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Der Kapuzenträger

Víctor Montoya | | Artikel drucken
Lesedauer: 2 Minuten

Gefoltert - Foto: Justin Norman/ Bearbeitung: Quetzal-Redaktion, gtAls Achill den Folterraum betrat, wo der Gefangene an einem Balken hing, schob der Offizier mit einem Fußtritt die Tür zu und sagte: Foltern ist Handwerk und Pflicht! Achill, der nicht verdrängen konnte, dass ihm diese Arbeit zuwider war, wusste nicht, ob er etwas sagen oder wie sonst sofort zuschlagen sollte. Bei den Tischschubladen angekommen, legte er den Patronengürtel ab und nahm ein paar Schluck Wasser aus einer Kalebasse. Er wischte den Flaschenhals mit der einen Hand ab, während er den Griff seines Revolvers mit der anderen liebkoste.

Er ging um den Kapuzenträger herum und betrachtete ihn, ohne ihn zu sehen. Und noch während er sich das Hemd aufknöpfte, kam ihm die Erinnerung daran, wie er dabei überrascht worden war, als er im Keller der Schule mit einem Mädchen rang, der Lehrer, der ihn durchdringend ansah und diese Brüste, die Honigkrügen glichen.

Sie sind relegiert, schalt ihn der Schulmann.

Nachdem Achill sich endlich das Hemd auf Brustkorbhöhe gelockert hatte, heftete er seine Augen auf den Kapuzenträger, der in Handschellen hing, die Kleidung in Fetzen und vom Wasser durchnässt.

Wo sind die anderen?, fragte Achill, ganz nah an ihm atmend.

Diese Stimme war dem Kapuzenträger vertraut, und das kam als solch ein Schock, dass ihm nur ein Kopfschütteln gelang, kurz bevor ein Faustschlag auf seiner Brust widerhallte und ihm die Knochen brach.

Hurensohn! Wo sind die anderen?, wiederholte Achill, schwer atmend, während ihm seine Kräfte zu schwinden begannen.

Später dann irrte sein Blick umher, bis ihm scharlachrote Tropfen vor den Augen flimmerten.

Er sah zu dem Gefolterten hoch und nahm ihm die Kapuze ab, entsetzt vom Tod, der das ganze Wissen des verfluchten Schicksals umfasste, in einem Moment des Zorns zugeschlagen zu haben.

Als die Kopfbedeckung ins Nasse fiel, lag das Opfer bereits tot in einer Lache aus Blut und Erbrochenem, und in seinem Gesicht – so blass wie das Mondlicht – fand Achill nicht mehr als die weit aufgerissenen Augen seines besten Freundes aus den Kindertagen.

Übersetzung aus dem Spanischen: Gabriele Eschweiler

Bildquelle: Justin Norman_/ Bearbeitung: Quetzal-Redaktion, gt

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