Natürlich fängt die Geschichte dieses Buches mit einem Mord an. Im August 1954, ein sehr spannendes Jahr für die Politik Brasiliens, wird ein Großunternehmer in seinem Haus ermordet. Um diesen Fall zu untersuchen, soll der Polizist Alberto Mattos seinen Kopf anstrengen. Nur schade, dass die Untersuchung durch die Korruption in der Politik aber auch innerhalb der Polizei erschwert wird. In diesem Milieu versucht der ruhige Mattos seine Integrität zu bewahren; seine Unbestechlichkeit ist sogar bei den Mafiabossen bekannt, was ihm zu einem begehrten Ziel für die Kriminellen macht.
Ein Mord ist jedoch zu wenig für die damalige Hauptstadt Brasiliens, Rio de Janeiro. Fast gleichzeitig muss sich Mattos mit einem Attentat auf den wichtigsten Oppositionspolitiker Lacerda befassen. Der berühmte Journalist Lacerda kritisierte in seiner Zeitung den Präsidenten Getulio Vargas, der das Land autoritär, aber gleichzeitig populistisch regiert, stark. Dieses Attentat wird von einem Mitglied der Garde von Vargas ausgeübt und wirkt als Auslöser einer heftigen oppositionellen Bewegung. Der Journalist bleibt unverletzt, aber ein Offizier der Marine stirbt, was die Unterstützung des Militärs für Lacerda sicherte. Letztendlich muss Mattos zwei Fälle lösen und zusätzlich muss auch sein Leben in Ordnung gebracht werden. Ein Magengeschwür und zwei Liebhaberinnen lassen ihn nicht in Ruhe.
Ein historischer Roman, in dem Rubem Fonseca die Realität der 50er Jahre mit der Fiktion mischt. Der Autor nutzt das kontroverse Thema, wie z.B. den Selbstmord von Vargas, als Hintergrund für die romantische Geschichte des Kommissars Mattos. Diese Vermischung ist so intensiv, dass jemand, der die historischen Bezüge nicht kennt, Probleme hat, die Realität von der Fiktion zu unterscheiden, da z.B. die historischen Personen aktiv an der Handlung teilnehmen. Am Ende gibt uns Fonseca den Eindruck, beide Teile seien eine große Verschwörung gewesen.
Die Beschreibung des Lebensstandards verschiedener sozialer Schichten, inklusive deren Moralvorstellungen, gibt dem Leser einen Überblick über die Gesellschaft dieser Jahrzehnte. Fonseca gibt sich viel Mühe bei der Charakterisierung des Milieus: Die verschiedenen Spracharten, der Alltag, die Kleidungen, alles wird detailliert zusammengefasst. Eine andere Konstante des Buches ist die implizite Darstellung der Kriminalität in Rio de Janeiro und des versteckten Konflikts zwischen Arm und Reich.
„Mord im August“ ist ein Buch für Kenner der brasilianischen Geschichte. Wenn man die Fakten und Namen nur wenig kennt, wird es schwierig sein, der Handlung zu folgen. Wie in fast jedem brasilianischen Buch oder Film werden alle Personen mit Namen und ausführlicher Beschreibung vorgestellt, selbst wenn diese für den weiteren Verlauf der Handlung nicht von Bedeutung sind. Dadurch wird die Übersichtlichkeit kaum gewahrt. Wenn man aber den roten Faden gefunden hat, wird die Geschichte spannend. Die Handlung ist trotz der langen Beschreibungen gut dargestellt.
Wie schon zuvor erwähnt wird dieser Abschnitt in der Geschichte Brasiliens sehr kontrovers im eigenen Land betrachtet. Das erklärt auch den Erfolg der Fernsehserie, die nach dem Buch entstand. Der Tod von Vargas ist bis heute noch nicht eindeutig aufgeklärt worden: manche sagen, er habe Selbstmord begangen, andere glauben an einen versuchten Putsch. Unabhängig davon, was am Ende die Ursache für den Tod des brasilianischen Präsidenten war, mit ihm ist eine kleine Wende in der Politik Brasiliens verbunden. Bis heute genießt Vargas eine sehr hohe Popularität.
Ein sehr empfehlenswertes Buch für Geschichtsliebhaber. Das einzige, was im Roman besser sein könnte, ist das Ende. Dieses verrate ich aber nicht…letztendlich ist es eine Geschmackssache.
Mord im August
Rubem Fonseca
Berlin1998: Ullstein Tb.
ISBN: 3548243835