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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Ich wäre Fußballer

Gabriele Töpferwein | | Artikel drucken
Lesedauer: 15 Minuten

Leipziger Kinder über Lateinamerika

Also ganz am Anfang war da nur so eine Idee. Man kennt das ja: Die Redaktion sitzt zusammen und fabuliert (relativ) ziellos herum; das Thema ist gegeben, das Skelett gewissermaßen. Und damit der QUETZAL leben kann, braucht es noch das Fleisch. Neudeutsch, langsam kriegen wir das ja auch auf die Reihe, heißt das wohl brainstorming. Irgendeines der gestürmten Gehirne kam dann auf die Idee mit der Umfrage; so unter dem Motto: das hamwer doch schon mal gemacht.

An dieser Stelle wäre vielleicht eine Zwischenbemerkung ganz angebracht. Die treuesten QUETZAL-Leser und Leserinnen erinnern sich vielleicht noch an die Geschichte mit Angola, aus unserem allerersten Heft. Seinerzeit hatten wir recht wahllos Leipziger und Leipzigerinnen befragt, was sie denn so über Lateinamerika wüßten. Das Ergebnis war sehr interessant, soll hier jedoch nicht weiter dargestellt werden – man kann es schließlich selbst nachlesen, zu Hause im vielleicht noch vorhandenen QUETZAL Nr. l, in einer Bibliothek oder eventuell auch im Internet. Zur Erinnerung hier noch einmal der genaue Titel: An Gola genndsch morr dodsaufn…

Aber zurück zum Thema. Die Idee mit der neuen Umfrage wurde sofort mit großer Begeisterung aufgenommen, übrigens einstimmig, wenn mich mein schlechtes Gedächtnis nicht trügt. Jedenfalls sind mir keinerlei Gegenargumente erinnerlich. Wieso auch?! Es ist schließlich eher naheliegend, wenn man denn schon eine Zeitschrift zum Thema „Kinder in Lateinamerika“ macht, sich auch ein wenig zu informieren. Zum Beispiel darüber, was Kinder in Deutschland über Kinder in Lateinamerika wissen oder zumindest, was sie zu wissen glauben.

Erstens weiß man nach einer solchen Erhebung, worauf man im Heft eventuell etwas genauer eingehen sollte, um möglicherweise vorhandene Wissenslücken zu schließen. So eine Zeitschrift hat ja irgendwo auch einen Bildungsauftrag. Und zweitens war unsere oben erwähnte erste Umfrage alles in allem recht lustig, sowohl was die Befragung selbst als auch was die Ergebnisse betrifft. Der Ehrlichkeit halber (wir wollen uns wirklich nicht besser machen als wir sind) muß gesagt werden, daß dies neben der allgemein großen Neugierde wohl der Hauptgrund für die einhellige Begeisterung gewesen sein dürfte. Letzten Endes ist daran allerdings auch nichts auszusetzen. Schließlich haben schon klügere Leute als wir festgestellt, daß Erkenntnis Lust und Freude bringt, oder ging es da um Weisheit? Na, lassen wir das.

Jedenfalls haben wir zu guter Letzt die während des brainstormings herangewehte Idee ernsthaft aufgegriffen und in die Tat umgesetzt. Deshalb möchten wir uns an dieser Stelle ausdrücklich beim Gymnasium Leipzig-Paunsdorf bedanken, ohne welches diese Umfrage vermutlich nicht hätte realisiert werden können. Unser Dank gilt dem Direktor, den beteiligten Lehrerinnen und insbesondere den 71 Schülern und Schülerinnen der 5. bzw. 8. Klassen, denen Erkenntnis (oder Weisheit) mindestens genauso viel bedeutet wie uns. Ihr Spaß an der ganzen Sache war jedenfalls offensichtlich.

Um den Spaß in die Länge zu ziehen, soll im folgenden eine kurze Darstellung der Befragungsergebnisse gegeben werden – allerdings keine wissenschaftlich exakte, oder wie immer man es nennen will. Die zitierten Antworten sind insofern auch typisch, als die Vorstellungen der befragten Schülerinnen über Lateinamerika recht homogen sind. Aber nicht zuletzt war auch die Originalität der Antworten ein Kriterium für ihre Auswahl. Hier ist eine zweite Unterbrechung notwendig. Da wir den befragten Kids Vertraulichkeit zugesichert haben, erscheint bei wörtlichen Aussagen lediglich das Alter des Schülers/der Schülerin, gegebenenfalls auch der Name. Rechtschreibfehler haben wir stillschweigend korrigiert.

Nein, ich weiß nur, wo es ist

Hier muß zunächst festgestellt werden, daß sich die Fragen dieser Erhebung zum Teil mit denen aus dem Jahre 1992 decken, der Vergleichbarkeit wegen. Aber eben nur zum Teil Zum Beispiel hatten wir vorzeiten nicht danach gefragt, ob der Proband/die Probandin schon einmal in Lateinamerika gewesen sei. Bei der neuen kleinen Befragung war das unsere Einstiegsfrage, gewissermaßen das warm up. Inhaltlich hätten wir uns selbiges übrigens schenken können; damals müssen wir das geahnt haben. Lediglich zwei der 71 Kinder haben den Subkontinent schon einmal besucht – und von diesen beiden kennen wir nicht nur die vollen Namen, sondern auch die Adresse. Soweit dazu…

Ganz anders sah es bei der Frage nach einem konkreten Land aus, logisch – die meisten Länder dieser Erde kennt der Mensch eh nicht aus eigener Anschauung. Na gut, der Papst vielleicht… Insgesamt fielen den Schülerinnen 14 Länder ein, von welchen streng genommen nur acht Lateinamerika zuzurechnen sind. Bei Kalifornien haben wir ja noch ernsthaft überlegt, ob wir es schon gelten lassen, aber bei Kanada oder Südafrika war die Ablehnung einhellig. Und Neuspanien sagt man u.E. inzwischen auch nicht mehr, oder? Das Ergebnis, in eine ordentliche Form gebracht, kann man nebenstehender Grafik entnehmen. Ganz exakt ist diese natürlich auch nicht, schließlich sind wir nicht das Statistische Bundesamt. Es wird z.B. nicht deutlich, daß unsere Schüler und Schülerinnen mitunter mehr als nur ein Land zu nennen wußten. Das war immerhin fünfmal der Fall.

Aber eines ist wohl unschwer zu erkennen: Kinder lieben Brasilien. Brasilia, Karneval, Pelé – das alles hat aber auch wirklich etwas Faszinierendes, nicht nur für Kinderherzen. Wenn das Kind obendrein auch noch gute Augen hat, fällt es ihm auch nicht schwer festzustellen, wie das Land eigentlich heißt, das nach Aussage der anwesenden QUETZAL-Redakteure das größte auf dem Kontinent ist und wo obendrein auch noch portugiesisch gesprochen wird. Kinder sind da ganz ehrlich und bringen diese neu erworbenen Kenntnisse auch umgehend an den Mann bzw. die Frau. Schule funktioniert halt nicht anders. Am ehrlichsten war Susann aus der 5. Klasse: sie nannte Brasilien einzig und allein deshalb, „weil es mir auf der Karte als erstes auffiel.“ Und ihr Klassenkamerad Thomas meinte dazu: „Weil mir das gerade eingefallen ist. Ich weiß nicht viel über Brasilien, denn ich habe mich nicht viel damit beschäftigt. Aber ich habe schon mal was vom brasilianischen Regenwald gehört.“ Der brasilianische oder auch brasige Regenwald ist offensichtlich auch den Kleineren (wozu man Fünftklässler ja wohl noch zählen kann) ein Begriff, denn genannt wurde er mehr als einmal. Mitunter war das die einzige Information, die über Brasilien gegeben werden konnte.

Aber selbstverständlich fanden sich auch besser Informierte in den befragten Schulklassen, obgleich auffällt, daß die Informationsquellen oft die gleichen sein dürften. „In der Hauptstadt ist jedes Jahr der große Faschingsumzug. Ist das bekannteste Land in Amerika, und beliebtes Urlaubsziel. Und für den besten Fußball bekannt.“ (Rene, 13) „Es ist ein sehr schönes Land mit sehr vielen berühmten Fußballmannschaften.“ (Mario, 14) Ein wahrer Quell an Fakten war Michael aus Klasse 8, der ein rechter Genießer zu sein scheint: „Brasilien ist Fußballweltmeister geworden und außerdem das größte Land Lateinamerikas. Es hat gute Fußballspieler, guten Kaffee und gute Zigarren. Viel Regenwald ist in Brasilien.“ – Mal ehrlich Micha, rauchst du wirklich schon Zigarren? – Und ein weiterer Thomas aus der Fünften beschränkte sich auf das seines Erachtens Wesentliche; er wählte Brasilien, „weil es das Vaterland des Fußballs ist“.

Das Bild Brasiliens in den Medien besitzt allem Anschein nach nicht sehr viele Facetten und seine Vermittlung beschränkt sich auf wenige Fernsehsendungen. Die Kinder wissen sicher besser als ich, wie die einschlägigen Sportsendungen heißen. Unter diesem Aspekt betrachtet kann man wirklich glücklich sein, daß es noch einige andere Beiträge gibt, die sich der geographischen Bildung der Jugend widmen. Zum Beispiel die (mir bisher völlig unbekannte) Serie ‚Marienhof. „Da spielt ein Mädchen mit, das aus Brasilien stammt und in Deutschland bei einer Pflegefamilie wohnt. Brasilien scheint ein etwas armes Land zu sein.“ (Franziska, 14)

Wie ich kürzlich erfuhr, soll in diesem Zusammenhang auch die Reihe ‚Klinik unter Palmen‘ sehr zu empfehlen sein, die wurde sogar vom deutschen Entwicklungshilfeministerium mit 276.000 DM gesponsert. Was immerhin sieben Prozent des Etats für entwicklungspolitische Bildungsarbeit sind. So gesehen sollte der QUETZAL sein Konzept einmal ganz gründlich überdenken. Aber das nur nebenbei. Um das Thema abzuschließen, noch einige Blicke auf die Exoten unter den lateinamerikanischen Ländern, soll heißen, zu den Ländern, die weit seltener genannt worden sind als Brasilien. Favorit war hier noch Mexiko, das meist nur dann genannt wurde, wenn man das auch begründen konnte. „Früher haben dort die Azteken gelebt, bis sie von den Spaniern ausgerottet wurden. Die Hauptstadt ist New Mexico. Es liegt in Mittelamerika.“ (Alexander, 13) „Die größte Stadt der Welt liegt in diesem Land, Mexiko City.“ (Christian, 14) Und Carolin (10) informiert sich offensichtlich nicht nur im Fernsehen, denn sie las gerade ein Buch, in dem Mexiko eine Rolle spielt, und war sicher, daß dieses Land „auf jeden Fall“ zu Amerika gehört.

Generell schwieriger war es offensichtlich, wenn die Fragen ins Detail gingen, wie z.B. die nach lateinamerikanischen Tieren und Pflanzen. Eigentlich wollten wir solche Tiere und Pflanzen wissen, die erst nach der Eroberung Amerikas nach Europa kamen, aber eine solche Differenzierung war vermutlich, zumal bei den Pflanzen, doch zu schwierig; und wohl auch zuviel verlangt. Also ließen wir auch Pflanzen gelten, die jetzt in Lateinamerika heimisch sind, aber ihren Ursprung in anderen Regionen haben.

Als Favoritin unter den Pflanzen erwies sich mit 32 Nennungen die Kartoffel, was ja in jeder Hinsicht richtig ist. Der Erdfrucht folgen Kaffee (8), Kaktus (6), Mango (5) und Kakao (4). Interessanterweise wurde der Deutschen liebste Frucht -die Banane- nur einmal gewählt. Ebenso geringe Chancen hatten Urbäume und Sauerkraut. Bei den Tieren war es nach Bekunden der Kinder besonders schwer, weshalb wir dann – nebenbei bemerkt, völlig unprofessionell – einen vagen Hinweis auf ein hierzulande bei Kindern sehr beliebtes Haustier gaben, welches von den Indianern auch gegessen wird. Mit dem Ergebnis, daß besagtes Meerschweinchen elfmal genannt wurde und damit an der Spitze landete. Die Streuung war hier generell breiter, aber Gürteltier und Papagei kamen immerhin noch auf acht bzw. vier Punkte. Nicht gelten ließen wir Büffel und Grizzly, obwohl wir ihr Auftauchen durchaus verstanden, und auch der Hund hatte bei uns keine Chance. Übrigens wurde auch der Quetzal einmal genannt. Danke, Elisa.

An dieser Stelle sei abermals ein Einschub erlaubt. In allen befragten Klassen war Lateinamerika noch kein Unterrichtsstoff; mit Ausnahme der Zeit der großen Entdeckungen hatten die Schülerinnen in der Schule also so gut wie nichts vom Thema unserer Befragung gehört. So gesehen wissen sie ja eine Menge. Und was diese Zeit betrifft -also die der Entdeckungsreisen-, so kann man diese Population nur als absolute Spitze bezeichnen. Selbst wenn man anrechnet, daß wir wieder großzügig waren – das richtige Jahrhundert gültet! -, so haben doch immerhin 84% (in Worten: vierundachtzig) der Schülerinnen gewußt, wann Kolumbus Amerika entdeckt hat.

Zur Erinnerung: Vor vier Jahren, also im Jahr der Fünfhundertjahrfeier (!!!), waren das bei den befragten Erwachsenen lediglich 50%! Und, um hier gleich noch eine Vergleichspopulation heranzuziehen: Bei den Lehrern des Paunsdorfer Gymnasiums, die wir in die Befragung einbezogen, wußten auch nur drei Viertel (oder anders: 75%) die richtige Antwort. Wie war’s denn zur Abwechslung mit ein wenig Nachhilfeunterricht bei den Kindern? Nun ja, bei denen mag zwar schon einmal Christus Columbus der große Entdecker gewesen sein, aber wann dieser Christus auf großer Fahrt war, das wissen sie! Da sind sie sogar besser als Kolumbus selbst, der ja nicht einmal wußte, daß er Amerika entdeckt hatte, wie Elisa aus der Achten sehr richtig feststellte.

Im übrigen weiß die Mehrzahl die Entdeckungsreise auch historisch einzuordnen, wie die Antwort auf die Frage, warum denn Indianer eigentlich Indianer heißen, beweist. Fast achtzig Prozent lagen hier im Durchschnitt richtig, bei den Älteren waren es verständlicherweise deutlich mehr als bei den Kleinen. Die Antworten aus der 5. Klasse waren dafür meist von entwaffnender Ehrlichkeit. Wie anders soll man aber auch die Antwort von Thomas bezeichnen, der zugab: „Ich wußte es mal, aber ich habe es vergessen.“ Ansonsten heißen Indianer halt so, „weil sie in Indien leben“, „Tiere fressen und auch Tiere jagen“ bzw. „an den Manitou glauben“. Für all jene unter der Leserschaft, die es auch nicht besser wissen, sei zwecks Aufklärung die Antwort von Ali (13) zitiert. „Weil der Kolumbus eigentlich nach Indien fahren wollte, in Richtung Westen. Und als er dann auf Land stieß, dachte er, er war in Indien, also nannte er die Eingeborenen Indianer.“

Ich würde meistens meinen Sombrero übers Gesicht ziehen und schlafen

So stellt sich Martin (10) sein Leben vor, wenn er es in Lateinamerika verbringen müßte. Zugegeben, ein wenig gemein war es schon zu verlangen, sich ein Leben in einem Land vorzustellen, von dem man eh nicht gerade viel weiß. Um diese Gemeinheit deutlicher zu machen, hier die Frage noch einmal, langsam zum Mitschreiben: Stell Dir vor, Du wärst ein Kind in Lateinamerika, zum Beispiel in dem Land, daß Du genannt hast. Kannst Du uns beschreiben, wie Dein Leben dann aussehen würde?

Die Schülerinnen und Schüler nahmen die Frage ernst, lediglich 14 von ihnen paßten hier, meist mit der Begründung, daß sie sich das nicht vorstellen könnten bzw. sowieso lieber zu Hause lebten. Und bei den anderen könnte man die Antworten kurz zusammenfassen: Die Bilder gleichen sich. Es ist ein Bild von Lateinamerika in den Köpfen, daß vermutlich vor allem von den einschlägigen Medien vermittelt wird. Aber andererseits – woran denken Sie zuerst, wenn Sie Dritte Welt hören? Vielleicht daran: „Ich hätte ein anderes Essen. Andere Menschen mit einer anderen Sprache. Etwas ärmer als wie in Deutschland, d.h. alte Autos; Holzhäuser oder Strohhäuser, fast kein Geld. Wenn ich in Brasilien oder einem anderen Land wäre, würde ich mehr Tiere um mich haben, weil viele Teile noch unbewohnt sind. Wenig Industrie und keine Winter, d.h. nur hohe Temperaturen.“ (Jens, 15) „Vielleicht sehr arm, in einem selbstgemachten Haus aus Stroh und Blättern. Vielleicht auch hungrig und leicht gekleidet. Ich müßte dann Würmer, Heuschrecken und Käfer essen und war froh über so was. Ich meine, ich kann mir nicht vorstellen, so was zu essen, aber wenn ich hungrig bin!“ (Claudia, 13) Für manche wäre das Leben vielleicht nicht so einfach wie hier, aber dafür irgendwie idyllisch -so à la Neckermann und Rüdiger Nehberg (wegen der Heuschrecken). „Ich würde vielleicht nur mit einem Lendenschurz bekleidet durch den Wald streifen und Vögel mit Holzspeeren jagen.“, stellte sich Norbert (13) vor. Franziska (14) würde sich aus Bambus ein Instrument basteln und auf Elefanten durch den Fluß gehen. Jessica (10) könnte auf Palmen klettern und Kokosnüsse essen und das Leben in Amerika wäre für sie bestimmt „eine schöne Abwechslung“. Womit sie zweifellos Recht hat, wie immer es auch kommen sollte.

Wieder andere meinen, daß ihr Leben nicht so sehr viel bzw. überhaupt nicht anders wäre als hier. „Ich würde erst – leider- in die Schule gehen. Danach würde ich mit meinen Freunden spielen, quatschen usw. Eigentlich so ungefähr wie mein Leben jetzt aussieht. Da wird es garantiert nicht sehr große Unterschiede geben. Ich würde vielleicht reiten können, aber sonst bleibt das andere sicher gleich. Allerdings, wenn ich am Strand leben würde, würde ich jeden Tag mit Freunden baden, surfen, tauchen usw. Das kann man hier ja nicht.“ (Tina, 14) Der elfjährige Tino beschreibt recht detailliert seinen Schultag, den hiesigen, würde ich meinen; aufstehen, Schule, Hausaufgaben, Fußballtraining. Daran möchte er verständlicherweise nichts ändern.

Ja, der Fußball! Für manchen der Jungen gehört er halt zum Leben dazu, egal, wo man es lebt. Wer möchte nicht gerne einmal Weltmeister sein? Wie Brasilien. Mario (14), der diesem Beitrag den Namen gab, wäre garantiert Fußballer. „Vielleicht nicht viel Geld. Muß arbeiten gehen. Jeden Tag früh aufstehen, arbeiten gehen, kleines Haus. Geld sparen, um Essen zu kaufen. Ärmliche Kleidung“ lauten seine weiteren Stichworte. Sebastian (13) dagegen würde „zur Schule gehen und mit meinen Freunden Fußball spielen. Aber ich hätte auch schlechtere Wohnbedingungen und in der Schule hat man bestimmt auch nicht so gute Lernmit-tel wie in Deutschland“. Das Holzhaus mit dem Strand in der Nähe erhält den absoluten Vorzug, jedenfalls was die Behausung betrifft. Am Strand sollte das Haus aber schon sein – weil man dort so schön Fußball spielen kann.

Auffällig ist, daß für die Mehrzahl ein Leben in Lateinamerika unweigerlich mit Armut verbunden ist. Wobei der eine oder die andere auch schon einmal konkret den Maßstab für Armut anlegt.

„Mein Leben dort wäre total anders. Ich hätte dort keinen Computer und keine Videos.“ (Norbert, 13) „Ich würde sicher etwas ärmer leben als jetzt. Ich würde sicher keinen eigenen Fernseher oder Radio besitzen, aber trotzdem glaube ich, daß ich auch so glücklich sein könnte. Dort findet man schließlich auch Freunde. Wir würden sicher auch nicht irgendwelche Markenklamotten besitzen und jeden Tag so viel essen können. Aber wieso muß man denn reich sein, um glücklich, froh und zufrieden zu sein?“ Gute Frage, Juliane. Carolin (10) gehört zu den sehr Wenigen, die differenzieren und sich mehrere Optionen offenhalten. „Ich könnte mir es eigentlich nicht vorstellen, aber wir hätten bestimmt nicht sehr viel Geld. Und ich würde vielleicht auf einer Farm leben und meine Eltern züchten dann Rinder. In Lateinamerika ist es bestimmt staubig, aber es könnten dort auch große Straßen sein und vielleicht auch Hochhäuser. Wenn es so ist, dann hätten meine Eltern als Bankangestellte oder so etwas gearbeitet.“

Die meisten stellen sich vor, eventuell nicht zur Schule gehen zu können (was offenbar nicht immer als Verlust empfunden wird) und schon früh arbeiten zu müssen, bevorzugt auf dem Feld. Mädchen, und das finde ich doch interessant, schreiben recht häufig, daß sie wohl ihrer Mutter bzw. generell mehr im Haushalt helfen müßten. Da sie das so betonen, gehe ich einmal davon aus, daß dergleichen hier nicht unbedingt der Fall ist. Jungen kommen übrigens gar nicht erst auf so eine Idee. Die könnten sich eher vorstellen, auf dem Feld zu arbeiten und in die Fußstapfen des Vaters zu treten. Wie z.B. Alexander aus der achten Klasse, der schreibt: „Ich würde in früher Jugend anfangen, auf dem Feld zu arbeiten und dann, wenn mein Vater gestorben wäre, hätte ich seinen Platz als Bauer eingenommen.“ So wird halt jeder seiner angestammten Rolle gerecht.

Kurzum: Ich könnte jetzt endlos so fortfahren. Die Bilder von Lateinamerika in den Köpfen der Kinder sind Klischees und sie sind es auch wieder nicht. Auf jeden Fall sind sie aber irgendwie eindimensional, auf Urwald und Armut beschränkt – wie aus dem Reisekatalog halt, wo ja selbst Armut irgendwie pittoresk wirkt.

Viel Arbeit also für den vorliegenden QUETZAL. Viel zu viel, möchte ich meinen. Aber irgendwo muß man ja anfangen …

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