Der nachfolgende Artikel basiert auf Beiträgen von Amerika21, einem unserer nationalen Medienpartner. Wir nutzen dieses Angebot, um auf gesicherter Grundlage über die Entwicklung der letzten Monate in Honduras zu berichten. Wir sehen darin auch eine wichtige Möglichkeit, um gezielt Synergien, die aus unserer Kooperation erwachsen, produktiv zu machen. Dem letzten Absatz über die politische Instrumentalisierung der Erfolge der honduranischen Nationalmannschaft, der „selección“, liegen Internet-Beiträge der Frankfurter Rundschau vom 16. Juni sowie von Erika Harzer (Deutschlandradio Kultur) vom 31.5.2010 zugrunde.
Nach dem Amtsantritt von Porfirio Lobo im Januar 2010 ist es zunehmend stiller um Honduras geworden. Die neue Regierung, die in der Nachfolge des Putschistenregimes von Micheletti steht, ist in In-und Ausland heftig umstritten. Grund dafür ist neben der Verbindung zu den Putschisten der zweifelhafte Charakter der Wahlen vom 29. November 2009. Inzwischen mehren sich die Zeichen, dass nach den USA, Peru, Kolumbien und den meisten zentralamerikanischen Staaten nun auch EU und OAS (Organisation Amerikanischer Staaten) die Lobo-Regierung anerkennen wollen.
Auf der 40. Generalversammlung der OAS, zu der sich die Außenminister der Mitgliedsländer vom 6. bis 8. Juni in Lima trafen, kam auch das Thema Honduras – wenn auch außerhalb der offiziellen Agenda – zur Sprache. Man einigte sich auf die Bildung einer hochrangigen Kommission, die bis Ende Juli eine Empfehlung zur Wiederaufnahme des zentralamerikanischen Landes in die OAS erarbeiten soll. Die Mitglieder der Kommission werden von OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza benannt, der sich bereits im Vorfeld für die Rehabilitierung der honduranischen Regierung ausgesprochen hatte. Grundbedingung dafür müsse aber die sichere Rückkehr des am 28. Juni 2009 gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya sein. Bisher widersetzen sich Länder wie Brasilien, Argentinien, Mexiko und die ALBA-Staaten um Venezuela dem von Washington ausgehenden Druck. Sie halten die Lobo-Regierung nach wie vor für illegitim und fordern die Wiederherstellung der demokratischen Freiheiten in Honduras. Es ist deshalb offen, ob und zu welchen Bedingungen das Land in den Schoß der OAS zurückkehren wird.
Die mediale und politische Schützenhilfe der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung für die Putschisten war bereits Gegenstand der Kritik an der Haltung deutscher Akteure gegenüber den Ereignissen in Honduras. In diesem Zusammenhang verdient der 2. Ökumenische Kirchentag, der im Mai in München abgehalten wurde, Aufmerksamkeit. Während die EU nach internationalen Protesten noch schnell eine Einladung für Porfirio Lobo zurückgenommen hatte, boten die Veranstalter des Kirchentages dem honduranischen Kardinal Oscar Rodríguez Maradiaga ein öffentlichkeitswirksames Podium. Rodríguez hatte den Militärputsch mehrfach verteidigt und die tödliche Gewalt gegen Aktivisten der Widerstandsbewegung verharmlost. Selbst als Mitglieder der Kirche wegen ihres Engagements in der Demokratiebewegung Opfer von Gewalt und Unterdrückung wurden, hat der Kardinal geschwiegen. Die Menschenrechtsorganisation FIAN International findet nicht zuletzt deshalb die Einladung „unglücklich und befremdlich“. Dass die Rolle von Rodríguez auf dem Kirchentag nicht Gegenstand einer öffentlichen Debatte war, ist vor dem Hintergrund der anhaltenden Repression umso verwunderlicher.
Die honduranische Menschenrechtsorganisation COFADEH spricht in ihrem jüngsten Bericht von 700 politisch motivierten Angriffen seit der Amtsübernahme von Lobo Ende Januar – darunter auch 12 politische Morde, von denen besonders Aktivisten der Demokratiebewegung und Journalisten betroffen sind. Bis Anfang März wurden fünf Mitglieder der Widerstands¬bewegung gezielt getötet. Drei der Ermordeten waren Gewerkschafter, die beiden anderen Bäuerinnen. Allein im Monat März sind fünf Journalisten erschossen worden: Joseph Hernández am 1., David Enrique Meza am 10., Nahum Palacios Artega am 15., José Bayardo Mairena und Manuel de Jesús Juárz am 27. Die Journalistin Carol Cabrera überlebte einen Anschlag verletzt. Während kritische Journalisten gezielt liquidiert werden, haben sich die honduranischen Massenmedien bereits frühzeitig auf die Seite der Putschisten geschlagen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, wenn sie die gegenwärtige Situation in rosigen Farben malen und so tun, als ob Verfassungsmäßigkeit, Ruhe und Ordnung nach Honduras zurückgekehrt seinen. Bedauerlicherweise berufen sich auch die internationalen Medien größtenteils auf diese Informationen, so dass dieses falsche Bild weltweite Verbreitung findet.
Die Demokratie- und Widerstandsbewegung hat dagegen schwer, ihre Vorstellungen und Forderungen der nationalen und internationalen Öffentlichkeit zu vermitteln. Nicht desto trotz kämpft sie weiterhin für die Neugründung des Landes. Um dieses historische Ziel durchzusetzen, fordert sie die Wahl und Einberufung einer Nationalen Verfassunggebenden Versammlung. Dazu soll zum Jahrestag des Putsches, am 28. Juni 2010, eine landesweite Befragung durchgeführt werden. Die II. Nationale Zusammenkunft für eine Verfassunggebende Versammlung, zu der sich vom 12. bis 14. März tausende Aktivisten in der Ortschaft La Esperanza getroffen hatten, bekräftigte diese zentralen Forderungen ebenfalls. In der Abschlusserklärung wird der „betrügerischen Regierung von Porfirio Lobo“ nach wie vor die Anerkennung verweigert.
Auch vor dem Fußball machen die politischen Auseinandersetzungen nicht halt. Honduras, das als das fußballversessenste Land Zentralamerikas gilt, hatte sich am 14.Oktober 2009, inmitten zäher politischer Verhandlungen zwischen Zelaya und Putschistenführer Micheletti, mit einem 1:0 gegen El Salvador die Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Südafrika erkämpft. Amado Guevara, der Kapitän der Nationalmannschaft und mit über 130 Spielen der dienstälteste Spieler der selección, geriet kurz darauf in die Schlagzeilen. Seine Mutter hatte es in aller Öffentlichkeit gewagt, der Tochter Zelayas ein Trikot mit der Widmung des Fußballhelden als Geschenk für ihren Vater zu überreichen. Für die honduranische Presse war dies das Signal, eine Hetzkampagne gegen Amado Guevara zu entfesseln, der daraufhin einlenkte. Neben ihm gilt auch der große alte Mann des honduranischen Fußballs und Schütze des Tores gegen El Salvador, Carlos Pavón – seitdem auch el santo genannt, als Anhänger Zelayas. Die übrige Mannschaft versucht sich aus den politischen Auseinandersetzungen herauszuhalten. Anders zu denken und zu handeln, als die offizielle Politik es vorgibt, bleibt in Honduras eine gefährliche Angelegenheit. Zugleich versucht die neue Regierung, den allseits beliebten Fußball für die eigenen Zwecke einzuspannen. Zum Dank für die geleistete Arbeit als Trainer der Nationalmannschaft erhielt der Kolumbianer Reinaldo Rueda Anfang 2010 die honduranische Staatsbürgerschaft. Zu wichtigen politischen Ereignissen wie der Amtsübernahme des neuen Präsidenten Porfirio Lobo wird er eingeladen. Die Versuchung der Machthaber, mit Hilfe des Fußballs und der WM in Südafrika von den Problemen des Landes abzulenken, ist groß.
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Bildquellen:
[01] teleSUR_; [02] Agencia Brasil, Wilson Dias