29.06.2008, 22.00 Uhr, Wien. Das Flutlicht brennt. Die Spieler schwitzen. Die Frisur hält. Der Ball rollt nicht mehr.
29.06.2008, 22.01 Uhr, Deutschland. Die Fans weinen. Das Bier läuft. Das Fernsehbild hält. Die Fußball-EM ist vorbei.
29.06.2008, 15.02 Uhr Ortszeit, Yanaya/Peru. El condor pasa. Es ist heiß. Die Bauern schwitzen. Die Hose hält.
29.06.2008, 22.02 Uhr, Leipzig. Die EM-Wette endet. Die Kalkulation steht. Romina jubelt. Sie hat gewonnen.
29.06.2008, 15.03 Uhr Ortszeit, Yanaya/Peru. El condor ya no pasa. Es ist immer noch heiß. Die Bauern machen Pause. Die Hose fällt.
29.06.2008, 22.03 Uhr, Leipzig. Enno jammert. Florian schimpft. Romina jubelt immer noch. Gut, dass Lehmann nichts hält.
29.06.2008, 22.10 Uhr, Wien. Das Flutlicht brennt. Die deutschen Spieler sind enttäuscht. Luis Aragonés wird getragen. Fernando Torres gefällt.
29.06.2008, 22.11 Uhr, Leipzig. Der Magen knurrt. Döner macht schöner. Es ist nicht weit. Die Entscheidung fällt.
Der Hauptpreis für den nachgewiesenen Fußballverstand sei von jedem eine Flasche Rotwein, vom besten. Spanischer – versteht sich. Doch Romina hält die Hand hoch: „Nein, ich will einen anderen Preis!“
Erstaunen. Irritation. „Wie jetzt, einen anderen Preis?“
„Da, im tiefsten Innern der peruanischen Sierra, gibt es ein Dorf, dessen Bewohner kaputte Hosen, aber weder Strom- noch Wasseranschluß haben. Ihre Arbeit ist hart. Von Fußball haben sie keine Ahnung. Aber sie besitzen eine Frauen-Volleyball-Mannschaft. Ich wünsche mir T-Shirts für sie!“
So wurde die Idee geboren, den Quetzal wieder einmal in die Welt zu tragen – und Gutes zu tun, statt Gutes zu trinken. Dank globalisierter Kommunikationstechnologie konnten Design, Größen, Material abgestimmt, Preise verglichen und die Fertigung ausgelagert werden. Peruanische Näherinnen in Lima produzierten so letztendlich für peruanische Volleyball-Amateurinnen T-Shirts aus peruanischer Baumwolle, mit lokalem Namen und Leipziger Sponsor.
Es fehlte das physische Zusammenkommen von Produkt und neuen Trägerinnen. Weder Kranich noch Condor kamen dafür in Betracht. DHL ging auch nicht. Ebensowenig wie Bus.
Denn Yanaya verfügt zwar über eine Straßenanbindung, allerdings nur nach Süden. Lima liegt aber nördlich.
Blieb nur, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Nach 24 Stunden Busfahrt erreichten wir ein kleines Städtchen, das praktisch das Ende von allem darstellt. Eine neu angelegte Straße führte von dort noch in das Nirgendwo, abrupt an einer Kehre endend. Der Regierung war beim Bau das Geld ausgegangen. Jedenfalls sahen wir von da aus schon das Ziel – ungefähr zwei Tagesmärsche entfernt, hoch oben auf der anderen Seite des Cañons. Hätten wir Federn wie der Quetzal, dann wären wir geflogen. So blieb nur der Weg über Fels und Stein.
Mit Müh und Not erreichten wir das Dorf. Das Himmelsflutlicht war schon lange aus. Wir schwitzten. Die Frisur hätte ein Haarspray benötigt. Der Magen knurrte. Es gab zwar Lämmer, aber keinen Döner. Dafür um so mehr der Erde abgerungene Kartoffeln, Mais und Saubohnen, die uns die zukünftigen Volleyball-Spielerinnen reichten. Heute noch am Herd, morgen schon mit dem Shirt in einer anderen Welt. Wenn doch jedes Jahr EM wäre…
Die Mädchen der Volleyballmannschaft von Yanaya, Peru – mit Trikots „sponsored by“ Quetzal Leipzig & Timmo K. |
Grafik: Quetzal-Redaktion, gt
Bildquelle: Quetzal-Redaktion, ssc