Das spanische Magazin „La Revista“ veröffentlichte die folgende Erzählung der Autorin von „Como Agua para Chocolate“ (Bittersüße Schokolade“) und „La Ley del Amor“, in der ein typisches Puter-Rezept der mexikanischen Küche versteckt ist;
Zutaten für vier Personen:
- 1 guajolote (Puter)
- Zwiebel
- Knoblauch
- Mole (erhältlich in Spezialgeschäften)
Der Puter wird gesäubert, zerlegt und mit einer Zwiebel und zwei Knoblauchzehen in ausreichend Wasser gekocht. Während ich das Rezept lese, das mir meine hochheilige Mutter geschickt hat, höre ich nicht auf, mich darüber zu freuen, daß ich einen großen Teil meiner Kindheit damit verbrachte, sie kochen zu sehen, während ich meine Hausaufgaben am Küchentisch machte. Anderenfalls würde ich gar nicht daran denken, den Schaum zu entfernen, der sich auf der Brühe bildet, wenn diese zu kochen anfängt. Ich weiß nicht, warum man diese Tips in den Rezepten ausläßt. Die Köchinnen scheinen tatsächlich zu denken, daß jeder verpflichtet ist, diese Details im voraus zu kennen. Wo steht geschrieben, daß man sich die Finger mit einer halbierten Zitrone reinigen muß, nachdem man die Chilis geschält und entkernt hat? Es kostete mich einen ganzen Nachmittag mit schmerzendem und geschwollenem Auge, es zu lernen, weil ich mit den Chilifingern eine Fratze machen wollte, als ich Kind war. Zum Glück wird mir wenigstens das nicht mehr passieren. Jetzt, da ich in New York lebe, so weit weg von zu Hause und vor allem von der Küche meiner Mutter, hat mir die Notwendigkeit, eßbare Gerichte zuzubereiten, alle möglichen kleinen Unfälle beschert. Die Studenten, mit denen ich eine Wohnung in der 25. Straße, East River teile, mußten mit mir zusammen die Mühsale meiner kulinarischen Lehrzeit erdulden. Sie, die schon Zeit einsparend geboren wurden und ihrer Verpflichtung nachkommen, indem sie einmal in der Woche eine Suppenbüchse öffnen, sie mit heißem Wasser aus dem Wasserhahn vermischen und aus derselben Büchse essen, um kein Geschirr zu beschmutzen, können nicht verstehen, daß ich einen ganzen Nachmittag damit verbringe, Oaxaqueno-Mole zuzubereiten und mich allen möglichen Unfällen auszusetzen. Aber was kann man von jemandem erwarten, der seit seiner Geburt Tiefkühl- oder Büchsenkost zu sich nimmt, während er auf einem Teppich sitzt und fern sieht. Da sie es niemals erlebt haben, können sie nicht wissen, wie schön es ist, beim nach Hause kommen von den Düften gerade gekochter Bohnen oder eines leckeren Eintopfes empfangen zu werden und an einem weißen Tischtuch mit der ganzen Familie heiße Tortillas zu essen. Hmh, heiße Tortillas.
Wie gut würde mir ein bißchen Wärme mitten in diesem dunklen und kalten Winter tun. Die Wärme der Küche meiner Mutter, die Wärme, die von den Stockwerken meines Hauses am Vormittag ausgeht, die Wärme, die in Hals und Magen zurückbleibt, nach dem Essen von Mole. Ich kann nicht mehr. Jawohl, ganz im Ernst, in dieser Stadt, in der es zu allem Überfluß auch noch vier Uhr dunkel wird, wärmt die Sonne nicht. Die Illusion, meine Seele zu erleichtern, brachte mich dazu, mein letztes Fahrgeld für diese Woche zu opfern und bis zur 14./Ecke 7. Straße zu fahren, wo ich meine Oase finde: „La Casa Moneo“, ein kleines Geschäft für mexikanische Küche. Hier habe ich alle Zutaten gefunden, die ich benötigte: von den getrockneten Chilis bis zu den unerläßlichen Muscheln. Mein Mitbewohner Jimmy hustet verdrießlich wegen des Geruchs, den die in Butter bratenden Chilis verbreiten. Mehrmals ist er in die Küche gekommen, um ein Glas Wasser zu trinken. Er tadelt mich mit einem Blick, der mir sagt, daß ich die Luft verpeste, die er einatmet. Aber das interessiert mich nicht. Seine Büchsensuppen schmecken mir auch ganz besonders, und ich sage nichts dazu. Außerdem fehlen mir nur noch zwei Chilis – dann bin ich soweit. Danach muß ich nur noch in derselben Pfanne den Knoblauch, die Zwiebeln, die Tortillas und die Muscheln braten. Alles übrige habe ich schon fertig. Ich werde es genau nach Anweisung zubereiten, auch wenn ich den comal durch eine Pfanne ersetzen mußte, um die Mandeln, den Sesam, die Erdnüsse, die Walnüsse und die Kürbiskerne goldbraun zu rösten. Danach muß ich sie anstelle eines Steines mit einem elektrischen Zerkleinerer zermahlen. Und da ich auch keinen Mörser habe, muß ich mit demselben Apparat den Pfeffer, die Nelken, den Anis, den Kümmel, den Oregano, den Zimt, die Lorbeerblätter, den Majoran und den Thymian zermahlen. Trotzdem hoffe ich, daß sich dadurch der Geschmack des Gerichtes nicht verändert.
Wenn man die eben genannten Zutaten mit der Puten-Brühe vermischt, bekommt man die Flüssigkeit für die Mole. Getrennt zerkleinert man in einem Entsafter die Tomaten und die weißen Tomaten.
Den Saft der Tomaten verfeinert man mit etwas Butter und danach wird die Flüssigkeit für die Mole hinzugefügt. Zuletzt röstet man die Blätter des Avokado-Baumes und fügt sie der Mole mit etwas Salz hinzu. Es ist wichtig, die Mole am Vortag zuzubereiten, damit sie gut durchzieht. Der unausstehliche Jimmy kommt schon wieder, um sich zu beschweren, daß das Haus voller Rauch ist, und daß er nicht atmen kann. Vielleicht hat mir die Kombination aus Hunger, Nostalgie und Kälte den Verstand getrübt, aber nachdem ich mir seine Litanei anhören mußte, habe ich ihn mit Stößen aus der Küche gejagt.
Ihm blieb nichts weiter übrig, als meinen wunden Punkt zu berühren: Er schlug mir vor zu meiner Mama nach Mexiko zurückzukehren, wenn sein Essen so schlecht ist. Wir begannen eine Prügelei, während die Chilis verbrannten und das ganze Haus einräucherten. Der Alarm ging los, die Beregnungsanlage schaltete sich ein. Meine Mole verwandeltete sich in wenigen Minuten in ein Hirngespinst. Aber trotz allem schrieb ich in dieser Nacht an meine Mutter: „Heute habe ich nach Deinem Rezept eine leckere Oaxaqueno-Mole gemacht und dich sehr erstaunt. Jimmy läßt Dich herzlich grüßen…“, alles in allem. Warum soll ich sie beunruhigen?
Übersetzung: Anke Piehozki