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Kuba: Die Perle der Karibik

Florian Fromm | | Artikel drucken
Lesedauer: 5 Minuten

Es ist die größte Insel der Antillen, die Heimat von Rum, Zigarren und Salsa-Musik. Jedes Jahr bietet Kuba Millionen von Touristen Erholung an seinen weißen Sandstränden und ist verantwortlich für mindestens ebenso viele hitzige Debatten zwischen politisch Interessierten aller Couleur. Totalitäres Regime oder Erfüllung des ewig linken Traums einer besseren Gesellschaft. Das Phänomen Fidel Castro polarisiert die Massen. Als Befreier vom Joch des Imperiums im Norden wurden Fidel und seine bärtigen Revolutionsanhänger einst gefeiert – andere sehen in der Machtergreifung von 1959 den Beginn eines düsteren Kapitels kubanischer Geschichte.

Aber wie steht es tatsächlich um Kuba? Auf welche Staatsform strebt die kleine Karibikinsel nach 50 Jahren Fidel Castro zu? Welche Chancen und Risiken birgt der Abgang des gealterten und schwer kranken Revolutionsführers für das kubanische Volk?

Durch die Straßen der kubanischen Hauptstadt rollt auch im 21. Jahrhundert noch ein faszinierendes Oldtimer-Museum. Alle Modelle nordamerikanischer Automobile der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts sind hier zu finden. Ächzend und knarrend schieben sie sich durch die Straßen der bedrückend schönen Ruinenlandschaft Havannas. Das ganze Szenario versprüht den Charme einer vergangenen Zeit. Die Uhren ticken langsamer in Kuba. Zeit scheint mehr wert zu sein als Geld, Solidarität kommt vor Eigensinn, Gleichheit vor Reichtum. Und trotzdem schreit eine selbstbewusste, junge Generation von Kubanern nach Veränderungen. Sie sind längst angekommen im 21. Jahrhundert. I-Pod, Handy und schicke Klamotten besorgen sie sich auf den florierenden Schwarzmärkten in den Randbezirken der großen Städte. Ihre Währung ist der Dollar, der unter dem Decknamen „Peso Convertible“ längst wieder zur wichtigsten Stütze der kubanischen Volkswirtschaft geworden ist. Die offizielle Währung des Landes ist nicht mehr wert als eine Busfahrt oder eine Kugel Eis. Was darüber hinaus geht, muss in harten Devisen bezahlt werden. Den Lifestyle der Touristen, die sich an den Stränden oder im Nachtleben Havannas tummeln, kann hier niemand mit ehrlicher Arbeit erreichen. Ärzte, Professoren oder Facharbeiter – sie alle können nur staunen über die zusätzlichen Einkünfte der Hotelportiers und (illegalen) Taxifahrer. Die kubanische Regierung bildet Spitzenkräfte aus, um diese hinterher durch moralische Appelle bei Laune zu halten. Mit mäßigem Erfolg. Wer kann, versucht ein Stück vom „Tourismuskuchen“ abzubekommen, auf dem Schwarzmarkt Nebengeschäfte abzuwickeln oder eben das Land zu verlassen. Kubanische Immigranten sind in vielen Ländern äußerst willkommen. Hochqualifiziert, motiviert und genügsam.

Seit März dieses Jahres schaut die Welt nun gespannt auf Fidel Castros jüngeren Bruder Raúl. Seit Fidels Rücktritt leitet er die kompletten Regierungsgeschäfte. Schon nach wenigen Wochen machte er deutlich, dass er aus dem Schatten seines übermächtigen Bruders hervortreten möchte. Eine Welle kleiner Reformen schwappte über das Land. Computer und Mobiltelefone werden seither in offiziellen, staatlichen Supermärkten vertrieben, um dem Schwarzmarkt das Wasser abzugraben. Der freie Besitz war – ohne staatliche Erlaubnis – bisher verboten. Nun darf jeder alles besitzen, wenn er es sich denn leisten kann. Auch die zahlreichen Hotels der Insel sind nicht mehr nur Ausländern vorbehalten, nein, auch Kubaner haben nun Zutritt zu dieser Welt. Außerdem fordert Raúl Castro kritische Diskussionen über die Probleme des Landes; immer wieder sucht er den Dialog mit Kritikern und Oppositionellen. Die Resonanz bleibt bisher verhalten. 50 Jahre Fidel Castro haben Spuren hinterlassen, und nur zögerlich beginnt die kubanische Bevölkerung ihren Wunsch nach einer Reform des kubanischen Sozialismus öffentlich zu äußern.

Unterdessen versucht die Staatsführung, Kurs zu nehmen auf ein Modell, das China an die Spitze der Wirtschaftsmächte der Welt gebracht hat. Die Formel lautet: Wirtschaftlich öffnen, gute Konditionen für ausländische Investitionen bieten, aber sich politisch wie kulturell weiterhin abschotten, um die Werte der Revolution zu verteidigen. Kuba braucht dringend Kapital, um seine marode Binnenproduktion anzukurbeln. Aber Kuba ist nicht China.

Neuerliche Versprechungen, die beiden Währungen des Landes zu vereinheitlichen, die Löhne zu erhöhen und sogar an einem neuen Ausreisegesetz zu arbeiten, wecken in der kubanischen Bevölkerung viele Hoffnungen. Unter dem „Máximo Líder“ Fidel gingen die kurzen Phasen der wirtschaftlichen Öffnung immer mit politisch-kulturellen Repressionen einher. Ausländische Beobachter und die kubanische Opposition bleiben daher skeptisch. Sie sehen die Gefahr solcher Repressionen ebenso wie das Schreckgespenst einer erneuten Abhängigkeit der Karibikinsel von wirtschaftlich stärkeren Partnern wie Venezuela oder China. Kuba ist arm an Rohstoffen, reich an Bildung. Es gilt darum, eine funktionierende Binnenindustrie aufzubauen, um den kriselnden Agrarsektor zu stützen und um weitere Devisen zu erwirtschaften. Das bedeutet, mit Europa, Lateinamerika, China und langfristig auch mit den USA eine weitgehende Entspannung der außenpolitischen Situation voranzutreiben und dabei das eigene Gesicht zu wahren. Die kubanische Regierung wird diese Gratwanderungen gehen müssen. Risiken eines Machtverlustes für den eigenen Führungszirkel sind dabei nicht auszuschließen.

Die Entwicklung des Landes bleibt spannend und nach vielen Seiten hin offen. Die Wirbelstürme der letzten Monate haben das Land einmal mehr zurückgeworfen auf seinem eingeschlagenen Weg. Die Bevölkerung ist mit solchen Rückschlägen vertraut. Sie wird auch diese Situation meistern. Die Fassade für die Touristen wird schon bald wieder stehen. Ob es nach 50 Jahren Fidel Castro auch zu einer gründlichen Sanierung der Inneneinrichtung des Inselstaates Kuba kommen wird, darauf richten sich gespannt die Augen der Welt und darauf ruhen die stillen Hoffnungen des kubanischen Volkes.

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