Quetzal Vogel
News Icon
Quetzal

Politik und Kultur in Lateinamerika

Template: single_normal
Printausgaben

Die Rolle der Vereinten Nationen im Kampf gegen den illegalen Drogenhandel

María-Cristina Dorado A. | | Artikel drucken
Lesedauer: 16 Minuten

Seit 1945 unterstützen die meisten Regierungen der Welt in der Politik das Verbot von Freizeitdrogen, zu denen unter anderem Kokain, Heroin, Cannabis und LSD zählen. Dabei stützen sich ihre Maßnahmen auf verschiedene Konventionen, die durch die Vereinten Nationen (UN) erlassen wurden. Diese Politik war hauptsächlich aufgrund des Machteinflusses der USA auf ihre Verbündeten und die UN möglich, aber auch, weil es für die Länder ein nützliches Instrument ist, um gewisse Politiken von schwieriger Akzeptanz zu rechtfertigen. In den letzten Jahren haben jedoch viele Länder – darunter die Schweiz, Kanada und das Vereinigte Königreich – die Gültigkeit dieser Politiken als effizientes Mittel gegen den zunehmenden Gebrauch von Freizeitdrogen und seinen sozialen Folgen in Frage gestellt. Obwohl diese Länder noch für eine vernünftige Alternative sorgen müssen, wurden Anstrengungen unternommen, die inländische Politik toleranter zu gestalten. Dies hat sich als eine schwierige Aufgabe herausgestellt, weil sie dem bestehenden Widerstand gegen Veränderungen entgegentreten müssen, der von den Ländern geleistet wird, die das prohibitionistische Regime unterstützen. Außerdem gibt es Spannungen, Streitigkeiten, Inkompetenz und innenpolitische Konflikte innerhalb der UN-Hauptorganisationen, die für die internationale Drogenkontrollpolitik verantwortlich sind.

Das System der Drogenkontrolle entwickelte sich über einen langen Zeitraum, wobei jede Konvention die zeitlich davor Existierende in Sachen Vorschriften und Regeln hinsichtlich universeller Drogenkontrollgesetze ergänzte. Daraus resultierte ein Drogenverbotssystem, das den Bereich von der Herstellung bis zum Verbrauch umfasst. Das internationale Drogenkontrollsystem der UN ist von komplexer Art. Die wichtigsten internationalen Abkommen zur Drogenkontrolle sind: die Single Convention („Einheitskonvention“) über Betäubungsmittel (l961), welche durch das I972er-Protokoll ergänzt wurde; das Abkommen über psychotrope Stoffe (1971); und das Abkommen gegen den unerlaubten Handel mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen (l988). Diese UN-Abkommen haben weit mehr Einfluss als die meisten internationalen Abkommen, da sie sogar Politiken diktieren, die sich sowohl auf nationale als auch auf internationale Beziehungen der Mitgliedsländer auswirken. Im Augenblick hat eine beträchtliche Anzahl von Ländern diese Abkommen ratifiziert oder ihnen zugestimmt. Bis 2002 hatten 179 Länder entweder die Single Convention oder das ergänzende Protokoll von 1972 unterschrieben; 172 Länder hatten das Abkommen von 1971 und 166 Länder das Abkommen von 1988 unterzeichnet. Diese Abkommen der UN haben zum Ziel, Drogen zu verbieten und die Prohibition aufrecht zu erhalten. Daraus resultierte, dass die Herstellung, der Verkauf und der Anbau der meisten Drogen in der Mehrheit der Länder nur für die medizinische Anwendung begrenzt erlaubt sind. Tatsächlich wird selbst der Besitz kleiner Mengen dieser Drogen strafrechtlich verfolgt.

Die Abkommen funktionieren in enger Zusammenarbeit mit anderen UN-Institutionen, die, wie Jelsma (2003: 188) erklärt, „das Herz des Drogenkontrollsystems“ sind. Die wichtigsten von ihnen sind laut Single Convention von 1961 der Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC), die Suchtstoffkommission (CND), das internationale UN-Drogenkontrollprogramm (UNDCP), und der Internationale Suchtstoffkontrollrat (INCB). Diese werden wiederum durch den Sicherheitsrat und die Generalversammlung unterstützt. Das UNDCP ist die führende multilaterale Behörde, die für Drogenfragen verantwortlich ist. Sie verwaltet die UN-Programme und berät viele Länder hinsichtlich Fragen zur Drogenpolitik. Des weiteren füngiert die Behörde als Sekretariat für die CND und den INCB.

Außerhalb der UN besteht der Eindruck, dass es sich um eine gut koordinierte Institution handelt; die interne Darstellung der Organisation widerspricht dem jedoch. Die operative Struktur ist unvereinbar mit einem Bild von Harmonie und Effizienz innerhalb der Organisation. In den acht Jahren, in denen Prof. Cindy Facy für das UNDCP arbeitet, bemerkte sie, dass es bei Problemen informelle Entscheidungen und Debatten gab – und zwar vor den großen internationalen Konferenzen. Dies hatte zum Ergebnis, dass es bei den Sitzungen der oben genannten Behörden nicht zu Diskussionen kam. Darüber hinaus werden die Entscheidungen von CND und UNDCP durch die Interessen der 17 Geberländer manipuliert.

Des weiteren droht der effizienten Verwaltung des UNDCP ernsthaft Gefahr durch seine interne Struktur. Der Entscheidungsfindungsprozess der Behörde wird durch andauernde Streitigkeiten zwischen den Generalisten und Spezialisten, einem hohen Grad nationaler Gefühle und den unterschiedlichen Nationalitäten der Angestellten beeinträchtigt. Viele dieser Streitigkeiten werden gelöst, indem befristete Arbeitsverträge nicht wieder erneuert werden. Da die Gehälter der Angestellten indirekt durch die Hauptgeberländer bezahlt werden, überrascht es nicht, dass sich das Personal mehr um seine zukünftige Beschäftigung kümmert, als um die eigentliche Arbeit. Facy zufolge werden schlechte Entscheidungen aus Angst davor getroffen, dass die Geberländer widersprechen oder gekränkt sein könnten und weil die Angestellten ihren Arbeitsplatz verlieren könnten. Das Personal sorgt sich häufig eher um die interne Politik, um auf diese Weise den Arbeitsplatz zu behalten, weniger darum, den Job tatsächlich auszuüben.

Die EU weist eine eher komplexe Haltung auf. In den letzten Jahren haben viele Länder in zunehmendem Maße Unzufriedenheit mit der UN-Politik gezeigt, indem sie auf die Unzulänglichkeit der Rolle der UN beim ungebrochenen Anstieg des Drogenkonsums und der damit verbundenen sozialen Konsequenzen aufmerksam gemacht haben. Obwohl viele Länder eine tolerantere Drogenpolitik favorisieren, werden alle gezwungen, die UN-Abkommen zu unterschreiben, um die politischen Unterschiede zu glätten. Die Europäische Gemeinschaft entwickelte ihre eigene Drogenpolitik mittels eines durchorganisierten Verwaltungssystems, welches bis zum Vertrag von Maastricht im Jahr 1993 zurückverfolgt werden kann: Das System besteht aus der Europäischen Kommission, dem Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament. Seitdem dieser Vertrag zustande kam, ist das Drogenproblem ein wichtiges Thema in den unterschiedlichen Foren der EU gewesen. Jedoch ist das System weit davon entfernt, vom internationalen Drogenkontrollsystem – das von den USA angeführt wird – unabhängig zu sein, da alle Länder die UN-Abkommen unterzeichnet haben.

Das Schengen-Abkommen schaffte alle Kontrollen der inneren Grenzen ab, um die Verbrechenskontrolle innerhalb bestimmter EU-Mitgliedsländer aufeinander abzustimmen. Ziel des Abkommens war es, freie Beweglichkeit von Personen, Waren und Dienstleistungen in den Ländern zu gewährleisten, die Unterzeichner waren. Dadurch wurde die polizeiliche Überwachung für einzelne Länder schwieriger, wenn ein Verbrechen jenseits der Ländergrenze zwischen zwei Ländern verübt wurde. Es wurde entschieden, die unterschiedliche Gesetzgebung zu Fragen wie Drogen, Waffen, Explosivstoffe und Hotel-Registrierungsverfahren aufeinander abzustimmen. Infolge von Diskrepanzen zwischen den Ländern beim Thema Drogen erwies sich die Abstimmung der Gesetzgebungen als schwieriger. Diese Differenzen reichten von einem liberalen Ansatz, den die Niederlande verfolgten bis zu einer strengeren Politik, die von Frankreich favorisiert wurde. Das Dilemma besteht darin zu entscheiden, welche dieser politischen Richtlinien angenommen werden sollten, um eine vereinheitlichte Drogenpolitik zu erreichen. Diese Konfliktsituation wurde gelöst, indem man sich mittels der legalen Grundlage der EU auf UN-Konventionen berief. Dies bedeutet, dass alle Beitrittsländer alle EU-Maßnahmen akzeptieren müssen und ähnliche Institutionen wie die der EU im jeweils eigenen Land schaffen müssen, insbesondere in Fragen der Goldwäsche und Anti-Drogen-Programme (Artikel 19 des Schengen-Abkommens). Seit dem 1. Mai 1999, dem Inkrafttreten des Schengen- Abkommens, sind alle Mitgliedstaaten und alle Länder, die zukünftig beitreten werden, von den oben genannten Harmonisierungsmaßnahmen betroffen (Boekhout van Solinge 2002).

Unterschiedliche Regierungen haben weltweit das Drogenverbot mit überzeugenden Anti-Betäubungsmittel-Kampagnen sowie mittels der gekonnten Darstellung der Wirkungsweise von Drogen unterstützt, um eigene Ziele zu erreichen. Das Drogenproblem ist in der Tat ein praktischer politischer Gegenstand: Es ist der Inbegriff eines guten Grundes, um einen Kreuzzug zu rechtfertigen, mit dem es einfacher ist, eine moralische Ideologie zu artikulieren, deren Botschaft einer verheerenden und tatsächlichen Gefahr gut durch Sensationen unterstützt wird und das Drogenproblem schlimmer darstellt, als es wirklich ist. Diese Strategie ermöglicht es den Behörden, die Nebenwirkungen des Drogenkonsums zu beschreiben und dabei zu übertreiben.

Drogen werden als dämonisch, schlecht, unmoralisch, als eine Plage, eine Bedrohung der Menschheit bezeichnet, was sie zur „logischen“ Quelle aller sozialen Probleme macht – von AIDS bis Terrorismus. Viele Regierungen haben diese Kreuzzüge als Möglichkeit genutzt, die Macht der Polizei und des Militärs in fast jedem Bereich zu vergrößern. Heute ist es möglich, geheime Überwachungsaktionen beinahe überall durchzuführen, da Drogengeschäfte allerorten abgewickelt werden können. Drogen spielen auch eine Rolle bei der Entstehung von non-political policies. die es ermöglichen, Mitglieder unterschiedlicher politischer Parteien von den ganz Linken bis zu den ganz Rechten des politischen Spektrums zu vereinigen. Bei der Drogenfrage, zum Beispiel, ist die Überzeugung der Politiker unterschiedlicher Ideologien für die positive Seite des Verbots weitergegangen als bei jedem anderen Thema: Dem Staat wurde die Erlaubnis erteilt, als Merkmal einer guten Regierung die moralischen Angelegenheiten zu überwachen und auf das Allgemeinwohl der normalen Bevölkerung zu achten (Levine 2003).

Trotz des starken politischen Drucks von Seiten der USA auf das Drogenverbot und seine Befürworter zeigt die geschickte Handlungsweise der Entscheidungsträger unterschiedlicher Disziplinen bei Drogen, wie das internationale Drogenverbot zustande kam und in welcher Form es weiter existiert. Sowohl bürokratische als auch politische Zwänge spielen eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung des vorhandenen Systems. Trotzdem gibt es die gegenwärtige Tendenz, dass Mitgliedstaaten überprüfen, ob sie den UN-Abkommen zur Drogenkontrolle folgen wollen.

Die scheinbare Harmonie der Struktur der internationalen Drogenpolitik verdeckt die internen Unstimmigkeiten und den Konflikt innerhalb des Systems. Es können zwei verschiedene Ländergruppen identifiziert werden. Die Europäer, was verwirrenderweise einige nichteuropäische Länder, wie Australien, Neuseeland, Kanada und Brasilien, aber nicht alle europäischen Länder mit einschließt, gehen an ihre nationale Drogenpolitik mit einer Art von Toleranz und Pragmatismus hinsichtlich der Drogenprobleme heran, während die amerikanische Gruppe, angeführt von den USA, einschließlich Japan, dem ehemaligen Sowjetblock und einiger europäischer Länder, wie Schweden, eine strengere Haltung bevorzugen und einnehmen. Diese zwei Gruppen zeigen einen deutlichen Unterschied im Umgang mit dem Drogenproblem und stellen eine ablehnende Stimme zur Machtstruktur dar, die von der amerikanischen Gruppe dominiert wird. Diese wiederum spielt eine wichtige Rolle bei der Blockierung von Initiativen zur Änderung des Systems.

Die UN-Abkommen erlauben die Revision der Verträge, die entweder durch Modifizierung oder durch Zusatzartikel („Amendment“) erfolgen kann. Modifizierung bedeutet die Neuauflistung von Drogen, die bereits entsprechend ihrer Eigenschaft, Abhängigkeit oder Missbrauch zu verursachen und in ihrer Qualität für eine therapeutische Behandlung, wie sie durch die Abkommen festgelegt worden sind. „Zusatzartikel“ stehen für die Einführung von Veränderungen ; n den Abkommen, die die Beteiligten beeinflussen, von einem Wort bis zu einem kompletten Artikel. Diese zwei Überarbeitungsmethoden sind problemlos durch die Befürworter der prohibitionistischen Gruppe, insbesondere durch die USA, manipuliert worden. Diese haben alle Initiativen blockiert, die das System verändern würden. Die Macht, die Neuauflistung anzunehmen, liegt in den Händen der CND, bestehend aus 53 Mitgliedstaaten, von denen die meisten die prohibitionistische Haltung unterstützen, was eine Genehmigung der Neuauflistung durch die UN unwahrscheinlich machen würde. Selbst wenn die CND die Neuauflistung akzeptiert, hält es die Befürworter des Verbotes nicht davon ab, Änderungen zu blockieren. Zum Beispiel, unter Punkt 8a des Artikels 3 des UN-Abkommens von 1961, kann jedes Land die CND dazu bringen, eine Entscheidung unter Berücksichtigung des ECOSOC zu treffen, aber das letzte Wort hat der ECOSOC, indem er die getroffenen Entscheidungen der CND entweder bestätigt, ändert oder aufhebt. ECOSOC setzt sich aus 54 Mitgliedern zusammen, deren Position immer dieselbe ist wie in der CND, so dass es keinen Grund gibt zu erwarten, dass sie sich anders als in der CND verhalten. Hanf und Kokain stellen ein weiteres Problem dar. Artikel 2 des Abkommens von 1961 erlaubt die Re-Klassifikation der zwei Drogen. Der Widerspruch besteht aber darin, daß nur Änderungen beim Verbrauch berücksichtigt werden. Modifikationen, die die Produktionsseite betreffen, wie das Sammeln von Blättern, der Anbau von Mohnblumen und Kokapflanzen, werden hingegen nicht zugelassen. Infolgedessen könnte die CND Änderungen auf der Verbraucherseite berücksichtigen, kann aber keine Änderungen beim Anbau der Pflanzen annehmen.

Die Revision eines Vertrags durch Zusatzartikel folgt einer anderen Handlungsweise, aber hat das gleiche Ergebnis wie bei der Modifikation. Jedes Land kann den Generalsekretär über einen „Amendment“ – Vorschlag und die Gründe hierfür informieren. Der Generalsekretär teilt es dann den Beteiligten und dem Rat mit. ECOSOC kann entweder eine Sitzung einberufen, um den Antrag zu überdenken oder die Beteiligten direkt um ihre Meinung hinsichtlich des Vorschlages befragen. Falls nach 18 Monaten kein Beteiligter ihn zurückgewiesen hat, tritt der Vorschlag in Kraft. Dieses ist jedoch wegen der überwältigenden Unterstützung für das Verbot innerhalb des Systems ein unwahrscheinliches Ergebnis. Selbst wenn nur ein oder zwei Beteiligte, was am wahrscheinlichsten ist, den Zusatzartikel zurückwiesen und es beim ECOSOC zur Überprüfung einreichen, hängt es von der Organisation ab, entweder eine Konferenz einzuberufen oder den Zusatz für eine weitere Bearbeitung in Betracht zu ziehen. Auch wenn ECOSOC eine Konferenz einberuft und das Problem der Kosten beigelegt worden ist, gibt es keine Garantie, eine Vertragsrevision von großer Tragweite zu erzielen, weil die Macht der Gegner der Vertragsrevision derart ist, dass sie die Konferenz als Gelegenheit nutzen kann, das Verbotssystem zu stärken (Bewley-Taylor 2003a: 172-176). Es gibt auch die Möglichkeit des Rücktritts von den Verträgen. Dieser Weg bietet zwei Optionen: (a) Kündigung des Vertrags; und (b) individueller Rücktritt. Der ersten Option stehen grundlegende Hindernisse gegenüber. Zum Beispiel benötigt das Abkommen von 1961 mindestens 40 Unterzeichner, um in Kraft zu bleiben. Um einen Kündigungsantrag zu unterzeichnen, müßten von den 179 Nationen, die Unterzeichner des Abkommens waren, 140 Nationen diesem zustimmen – eine fast unmöglich zu erfüllende Aufgabe. Überdies kann das Abkommen von 1988 nie abgeschafft werden, weil es keine Auflösungsklausel enthält. Es bleibt in Kraft, selbst wenn es nur einen Unterzeichner gibt (Artikel 55 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge). Die zweite Möglichkeit ist ebenfalls unwahrscheinlich. Obwohl einzelne Rücknahmen formal angenommen werden, müssen sich jene Länder, die sich entschieden haben, vom Vertrag zurückzutreten, der Opposition der USA-UN, insbesondere der INCB, stellen. Zudem gibt es immer die Bedrohung irgendeiner Art ökonomischer und politischer Sanktionen durch die USA, sogar Kürzungen von Hilfen mit sozioökonomischen Konsequenzen sowie die Schädigung des Ansehens der USA selbst innerhalb der internationalen Gemeinschaft. Die Konsequenzen, die aus einseitiger Kündigung resultieren, unterscheiden sich von Land zu Land. Im Allgemeinen sind die sogenannten Industrieländer in einer besseren Position, den Druck auszuhalten, der von der USA-UN kommt. Obgleich die Unzufriedenheit in vielen Ländern hinsichtlich der zugrunde liegenden Voraussetzungen zunimmt, die im internationalen Drogenkontrollsystem verwendet werden, scheint es unwahrscheinlich, dass eine formale Änderung in der Drogenkontrollpolitik aufgrund der oben erwähnten Verfahren eingeführt werden könnte. Obwohl diese Länder die Vereinten Nationen ironischerweise als das Hindernis bei der Einführung einer toleranteren Haltung wahrnehmen, können die UN-Drogenabkommen zu ihrem Vorteil interpretiert werden, da es einen Auslegungsspielraum gibt.

Dieses erlaubt einem Land, die Flexibilität des Gesetzesrahmens auszunutzen, um die nationalen Gesetze durchzusetzen, die mehr mit einer toleranten Vorstellung des Drogengebrauches übereinstimmen. Zum Beispiel erlaubt Artikel 4c des Abkommens von 1961 den Gebrauch jeder kontrollierten Droge zu wissenschaftlichen oder medizinischen Zwecken, aber definiert nicht, was dieses im Detail ist. Dieses ist ein Bereich, der von vielen Ländern ausgenutzt wird, welche Strategien zur Risikominimierung anstreben: Austausch und Verteilung von Nadeln und Spritzen, die Verschreibung von Heroin, Spritzräume und so weiter. Letztere beinhalten Länder, wie das Vereinigte Königreich, die Schweiz, Kanada, die Niederlande und andere, die einige Maßnahmen nach diesen Grundsätzen eingeführt haben und dies in voller Übereinstimmung mit dem internationalen Kontrollrahmen sehen. Das geschieht trotz der Kritik durch den INCB, der die Ansicht vertritt, dass diese Verfahren nicht nur gegen den Geist der Abkommen verstoßen, sondern auch den Drogenhandel erleichtern, was wiederum ihre Verpflichtungen und ihr Engagement vernachlässigt, gegen den unerlaubten Drogenhandel in allen seinen Formen zu kämpfen. Jedoch hat solch ein Spielraum seine Grenzen, da das Hauptziel der UN-Konventionen die Zunahme der globalen Drogenverbote ist, mit Ausnahme der für medizinische oder wissenschaftliche Zwecke zu verwendenden Betäubungsmittel. Dies läßt keinen Raum für die Einführung von Veränderungen für den legalen Freizeitverbrauch.

Es gibt auch die Ansicht, dass die UN-Abkommen vollziehender Natur oder Verträge indirekter Anwendbarkeit sind, was bedeutet, dass obwohl die Bestimmungen dieser Verträge die Anwendung des internationalen Gesetzes auferlegen, die Bedingungen dieser Verpflichtungen in Übereinstimmung mit nationalen konstitutionellen und anderen Rechtsstandards von den Staaten frei zu interpretieren sind. Außerdem können Länder den UN-Konventionen in der Befolgung des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (1969) treu bleiben, welches von den Staaten erwartet, Verträge in gutem Glauben auszulegen und seine „Ziele und Zwecke“ zu respektieren. Diese Überlegungen implizieren, dass Länder einen bestimmten Spielraum haben, ihre eigene inländische Drogenpolitik zu formulieren – trotz der Verpflichtungen den UN-Abkommen gegenüber. Dieses erklärt die Unterschiede in der Drogenpolitik innerhalb der europäischen Länder, die auf der individuellen Auslegung der UN-Drogenabkommen basieren. Während einige dieser Auslegungen mit dem Wesen der Abkommen kollidieren könnten, haben die Mitgliedstaaten einen guten Grund, zu behaupten, dass sie sich in Übereinstimmung mit den von der internationalen Gesetzgebung aufgestellten Parametern verhalten. Der INCB, der für die Überwachung der Arbeitsweise der Verträge verantwortlich ist, besitzt keine formale Macht, die Beteiligten entweder zu zwingen oder sie für ihre Zuwiderhandlung zu bestrafen. Das Argument für die Liberalisierung von Cannabis ist ein gutes Beispiel, das von vielen europäischen Ländern als wünschenswerter und praktischer Ansatz betrachtet wird. Der INCB sieht darin eine Politik, die den Zielsetzungen der internationalen Drogenkontrollabkommen widerspricht.

Im April 2003 trafen sich verschiedene Länder, um das Ergebnis des Planes zu überprüfen, der von der UN-Generalversammlung 1998 unter dem Motto „Eine drogenfreie Welt bis 2008″ vorgestellt wurde. Der von 116 Ländern unterzeichnete Bericht zeigte, dass es eine stetige Stabilisierung oder eine geringfügige Abnahme des Kokainverbrauchs gegeben hatte. Der Konsum von Marihuana und anderen unerlaubten synthetischen Drogen, wie Amphetamine, Methamphetamine und Ecstasy, hatte in zahlreichen Ländern zugenommen. Der Bericht deckte auch auf, dass statt eines Fortschritts in Richtung einer „drogenfreien Welt“, Drogenkonsum, Verbrechen in Verbindung mit Drogen und andere soziale Nebeneffekte in Industrie- und Entwicklungsländern anstiegen. Außerdem bedrohte die Strategie, die von den UN-Kontrollverträgen vertreten wurde, die Bemühungen um eine Verhinderung der Ausbreitung von AIDS, weil sie die Länder von der Verfolgung wirkungsvoller öffentlicher Gesundheitsmaßnahmen abschreckten. Der Bericht stellte fest, dass die Drogenkontrollpolitik der UN-Drogenabkommen nicht einwandfrei waren, und dass der Krieg gegen Drogen nicht gewonnen werden könne.

Trotz der zunehmenden Unzufriedenheit und der Möglichkeit der Einführung geringer Änderungen bleibt das System der UN bestehen. Wir haben gesehen, dass es nicht einfach ist, Änderungen, geschweige denn dem System gegenüber radikale Veränderungen einzuführen, besonders für die Länder, die nicht in der Lage sind, ökonomische und politische Konsequenzen einer solchen Einstellung zu riskieren. Für eine Anzahl von Ländern kann es theoretisch möglich sein, sich zusammenzutun, um das gegenwärtige System zu blockieren. Die Wahrscheinlichkeit dieses zu tun, ist aber gering, weil es den Zusammenbruch der UN verursachen könnte und viele Länder nicht bereit sind, so weit zu gehen. __________________________________________

Bewley-Taylor, David R. (2003a). Challenging the UN drug control conventions: problems and possibilities. International Journal on Drug Policy, 14, 171-179.

Boekhout van Solinge, Tim. (2002). Drugs and decision-making in the European Union, [online]. CEDRO/Mets en Schilt. Amsterdam. Retrieved 22-09-03, 2003, from the World Wide Web.

Jelsma, Martin. (2003). Drugs in the UN System. The unwritten history of the 1998 United Nations General Assembly Special Session on drugs. International Journal o/’Drug Policy, 14, 181 -195.

Levine, Harry G. (2003). Global drug prohibition: its uses and crises. International Journal of Drug Policy, 14(2), 145-153.

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert