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Tabak – Geschichte und Kuriositäten

Aníbal Ramírez | | Artikel drucken
Lesedauer: 11 Minuten

Die Tabakpflanze hat ihre historischen Wurzeln in Amerika – Fachleuten zufolge reicht ihr Ursprung 8000 Jahre zurück. Bereits im ersten Jahrtausend unserer Zeitrechnung wurde Tabak in verschiedenen Formen konsumiert, so z.B. als aufgerollte Blätter, in Pfeifen, als Schnupftabak und als Kautabak. Ein Paradebeispiel: Auf dem Territorium von Guatemala wurde ein aus Lehm gebranntes Gefäß gefunden, auf dem eine Mayafrau abgebildet war, die gerollte und mit einer kleinen Schnur zusammengebundene Tabakblätter rauchte.

Der Tabakkonsum auf dem amerikanischen Kontinent in der präkolumbianischen Ära hatte eine völlig andere Bedeutung als der Konsum von Tabak nach dessen Einführung auf dem europäischen Kontinent und in anderen Teilen der Erde. Für die amerikanischen Ureinwohner war der Tabak ein wichtiger Bestandteil religiöser Feierlichkeiten und Rituale: Sie betrachteten das Rauchen als eine Möglichkeit, mit den Gottheiten in Kontakt zu treten. Er spielte auch eine wichtige Rolle für die Einheit und Stärkung der Gemeinschaft – die brasilianischen Ureinwohner rauchten Tabak während ihrer Kriegstänze. Man war der Meinung, dass der Tabak ihnen körperliche und geistige Kräfte verleihe; und die nordamerikanischen Indianer rauchten, um ihre Freundschaft mit anderen zu bekräftigen und um Verträge oder Vereinbarungen zu besiegeln. Außerdem schrieben einige indigene Völker dem Tabak medizinische Heilkräfte zu. Die Mayas zum Beispiel dachten, dass böse Geister Krankheiten verursachten, indem sie sich des Körpers bemächtigten, und dass man diese Krankheiten nur durch Austreibung der Geister heilen könne – eine Möglichkeit dazu sah man im Tabakrauch. Darüber hinaus war der Tabak natürlich auch damals schon ein Genussmittel.

Die Etymologie des Wortes Tabak ist umstritten. Kommt es von Tabasgo, einer kleinen Antilleninsel, oder von Tabasco, einem mexikanischen Ort in der Nähe der Halbinsel Yukatán, dessen Einwohner den Tabak als cohivá bezeichneten und wo angeblich die ersten Tabakpflanzen vorgekommen sein sollen? Oder hat das Wort seinen Ursprung in einer karibischen Indianersprache, dem Taína, mit dem die Spanier im 16. Jh. in Berührung kamen, bevor sie vom sayri hörten, dem Tabak aus den südamerikanischen Gebieten der Quechuas und Aymaras? Oder wurde er nach dem Gefäß benannt, das die Ureinwohner von Brasilien und Florida benutzten, um eine Pflanze mit dem Namen cohiboc und petun zu rauchen?

Havano Zigarre. Torcedera. (foto: Sven Werk)Die erste Erwähnung des Tabaks durch Europäer geht auf Christoph Columbus zurück, in dessen Schiffstagebuch man lesen kann: »Und mitten in dem Golf zwischen diesen beiden Inseln, nämlich der Santa María und der großen, der ich den Namen Fernandina gab, traf ich einen einzelnen Mann in einen Einbaum, der von der Insel Santa María zur Fernandina fuhr; bei sich hatte er ein bisschen von seinem Brot, etwa eine Handvoll, eine Kürbisflasche mit Wasser und ein wenig rote Erde, die er zu Pulver zerrieben und danach zu einem Teig geknetet hatte, und ein paar trockene Blätter – das muss eine große Delikatesse bei ihnen sein, denn sie brachten mir schon auf San Salvador ein paar davon als Geschenk, … « Einige Wochen später ergänzt er in seinem Tagebuch eine Information der Soldaten Rodrigo de Xerez und Luis de Torres, welche auf sein Geheiß das Innere der Insel Fernandina (heute bekannt als Cuba) erforscht hatten: »Die beiden Christen trafen auf ihrem Weg viele Leute, die durch ihre Dörfer zogen, Frauen und Männer, die glühende Scheite und Kräuter trugen, mit denen sie die bei ihnen üblichen Räucherungen vornahmen.« [1]

Es wird gesagt, dass es der bereits genannte Rodrigo de Xerez war, der die Gewohnheit des Tabakrauchens begründete. Der Preis, den er für das Rauchen zahlte, war hoch: Die Inquisition dachte, dass er vom Teufel besessen sei, und verurteilte ihn zu 10 Jahren Gefängnis. In der Zeit, die er im Gefängnis verbrachte, gewöhnten sich seine Landsleute an das Tabakrauchen.

Christoph Colombus brachte einige Tabakpflanzen mit nach Europa, die in den Gärten des königlichen Hofes und der spanischen Fürsten gediehen [2]. Die Spanier hörten bald von den heilenden Eigenschaften, die die amerikanischen Ureinwohner dem Tabak zuschrieben. Es ist überliefert, dass bereits im Jahr 1543 ein Universitätsprofessor aus Salamanca den Tabak wegen seiner Heilkraft empfahl. Eine andere historische Quelle belegt folgendes: »In Spanien lehrte an der Universität von Sevilla Nicolò Monardes, er beschrieb in einer im Jahre 1565 erschienenen Schrift eine Vielzahl von Krankheiten, die mit Hilfe des Tabaks geheilt werden könnten.« [3]

Von Spanien kam der Tabak nach Portugal, wohin Monsieur Jean Nicot 1559 reiste, um dort die französische Krone am portugiesischen Hof in Lissabon zu repräsentieren. Der französische Botschafter war gut befreundet mit dem Botaniker Damian de Goes, durch den er die Pflanze kennenlernte. Ihre Heilkraft interessierte ihn. Monsieur Nicot führte einige Versuche durch, welche ihn von der Heilkraft des Tabaks überzeugten. Charles Etienne berichtet: »Insbesondere ein Freund seines Kammerjungen wollte durch dieses Kraut von einer Wunde nahe der Nase geheilt worden sein. Nicot ließ sich den Jungen kommen, behandelte ihn noch zehn Tage weiter mit der Pflanze und beobachtete, dass die Wunde wirklich gänzlich ausheilte.« [4] Monsieur Nicot schickte der Königin Catherine de Medici (1519-1589) Tabak nach Paris, die ihn als Schnupfpulver gegen die Kopfschmerzen ihres Sohnes Karl IX. anwendete, der aus ihrer Ehe mit Heinrich dem Zweiten hervorgegangen war. Die Kunde von der heilenden Wirkung des Tabaks verbreitete sich in französischen Kreisen, in denen er unter dem Namen Catharinaire oder Herba Prioris bekannt war. Bereits 1570 benannte Charles Etienne die Pflanze Nicotiana. Der schwedische Botaniker Carl von Linné (1707-1778) nannte sie in seinem Buch Genera plantarum (1737) Nicotiana Tabacum. Erst 1828 wurde der Wirkstoff des Tabaks, das Nikotin, offiziell nach Nicot benannt.

Die Einführung des Tabaks in Italien war das Werk der Kardinäle Tornavona und Santa Croce, die die Tabakpflanze im Epikur-Garten züchteten.

In England soll es Sir Francis Drake gewesen sein, dem die Rolle zukam, den Tabak 1573 ins Land zu bringen. Es war indes der Dichter und Seefahrer Sir Walter Raleigh (1552-1618), Protegé der Königin Elizabeth I., der das Pfeiferauchen am englischen Hof populär machte, von wo es sich über die Insel verbreitete. Raleigh erkundete die nordamerikanische Ostküste und gründete den Staat Virginia, nach dem der dort gezüchtete Tabak benannt wurde. Sir Walter Raleigh fiel bei dem Nachfolger von Elizabeth, Jacob I. von England (1603-1625) in Ungnade. Der König beschuldigte ihn der Verschwörung und verurteilte ihn zum Tode, gewährte ihm jedoch einen Aufschub, um das sagenumwobene El Dorado zu suchen. Sein Scheitern bei diesem Unternehmen war gleichzeitig sein Ende. Der selbstherrliche Monarch befahl, die aufgeschobene Todesstrafe zu vollstrecken, und er wurde zum Schafott geführt, wo er vor seiner Enthauptung genussvoll eine Pfeife rauchte.

Bereits im 17. Jh. war der Tabak bereits weltweit verbreitet. Dennoch versuchten hier und dort Monarchen und Kaiser den Tabakkonsum zu verhindern und stellten ihn unter Strafe. Die Beispiele dafür sind zahlreich. Der Schah von Persien, Abbas der Große (1586-1628), berief sich auf den Koran und befahl, dass jedem Raucher die Lippen abzuschneiden seien. Der türkische Sultan Murad IV. (1609-1640) zögerte nicht, den Tabakkonsum zu verbieten und gegen Raucher die Todesstrafe zu verhängen – wobei er dieses Verbot dazu nutzte, um entweder seine Gegner oder jene aus dem Weg zu räumen, die seinem Besitzstreben im Weg waren. In China erging es den Rauchern auch nicht besser: Rauchen war verboten, und es gab eine Zeit, in der Rauchen auch mit dem Tode bestraft wurde. Der russische Zar Michail Fjodorowitsch Romanow (1596-1645) bestrafte die Raucher, indem er sie entweder auspeitschen oder gleich hinrichten ließ. Ebenso verbot Papst Urban VIII. (1568-1644) das Rauchen in den Kirchen und in deren Umkreis – wer das Verbot innerhalb der Kirchen übertrat, wurde exkommuniziert.

Eine interessante Herrscherfigur in der Geschichte des Tabaks ist der zuvor erwähnte Jacob I. von England. Dieser ehrgeizige Monarch, der keine Skrupel hatte, seine eigene Mutter hinrichten zu lassen, um König zu werden, schrieb ein Buch mit dem Titel Misocapnus sive de abusu tobacci (1604), in dem bereits die wichtigsten Argumente der heutigen Gegner des Rauchens versammelt sind. Darin wird auch bekräftigt, dass Rauchen eine Vergeudung von Kraft ist: »Das Erbgut manches jungen Edelmannes wird ganz erschöpft und verfliegt mit dem Dampf dieses Rauches rein in nichts. Dies geschieht in der schändlichsten und tierischsten Weise, indem sich das Gut durch die Nase des Herrn verflüchtigt und man so ganze Tage, Geld, Zeit, selbst Jahre mit dem Tabaktrinken vertut.« Darüber hinaus sei Rauchen schädlich für die Gesundheit: »Denn genau wie hysterische Weiber ihr Leben verbringen, so kennt Ihr infolge der Erschlaffung nur noch diese eine Sorge um Euer Laster: Dass Ihr Euch wieder und wieder dem in die Nase dringenden Rauch hingeben könnt.« [5] Und außerdem wird versichert, dass Rauchen eine Sünde ist und ein »lebendiges Beispiel und Muster der Hölle.« [6] Später wurde Jacob I. zu einem Förderer des Tabaks. Er schützte die Tabakplantagen in der Kolonie Virginia, wo die Engländer große Tabakplantagen hatten, und verbot den Import von Tabak aus den spanischen Kolonien und den Anbau des Tabaks in England selbst – damit schuf er schon 1624 ein Tabakmonopol.

Schließlich half jedoch kein Mittel gegen das Rauchen. Das Verbot und die Verfolgung der Raucher machte dagegen sogar jene zu Rauchern, die es noch nicht waren. In dieser Hinsicht muss man hinzufügen, dass die Position Frankreichs und Italiens sehr pragmatisch war. Sie verwendeten keine Zeit auf Moralpredigten, sie beschränkten sich darauf, von den Rauchern unter ihren Untertanen Geld zu kassieren, natürlich mit der Begründung, ihnen die Gesundheit zu erhalten. 1621 sprach sich der Kardinal Richelieu, französischer Staatsmann (1585-1642), dafür aus, den Tabak mit einer Steuer zu belegen: Auf diese Weise wurden die Raucher zur Kasse gebeten, und gleichzeitig respektierte man ihre persönliche Freiheit. Spanien folgte 1636 und schuf für die Erhebung der Steuer eine spezielle Institution. Bald folgten andere Länder diesem Beispiel. Ähnlich wie in England, Frankreich, Spanien und anderen Ländern bildeten sich Tabakmonopole [7].


Bildquelle: Sven Werk.

[1] Christoph Columbus: Schiffstagebuch. Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig 1980, S. 30 und 53. Es war Fray Bartolmé de Las Casas, der mit großer Genauigkeit beschrieb, was die Ureinwohner mit jenen Blättern taten: »Diese beiden Christen trafen auf dem Weg zahlreiche Leute, die durch ihre Dörfer gingen, Frauen und Männer, und die Männer trugen immer einen Feuerbrand in der Hand und bestimmte Kräuter, um ihre Räucherung vorzunehmen; es sind trockene Kräuter, die man in ein bestimmtes ebenfalls trockenes Blatt steckt nach Art eines Schwärmers, wie sie die Knaben zu Pfingsten basteln; und wenn es an der einen Seite angezündet ist, dann saugen oder schlürfen oder entnehmen sie am anderen Ende jenen Rauch, indem sie ihn einatmen: Damit schläfern sie ihre Glieder ein und berauschen sich fast, aber er sagt, dass sie die Müdigkeit nicht spüren. Diese Schwärme, oder wie man sie nennen soll, werden von Ihnen selbst Tabacos genannt. Ich habe auf der Isla Española Spanier kennengelernt, die sie zu verwenden pflegen und die, wenn man sie deshalb tadelte und sagte, dies sei ein Laster, antworteten, es stünde nicht in ihrer Macht, damit aufzuhören. Ich weiß nicht, welchen Nutzen oder Geschmack sie daran fanden.« Fray Bartolomé de las Casas: Historia General de las Indias, Buch I, Kapitel 46.

[2] Der Sevillaner Nicolás Monardes (1508-1588) war der erste, dem es gelang, die Pflanze in Spanien am Leben zu halten und gedeihen zu lassen.

[3] Joachim Acker: Der Tabak als Heilpflanze. In: http://www.pfeife-tabak.de/Artikel/Tabakkunde/Heilpflanze/heilpflanze.html. Der Inka Garcilaso schrieb in seinem Buch in Kapitel XXXV, das sich mit den Heilpflanzen beschäftigte, die die Quechua-Indianer kannten: »Die Pflanze oder Staude, die die Spanier tabaco und die Indianer sairi nennen, gebrauchten sie zu mannigfaltigen Zwecken. Das Pulver sogen sie durch die Nase ein, um den Kopf frei zu machen. Viele Vorzüge dieser Pflanze hat man in Spanien erfahren, und daher hat man ihr den Beinamen yerva sancta, das heilige Kraut, gegeben.« Garsilaso de la Vega: Wahrhaftige Kommentare zum Reich der Inka. Rütten & Loening, Berlin. 2. Auflage, 1986, S. 96.

[4] Zitiert aus Kai Precht und Hansjakob Baumgartner: Tabak, Gewohnheiten — Konsequenzen. Edition diá. St. Gallen/Berlin/São Paulo, 1993. S. 17.

[5] Feinde des Tabaks. In: http://www.geschichte-des-rauchens.de/Unten02.htm. Last updated, Januar 2003.

[6] Cf. Kai Precht und Hansjakob Baumgartner, op. cit., S. 21.

[7] In Frankreich war es Colbert, der 1674 das erste französische Tabak-Monopol hatte. In Spanien hatte sich der König über das Königliche Dekret von 1614 bereits die Rechte am Handel mit Tabak gesichert, und dafür wurden die notwendigen Instanzen geschaffen: die Königliche Tabakfabrik von Sevilla (1620) und die Königliche Manufaktur in Havanna (1717).

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