Eine Woche lang, vom 19. bis 26. Januar 2007, hatten die Leipziger die Möglichkeit, einen Einblick in die argentinische Filmkunst zu bekommen. Diese wurde durch ein sehr breit gefächertes Publikum (aller Altersklassen, sowie Nationalitäten) genutzt. Alle Filme wurden in Originalfassung mit deutschen Untertiteln gezeigt. Interessant war aber, dass die Mehrheit der Zuschauer gute spanische Sprachkenntnisse hatte, was auf ein großes Interesse an der iberoamerikanischen Kultur hindeutet.
Die neun Filme zeigten ein Selbstporträt der argentinischen Gesellschaft, welche sich nach der Wirtschaftskrise von 2001 rasch verändert hat. Die 13 Kurzgeschichten stellten eine eher satirische Darstellung des Alltags dar, welche die verschiedenen Eigenarten der Argentinier aufzeigen. Im Folgenden ein kurzer Versuch, einen Einblick in diese Filmwoche zu geben:
Lo llevo en la sangre
Von der Leidenschaft des Fußballs ließ sich Regisseur Pablo Perez anstecken. Eine neue medizinische Technik ist in der Lage zu erkennen, ob man auch ein wirklicher Fan eines Fußballteams ist. Für die Familie eines jungen Profispielers bringt dieser Wundertest jedoch nur Unglück. Eine gute Komödie über den Volkssport der Argentinier.
La familia de Roque
Eines Tages kommt der kleine Roque mit einer nicht ganz einfachen Hausaufgabe nach Hause. Er braucht ein Photo seiner Familie. Einziges Problem ist, dass sich die familiäre Struktur heutzutage schnell verändert. Die Zuschauer sollen versuchen mit den Augen des Kindes die Geschichte der geschiedenen Eltern und die neue Lebensweise zu verstehen.
Bigotes de chocolate
Wie lange bleibt das Lächeln eines Menschen nach dem Zusammentreffen mit einem Bekannten? Das ist die große Frage eines jungen Mädchens, die gern die sie umgebenen Menschen analysiert. Eine kleine philosophische Geschichte über den Abschied und das Wiedersehen von zwei alten Freunden.
In golf we trust
Als Gott den fluchenden Golfer, welcher den Ball nicht trifft, bestrafen will, trifft er aus Versehen den Caddy und muss dann selbst fluchen. Alt bekannter Scherz, der zeigt, dass niemand perfekt ist – auch nicht Gott.
El ultimo café
Eine einfache Diskussion eines Pärchens kann verschiedene Gesichter haben. Besonders wenn der Regisseur dies in die Tat umsetzt und alle 10 Sekunden das Aussehen des Mannes verändert. Gelungene Kritik an der Macho-Kultur der argentinischen Männer.
La vanidad de las luciernagas
Aus Langeweile und vor lauter Eitelkeit bekriegen sich die verschiedenen Gangs und zerstören gegenseitig die Errungenschaften der anderen. Ein nachdenklicher Einblick in die Banden-Szene von jeder großen Stadt, die mit den Glühwürmchen verglichen wird. Diese fangen nur an zu leuchten, wenn sie auch gesehen werden. Eine Kritik an der Orientierungslosigkeit der Jugend.
Vida en Falcon
Eine Dokumentation über das Leben zweier Männer, die nach der Wirtschaftskrise ihren Job und teilweise die Hoffnung verloren haben. Die einzige Chance mit geringen Kosten zu überleben, war es sich einen alten Ford Falcon zu kaufen und darin zu leben. Das Auto, das einst als Statussymbol für Wohlstand galt, repräsentiert jetzt die Dekadenz einer Gesellschaft. Trotz der schwierigen Lage greift der Film die Thematik in einer informellen und eher lustigen Art und Weise auf. Schade nur, dass die beiden Antihelden nichts unternehmen, um ihre missliche Situation zu verändern. Leider hat der Film nicht gezeigt, wie das Leben von beiden vorher war und wie es zu diesem Notzustand genau gekommen ist.
No tan nuestras
In dem Film geht es um das polemische und teilweise schmerzhafte Thema der Malvinen, wie sie in Lateinamerika genannt werden. Für den Rest der Welt sind es nur die Falkland Inseln. Ein ehemaliger argentinischer Soldat erzählt mit viel Humor seine Erfahrungen und Ängste aus diesen Kriegstagen. Trotz dieser Erlebnisse blieb Sergio Delgado gelassen und genau das, macht die Erzählung so authentisch. Der Film bietet einen sehr interessanten Blickwinkel, in dem nicht nur mit der „argentinischen Brille“ erzählt wird, sondern auch Kritik am damaligen Regime geübt wird.
Cama adentro
Die argentinische Wirtschaftskrise erreichte nicht nur den ärmeren Teil der Bevölkerung, sondern auch die gehobene Mittelschicht. Diese war viel mehr mit der Erhaltung ihres bisherigen Lebensstandards als mit dem Problem des Überlebens konfrontiert. Die Geschichte Bebas illustriert diesen teilweise lächerlichen Kampf in einer Schicht, in der anstelle der Freundschaft, nur das Geld eine Rolle spielt. Mit dem Lauf der Zeit bemerkt Beba, dass ihre langjährige Haushälterin Dora, trotz verschiedener Auseinandersetzungen, ihre einzige treue Freundin ist. Auch in diesem Film wird die feine argentinische Ironie deutlich und der Regisseur bringt die Zuschauer mit einem ersten Thema zum Lachen.
Die Initiative vom Sudaca e.V. ermöglichte nicht nur vielen Deutschen, sondern auch mir, sich über Argentinien zu informieren. Ich, als Brasilianerin, hatte somit die Chance mein bisheriges Bild über meine „Hermanos“ zu ändern. Die herrschende Meinung, dass Argentinier sehr strikt und seriös seien, wurde durch die ironische Selbstkritik widerlegt. Die humane Darstellung der Bevölkerung in schwierigen Zeiten hilft uns, unsere kleinen Streitigkeiten zu vergessen und sich in die Lage der Anderen hineinversetzen zu können. Eine sehr integrative und bereichernde Initiative, die sich hoffentlich bald wiederholen könnte.