Nachdem die frühere Staatschefin und Präsidentschaftskandidatin der Nueva Mayoría (Neue Mehrheit – siehe unten), Michelle Bachelet, im ersten Wahlgang mit 46,7 Prozent die absolute Mehrheit knapp verfehlt hatte, steht für den 15. Dezember die Stichwahl an. Die Zweitplazierte und damit Gegnerin von Bachelet, Evelyn Matthei Fornet von der rechten Coalición por el Cambio (Koalition für den Wandel), hatte lediglich ein Viertel der gültigen Stimmen erhalten. Ein Blick auf die übrigen Wahlbündnisse, Parteien und Kandidaten lässt zwar vermuten, dass Michelle Bachelet ihren Sieg vom 17. November wiederholen und damit in den Präsidentensitz La Moneda einziehen kann, sicher ist dies jedoch nicht. Für alle Interessierten, die sich selbst ein Bild machen wollen, bietet der QUETZAL einen Überblick über das aktuelle chilenische Parteienspektrum.
16 Parteien bilden heute die politische Landschaft Chiles. Das Parteiensystem des Andenlandes ist stark durch Koalitionsbildungen geprägt. Mehrere Parteien, die ähnliche Interessen und politische Vorstellungen haben, schließen sich zusammen, um mehr Einfluss im Parlament bzw. im politischen Geschehen des Landes ausüben zu können. Das Mitte-Links-Bündnis Concertación de Partidos por la Democracia (CPD), und das Mitte-Rechts-Bündnis Coalición por el Cambio bestehen seit der Pinochet-Diktatur. In ihnen haben sich die stärksten Parteien Chiles zusammengeschlossen. Die Concertación setzt sich aus der Christdemokratischen Partei (PDC), der Radikalen und Sozialdemokratischen Partei (PRSD), der Partei für die Demokratie (PPD) sowie der Sozialistischen Partei (PS) zusammen. Das Mitte-Links Bündnis regierte das Land 20 Jahre in vier aufeinanderfolgenden Regierungen. Seit 2010, nach dem Sieg des Präsidentschaftskandidaten der Coalición por el Cambio, Sebastián Piñera, befindet es sich in Opposition zur Regierung. In der Regierungskoalition vereinigen sich die rechtskonservative Unabängige Demokratische Union (UDI) und die Renovación Nacional (RN). 2003 entstand das Bündnis Juntos Podemos Más, in dem verschiedenen linke Parteien wie die Christliche Linke (seit 2012 Izquierda Ciudadana), die Kommunistische Partei (PCCH), die Humanistische Partei (PH) sowie andere Linksorganisationen zusammenarbeiteten.
Anlässlich der Wahlen im November 2013 wurde neue Parteienbündnisse aus der Taufe gehoben. Die vier Parteien der Concertación gründeten im April 2013 zusammen mit der Komunistischen Partei (PCCH), der Izquierda Ciudadana (IC), der Breiten Sozialen Bewegung (MAS) und Unabhängigen aus dem Mitte-Links-Spektrum die Koalition Nueva Mayoría, deren Präsidentschaftskandidatin Michelle Bachelet ist. Ein anderes Wahlbündnis, Si tu quieres, Chile cambia, das hauptsächlich aus dem Partido Progresista (PRO) und dem Partido Liberal (PL) besteht, nominierte Marco Enríquez-Ominami als Präsidentschaftskandidat. Tod@s a La Moneda ist das dritte Wahlbündnis, das von der Izquierda Unida und Humanistischen Partei Chiles gebildet wurde und die Präsidentschaftskandidatur von Marcel Claude unterstützt. Die Coalición por el Cambio (Bündnis für den Wechsel) unterstützt die Präsidentschaftskandidatin der UDI, Evelyn Matthei Fornet. Für die regionalen und parlamentarischen Wahlen haben der Partido Igualdad und der Partido Ecologista Verde (PEV) das Bündnis Nueva Constitución para Chile ins Leben gerufen, wobei jeder der Partner seinen eigenen Präsidenschaftskandidaten aufgestellt hat. Alfredo Sfeir Younis ist der PEV-Kandidat und Roxana Miranda die Kandidatin des Partido Igualdad. Eine andere Partei stellte ihren Präsidentschaftskandidaten vor, ohne zu einem Wahlbündnis gehören zu müssen. Der Partido Regionalista de los Independientes (PRI) ging mit seinem Präsidentschaftskandidaten Ricardo Israel Zipper ins Rennen. Zwei unabhängige Kandidaten haben ebenfalls an den Präsidentschaftswahlen teilgenommen, nämlich Tomás Jocelyn-Holt Letelier und Franco Parisi Fernández. Insgesamt traten neun Präsidentschaftskandidaten bei den Wahlen im November 2013 gegeneinamder an.
Seit Mitte der ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts erlebt das chilenische Parteiensystem einige Veränderungen. Neue politische Parteien wurden gegründet, z.B. aufgrund von Spaltungen oder persönlicher Konflikte zwischen politischen Führern bestehender Parteien. Darüber hinaus entstanden viele der neuen aktuellen politischen Parteien aus dem Zusammenschluss von Parteien, die bei Wahlen nicht die gesetzlich geforderten fünf Prozent erreicht und ihre gesetzliche Rechtskraft verloren hatten. Im Folgenden werden die chilenischen Parteien nach ihrer Zugehörigkeit zu den aktuellen Koalitionen vorgestellt. Der Name der jeweiligen Präsidentschaftskandidaten ist im Text hervorgehoben.
Nueva Mayoría
Partido Demócrata Cristiano (PDC): Die Partei wurde im Juli 1957 auf den Grundlagen christlicher und demokratischer Werte gegründet. Ihre Hauptinspiration ist die Sozialdoktrin der römisch-katholischen Kirche. Die Christlich-Demokratische Partei sieht sich verpflichtet, eine authentische Demokratie zu verwirklichen, in der der Mensch seine volle spirituelle und materielle Entwicklung erlangen kann. Mit Eduardo Frei Montalva (der von 1964 bis 1970 regierte), Patricio Aylwin Azócar (von 1990 bis 1994) und Eduardo Frei Ruiz-Tangle (von 1994 bis 2000) stellte der PDC drei Staatspräsidenten. Vorsitz: Ignacio Walker Prieto.
Partido por la Democracia (PPD): Die Partei für die Demokratie (PPD) wurde 1987 gegen Ende der Pinochet-Diktatur gegründet und setzte sich den Übergang zur Demokratie ein. Politische Ausrichtung: Mitte-Links. Vorsitz: Jaime Daniel Quintana Leal.
Partido Radical Socialdemócrata (PRSD): Die Partei wurde im August 1994 aus dem Zusammenschluss des Partido Radical und des Partido Social Democracia de Chile gebildet. Beide Parteien hatten die gesetzlich geforderten fünf Prozent nicht erreicht, um innerhalb des politischen Parteiensystems Chiles überleben zu können. Die PRSD gilt als demokratisch, rationalistisch, humanistisch und solidarisch. Politische Ausrichtung: sozialdemokratisch. Vorsitz: José Antonio Gómez.
Partido Socialista de Chile (PS): Die Sozialistische Partei Chiles wurde im April 1933 gegründet. Nach dem Militär-Putsch 1973 wurde die Partei für ungesetzlich erklärt. Viele ihre Parteiführer und Aktivisten wurden verfolgt, gefoltert und ermordet. Während der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts wurde die Sozialistische Partei wieder ins Leben gerufen und hat für die Wiedererrichtung der Demokratie im Lande gekämpft. Gemäß ihrer Grundsatzerklärung von 1990 fließen in der Partei unterschiedliche Konzepte des emanzipatorischen Gedankenguts zusammen. Gleichzeitig tritt sie als Kritikerin der kapitalistischen Gesellschaft auf. Hierbei konvergiert der an den wissenschaftlichen Fortschritten neuausgereichte marxistische Gedanke mit der humanistischen Tradition sowie mit den solidarischen und befreiungstheologischen Werten der christlichen Botschaft. Ihre Präsidentschaftskandidatin für die Wahlen 2013 ist Michelle Bachelet, die das Land bereits von 2006 bis 2010 als Präsidentin regiert hatte. Ihr Amtsvorgänger war Ricardo Lagos Escobar (2000-2006), ebenfalls führendes Mitglied der SP Chiles. Politische Ausrichtung: Mitte-Links bis Links. Vorsitz: Osvaldo Andrade Lara.
Partido Comunista de Chile (PCCH): Die Partei wurde im Juni 1912 unter dem Namen Partido Obrero Socialista (POS) gegründet. Erst 1922 wurde sie in Kommunistische Partei umbenannt. Ihre wechselvolle Geschichte schließt sowohl mehrfaches Verbot (1948-58; 1973-89) als auch die Regierungsbeteiligung im Rahmen des Linksbündnisses der Unidad Popular (UP) ein. Bei den Wahlen 2010 gelang der Kommunistischen Partei die rückkehr in den Kongress. Drei gewählte Abgeordnete vertreten zurzeit die Partei im chilenischen Parlament. Für die Präsidentschaftswahlen 2013 bildete die Partei zusammen mit den vier Parteien der Concertación sowie mit der Izquierda Ciudadana (IC) und der Breiten Sozialen Bewegung (MAS) das Wahlbündnis Nueva Mayoría. Politische Ausrichtung: Kommunistisch. Vorsitz: Guillermo Teillier del Valle.
Partido Izquierda Ciudadana de Chile (IC): Der 2012 gegründete Partido Izquierda Ciudadana de Chile (IC) ist das Ergebnis der Vereinigung der 1971 gegründeten Partei der Christlichen Linken (IC) sowie mehrerer politischer und sozialer Bewegungen aus dem linken Spektrum. Politische Ausrichtung: Christlich-Links. Vorsitz: Victor Osorio Reyes.
Movimiento Amplio Social (MAS): 2008 entstand die linke Partei Movimiento Amplio Social (MAS), deren Gründer Alejandro Navarro Brain vordem Mitglied der Sozialistischen Partei (PS) war. Auf Grund starker Auseinandersetzungen mit dem damaligen SP-Vorsitzenden war er damals zurückgetreten. Politische Ausrichtung: Links.Vorsitz: Alejandro Navarro.
Coalición por el Cambio
Unión Demócrata Independiente (UDI): Die rechtskonservative Partei wurde 1989 gegründet. Sie versteht sich als eine populäre, liberale und christliche Partei. Evelyn Matthei Fornet, unter Piñera Arbeitministerin, ist ihre Kandidatin für die Präsidentschaftswahlen 2013. Eigentlich als dritte Wahl von der UDI erst am 20. Juli 2013 nominiert, wurde sie von der RN zähneknirschend als gemeinsame Kandidatin der Coalición por el Cambio akzeptiert. Zuvor war Laurence Golboune (Minister für Öffentliche Arbeiten), aussichtreicher UDI-Bewerber für die Vorwahlen, von der eigenen Partei ausgebootet worden und Pablo Longueira (Finanzminister) verzichte Mitte Juli, zwei Wochen nach seinem Sieg in den Primaries, aus gesundheitlichen Gründen überraschend auf seine Kandidatur. Die UDI gilt als Partei der Pinochet-Anhänger. Politische Ausrichtung: Rechts-Konservativ. Vorsitz: Patricio Melero Abaroa.
Renovación Nacional (RN): Die Partei wurde 1987 gegründet und ist das Ergebnis der Vereinigung von drei rechtsorientierten Parteien, nämlich des Movimiento de Unión Nacional (MUN), der Unión Demócrata Independiente (UDI), des Frente Nacional del Trabajo (FNT) sowie ehemaliger Aktivisten des Partido Nacional. Bei der Gründung der Renovación Nacional einigten sich die Parteien auf sechs Hauptpunkte: die repräsentative Demokratie, Respekt vor den Menschenrechten, Stärkung der individuellen Freiheit, Unterstützung für die soziale Marktwirtschaft, Ablehnung des Kommunismus, Auswertung der Ereignisse am 11. September in Chile, sowie Rechtmäßigkeit der Verfassung, unter Vorbehalt der notwendigen Änderungen. Der seit 2010 regierende Präsident Sebastián Piñera ist RN-Mitglied. Politische Ausrichtung: Rechts-Liberal, wirtschaftsfreundlich. Vorsitz: Carlos Larraín Peña.
Tod@s a La Moneda
Partido Humanista de Chile (PH): Die linksgerichtete Partei wurde 1984 gegründet. Sie stellte Marcel Claude als ihren Präsidentschaftskandidaten für die Wahlen 2013 auf. Zusammen mit der Izquierda Unida gehört die Partei zum Wahlbündnis Tod@s a La Moneda. Politische Ausrichtung: Humanistisch-Links. Vorsitz: Danilo Monteverde Reyes.
Izquierda Unida: Eine andere neue linke Parteienfusion stellt die Izquierda Unida dar, die 2013 durch den Zusammenschluss der Linkspartei PAIZ und mehrerer Dissidenten der Breiten Sozialen Bewegung (MAS) gegründet wurde. Die ehemaligen Mitglieder der MAS traten auf Grund von Meinungsverschiedenheiten über eine mögliche Unterstützung ihrer Partei für die Präsidentschaftskandidatin der Nueva Mayoría, Michelle Bachelet, zurück. Politische Ausrichtung: Links. Vorsitz: Salvador Muñoz.
Si tu quieres, Chile cambia
Partido Progresista (PRO): 2009 trat auch Marco Enríquez-Ominami aus der Sozialistischen Partei wegen Meinungsverschiedenheiten mit deren Führung aus der Partei aus und gründete 2010 die Mitte-Links Partei Partido Progresista. Marco Enríquez-Ominami ist nicht nur der Gründer der Partei, sondern auch ihr Kandidat für die Präsidentschaftswahlen 2013. Politische Ausrichtung: mitte-links. Vorsitz: Patricia Morales Errázuriz.
Partido Liberal de Chile (PL): Die Liberale Partei Chiles ging aus der 2007 gegründeten Partei Chile Primero hervor und trägt seit 2013 ihren aktuellen Namen. Politische Ausrichtung: Liberal-Progressistisch. Vorsitz: Vlado Mirosevic.
Nueva Constitución para Chile
Partido Igualidad: Die linke Partei wurde 2009 gegründet. Unterschiedliche soziale Bewegungen haben sich in der Partido Igualdad zusammengeschlossen. Sie versteht sich als die Partei des armen Volkes Chiles und setzt sich für mehr soziale Gerechtigkeit und für eine neue Verfassung Chiles ein. Für die Präsidentschaftswahlen im November 2013 unterstützte die Partei ihre Vositzende, Roxana Miranda, als Präsidentschaftskandidatin. Für die regionalen und parlamentarischen Wahlen desselben Jahres hat der Partido Igualdad ein Wahlbündnis mit dem Partido Ecologista Verde abgeschlossen.
Partido Ecologista Verde de Chile (PEV): Die Ökologische Partei Chiles wurde 2002 gegründet. Die Partei setzt sich für den Naturschutz, stärkere Bürgerbeteiligung und soziale Gerechtigkeit ein. Ihr Präsidentschaftskandidat für die Wahlen im November 2013 war Alfredo Sfeir Younis. Politische Ausrichtung: Mitte-Links, Ökologisch-Sozialdemokratisch. Vorsitz: Alejandro Iván San Martín Bravo.
Partei ohne Wahlbündnis
Partido Regionalista de los Independientes (PRI): Zum PRI schließen sich im Juli 2006 zwei Parteien zusammen: die Alianza Nacional de los Independientes (ANI) und Partido de Acción Regionalista de Chile (PAR). Beide Parteien haben die gesetzlich geforderten fünf Prozent bei den parlamentarischen Wahlen im Jahr 2005 nicht erreicht. Die Partei versteht sich als Verfechterin der lokalen Interessen und unterstützt den Präsidentschaftskandidaten Ricardo Israel Zipper für die Wahlen 2013. Sie ist die einzige Partei, die für die Wahlen diesen Jahres zu keinem Wahlbündnis gehört. Politische Ausrichtung: Mitte, Regionalistisch. Vorsitz: Humberto de la Maza Maillet.
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Bildquellen: [1] Public Domain, [3] Unión Demócrata Independiente_, [2] MichelleBachelet.cl, [4] Marco Enríquez-Ominami_, [5] RoxanaMiranda.cl