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Die ideologische Agonie des Teodoro Petkoff

Carlos Alberto Montaner | | Artikel drucken
Lesedauer: 5 Minuten

Mein Cid ist Teodoro Petkoff, der neue venezolanische Planungsminister der Regierung Caldera. Es handelt sich um einen intelligenten Mann, der in den 60er Jahren das Gewehr schulterte, um gegen die, nach dem Sturz des Diktators Perez Jimenez, sich entwickelnde, aber noch schwache Demokratie zu kämpfen. In jener Zeit war Petkoff ein junger Kommunist, Anhänger des kubanischen Wegs und davon überzeugt, daß die soziale Gerechtigkeit und der Wohlstands Venezuelas nur aus einer blutigen Revolution nach der Art Kubas entspringen könne.

Mit den Jahren, den Niederlagen und den Gefängnisstrafen – und ich nehme an den Lektüren und Reflexionen – änderte Petkoff seine Strategie, wenn auch nicht seine Ziele. Er schwor dem bewaffneten Kampfe ab und gründete die MAS (Movimiento al Socialismo), eine politische Partei, die danach strebte, einen marxistischen Staat aufzubauen, ohne die bourgeoisen Kapitalisten auf diesem Wege gewaltsam zu vernichten. El MAS glaubte an die Möglichkeit, den Feind friedlich zu unterwandern und von innen heraus zerstören zu können. Es war ein trojanisches Pferchen, dem es nie gelang die Venezolaner zu verführen, aber einen historischen Meilenstein markierte: es war der erste große Riß in der castrischen Familie, auch wenn die wichtigste Person dieser Begebenheit, nicht Petkoff war, sondern der Guerillakommandant Americo Martin, der heute als Zeichner mit einem guten Ruf als politischer Denker im liberaldemokratischen Lager zu finden ist.

Nach dieser ersten großen ‚taktischen Evolution‘ bewegte sich Petkoff Millimeter für Millimeter vom marxistischen ‚Rezept‘ hinweg, bis sich der Diskurs an einem Punkt festfuhr, der dann und wann sozialdemokratisch aussah, auch wenn er immer noch seine Fundamentalabneigung gegenüber der Ökonomie des Marktes konservierte, ebenso wie einen profunden Antiamerikanismus und die Überzeugung, daß die Übel Lateinamerikas durch die internationale Heimtücke produziert würde. Der Kommunismus jedoch war nicht mehr die vorherrschende Ideologie, der Kapitalismus jedoch auch nicht. Die Multis, der Internationale Währungsfond, die Weltbank waren keine Agenten der Wohlfahrt und des Fortschritts, sondern verdorbene Mechanismen, kreiert von den mächtigen Ländern um die Schwächsten auszubeuten.

Schließlich – Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre, sah ich Petkoff in einer Fernsehdiskussion mit Alvaro Vargas Llosa. Die Diskussion war respektvoll, aber voller Spannung und es klärte sich bald, daß mit Petkoff etwas recht Tragisches vor sich gegangen sein mußte: er war nicht einmal mehr Sozialdemokrat. Nach der gräßlichen Erfahrung Venezuelas, zusammengefaßt im Zusammenbruch des Realen Sozialismus im Osten, wagte er es nicht mehr, die Position des Staates als Umverteiler des Reichtums zu verteidigen. Aber ebensowenig unterschrieb er die liberale Formel. Petkoff hatte sich reduziert auf die pure Denunziation von offensichtlichen Tatsachen – des Hungers, des Analphabetismus, der Arbeitslosigkeit, der Korruption – und die Identifizierung der vermutlich Schuldigen, aber ohne eine eigene kohärente Strategie, diese Übel aus der Welt zu schaffen. Nachdem er zunächst dem revolutionörem Kampf entsagt hatte, und später gleichzeitig die sozialdemokratischen Rezepten und den liberalen Vorstellungen ablehnte, blieb er plötzlich ohne Antworten. Trotz seiner eloquenten Erscheinung war er in Wirklichkeit ein politisch Sprachloser.

Glücklicherweise hat sich dieser Zustand inzwischen geändert. Seine wichtigste Funktion im Kabinett Calderas ist die Verteidigung des Abkommens zwischen Venezuela und der Weltbank. Daß heißt: in einer neuen und – wie ich glaube – letzten ideologischen Wendung, kam es Petkoff an, die (schlecht angesehene) Rolle des Neoliberalen anzunehmen und seinen verwirrten Mitstreitern zu erklären, warum die öffentlichen Ausgaben gekürzt, die Steuern erhöht und der lächerlich geringe Preis fürs Benzin erhöht werden müssen, die staatlichen Finnen privatisiert, die unnützen Beamten entlassen und die Kündigungsmechanismen liberalisiert werden müssen. Auch warum die Barrieren eingerissen werden müssen, die einen großen Teil der einheimischen Industrie künstlich am Leben erhält und daher den ökonomischen Prozeß verzerren und auf ungerechte Weise die Lebenshaltungskosten im Lande verteuern, war erklärungsbedürftig. Der arme Petkoff, der seine politische Karriere mit den Werken von Che Guevara im Rucksack begann, endet jetzt einen Wagen von Milton Friedman (1) fahrend.

Es gibt zwei Wahrheiten von denen ich nicht weiß, ob Petkoff sie seinen Mitstreitern anvertrauen würde und von denen ich sprach, als wir – beinahe schreiend – über die propagierte Natürlichkeit des Neoliberalismus diskutierten. Die erste ist, daß die Mittel, für die der Internationale Währungsfond eintritt nicht unbedingt neoliberal sind. Es ist ganz einfach gesunder Menschenverstand. Alles was der Internationale Währungsfond sucht, ist eine makro-ökonomische Anpassung damit Venezuela wieder ein kreditwürdiges Land mit der Möglichkeit seine Schulden zurückzuzahlen wird. Etwas sehr rationales in einer Institution, die nicht die Mildtätigkeit praktiziert, sondern eine eher lockere Banker-Aktivität.

Die zweite Wahrheit ist, daß diese makro-ökonomische Anpassung die Prosperität ebenfalls nicht garantiert. Es macht sie leichter, aber es garantiert sie nicht. Beweis: Portugal hatte während der langen Diktatur von Oliveira Salazar einen ausgewogenen Haushalt, keine Schulden und keine Inflation, denn der Tyrann war ein orthodoxer Ökonom, der nie auf den Sirenengesang der Keynesianer (2) hörte. Resultat? Eine Ökonomie mit geringer Inflation, guter internationaler Kreditwürdigkeit, aber nicht mehr. Portugal bleibt weiterhin eines der ärmsten Länder Europas mit einem wahnsinnig hohen Prozentsatz von verzweifelten Auswanderern, die an jeden Platz der Welt gehen würden. Wie zum Beispiel nach Caracas.

von Carlos Alberto Montaner aus: El Tiempo, Mittwoch, den 10. April 1996.

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(1) Milton Friedman: Begründer des Monetarismus und der Strukturanpassungsmaßnahmen.

(2) Maynard Keynes ging davon aus, daß der Staat den Wirtschaftsablauf steuern könne.

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