorwurf, die BRICS würden den US-Dollar durch eine eigene Währung ersetzen wollen, weist er strikt zurück und erklärt: „Bei BRICS wurde eine ,Währung‘ nie diskutiert. Diskutiert wurden hingegen zwei Dinge: Erstens die Stärkung der Rolle nationaler Währungen – das ist ein Prozess, der sich bereits in der Realität vollzieht. Zweitens eine neue Investitionsplattform und eine grenzüberschreitende Zahlungsinitiative. All das zusammen ergibt ein ,Instrumentarium der Möglichkeiten‘, um die Abhängigkeit vom Dollar – und übrigens auch vom Euro – zu überwinden. Präsident Wladimir Putin hat auf der ersten Sitzung des BRICS-Gipfels in Rio de Janeiro betont, dass 90 Prozent aller Abrechnungen im Handel und in den Finanzbeziehungen mit den BRICS-Partnern und anderen Partnerstaaten in nationalen Währungen erfolgen.“

Indem die BRICS in dieser entscheidenden Frage, auf die Donald Trump wie auf ein rotes Tuch reagiert, die frontale Konfrontation mit den USA vermeiden, ohne ihr zentrales Ziel – die Errichtung und Gestaltung einer auf Kooperation beruhenden multipolaren  Weltordnung – aus dem Auge zu verlieren, macht die aus Schwellen- und Entwicklungsländern bestehende Gruppe zweierlei deutlich: Zum einen ist sie bemüht, die Spannungen in der Welt, die bereits ein sehr bedrohliches Niveau erreicht haben, nicht noch weiter anzuheizen. Zum anderen verbinden die BRICS+ ihren auf Deeskalation angelegten Kurs geschickt mit Maßnahmen, die sie ihrem Ziel real näherbringen. In diese Strategie des defensiven Widerstands, die eher darauf abzielt, sich dem Einfluss des Westens zu entziehen als ihn direkt herauszufordern, fügt sich der BRICS-Gipfel von 2025 trotz mancher Mängel und Defizite ein. Auf dem Weg zur neuen Weltordnung warten noch zahlreiche Überraschungen und Probleme auf die Länder der BRICS+, weshalb sie sowohl einen langen Atem und strategisches Denken als auch die Fähigkeit zu schnellem Reagieren auf jähe Wendungen benötigen, um die Welt diesem Ziel näher zu bringen.

 


 

Anmerkungen:

(1) https://www.telepolis.de/features/Brics-Gipfel-2025-Grosse-Worte-kleine-Taten-10478591.html

(2) Lucas Leiroz (siehe Literatur) kritisiert in seinem Kommentar vor allem die ambivalenten Rolle Brasiliens. Während Russland, China und der Iran die BRICS als multipolare Plattform sähen, würden Länder wie Brasilien, Indien und Südafrika die Gruppe als einen multilateralen Mechanismus verstehen, der sich vor allem auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit und Gouvernementalität konzentriert. In Rio de Janeiro wäre es nicht gelungen, die multipolare Agenda der vorhergehenden Gipfeltreffen zu vertiefen.

(3)   Ähnlich argumentieren die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) und die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) in ihren Ausgaben vom 8. Juli 2025.  So spricht die NZZ (S. 6) davon, dass das Resultat des Gipfels in Rio de Janeiro für das Brics-Bündnis „eine Enttäuschung“ sei und die BRICS-Staaten sich „zunehmend uneins“ zeigten. Die FAZ (S. 2) diagnostiziert mit der Erweiterung der BRICS nicht nur eine größere Heterogenität der Ländergruppe, sondern beklagt zudem, dass sich nunmehr die Demokratien – gemeint sind Indien, Brasilien und Südafrika – in der Minderzahl befänden. Dies sowie die Abwesenheit der Staatschefs von China, Russland, Iran, Ägypten und den VAE würden die Legitimität der Gruppe schwächen und deren Handlungsfähigkeit einschränken.

(4) Vgl. Rede und Antworten des Außenministers der Russischen Föderation, Sergej Lawrow, zu den Ergebnissen des BRICS-Gipfels, Rio de Janeiro, 7. Juli 2025; unter: https://mid.ru/ru/foreign_policy/news/2034668/?lang=de

Literatur:

Rio de Janeiro Declaration: Strengthening Global South Cooperation for a More Inclusive and Sustainable Governance, Rio de Janeiro, Brazil, 6 July 2025

Leiroz,  Lucas: La cumbre de los BRICS en Brasil concluye con avances en el ámbito comercial pero sin progresos políticos; unter: https://www.lacasademitia.es/articulo/politica/cumbre-brics-brasil-concluye-avances-ambito-comercial-progresos-politicos-lucas-leiroz/20250709093015174179.html

Schäfer, Luca: Brics-Gipfel 2025: Große Worte, kleine Taten; unter: https://www.telepolis.de/features/Brics-Gipfel-2025-Grosse-Worte-kleine-Taten-10478591.html

Bildquellen: [1-3] Quetzal-Redaktion_gc

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