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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Linke Politik in Uniform?

Peter Gärtner | | Artikel drucken
Lesedauer: 13 Minuten

Überlegungen zum „linke Militärs“ in der neueren Geschichte Lateinamerikas

Das Phänomen „linke Militärs“ besitzt eine doppelte Unscharfe, was seine genauere Untersuchung zu einem schwierigen Unterfangen werden läßt. Weder Adjektiv noch Substantiv sind in ihrer Anwendung genau umrissen. „Links“ zeigt zunächst nur eine politische Richtung an und setzt in seiner sinnvollen Verwendung die genaue Bestimmung des Ausgangspunkts voraus. Aber auch „Militär“ kann vom Soldaten bis zum General, vom Individuum oder von einer Gruppe von Uniformträgern bis zur Institution Armee reichen. Der hier unternommene Versuch, dem noch unscharfen Phänomen Konturen zu geben, kann bestenfalls eine grobe Skizze liefern, deren wenige Striche ergänzungs- und korrekturbedürftig bleiben.

Geht man beim Phänomen „linke Militärs“ vom vorliegenden historischen „Tatbestand“ aus, dann weist dieser in Lateinamerika des 20. Jahrhunderts drei Varianten auf. Sie reichen vom revolutionären Aufbegehren radikalisierter Minderheiten von Soldaten und unteren Offiziersrängen gegen die Institution Armee (Brasilien 1922-27, Chile 1931/32, Guatemala 1960, Dominikanische Republik 1965) über reformistische Experimente der Armee als Institution (Peru, Ekuador, Bolivien, Panama, Honduras zwischen 1968-1978) bis hin zum Aufbau „linker“ Armeen aus aufständischen Guerilleros im Zuge erfolgreicher Revolutionen (Kuba 1959, Nikaragua 1979). Trotz dieser enormen Spannbreite enthält das vorliegende „Angebot“ ausreichend Ansatzpunkte für eine erste Systematisierung.

So erhebt sich zunächst die Frage, warum es nur in bestimmten Ländern Lateinamerikas zu einem „Linksschwenk“ (von Teilen) der bislang rechts, d.h. auf die Sicherung und den Erhalt der traditionellen Ordnung ausgerichteten Armee gekommen ist. Die Mehrzahl blieb davon verschont oder erlebte die „Linksputsche“ seiner „jungen Offiziere“ als kurzzeitiges Abenteuer ohne nachhaltige Resonanz.

Zweitens verlangen die deutlichen Unterschiede, die die verschiedenen Links-Varianten in Charakter, Konsequenz und Reichweite aufweisen, nach einer differenzierten Darstellung. Nur auf diesem Wege läßt sich zeigen, wie Chancen und Blockaden linker Aktion in der Armee und durch die Armee im konkreten Fall verteilt sind. Von besonderem Interesse ist dabei, wie die Armee auf linke Militärs inner- und außerhalb ihrer Reihen reagiert und bis zu welchem Punkt die Institution Armee mit linker Politik vereinbar ist.

Drittens wirft der Zusammenbruch des Sozialismus das Problem auf, welchen Veränderungen „linke Armeen“ sowohl bei Erhalt (Kuba) als auch bei Verlust der revolutionären Macht (Nikaragua 1990) unterworfen sind. Inwiefern kann der revolutionäre Ursprung einer „linken Armee“ im Zuge ihrer institutionellen Normalisierung (Standesinteressen, Professionalisierung) oder von Regierungs- und Machtwechsel überdauern?

Linke Militärs 1: Wie und Wann?

Ein Blick zurück zeigt, daß „linke Militärs“ -egal in welcher Variante – im kontinentalen Maßstab die Ausnahme waren und sind. Nur in zwei Fällen gelang die revolutionäre Neugründung der Armee aus linken, marxistisch orientierten Guerillaverbänden (Nikaragua, Kuba). In zwei anderen revolutionären Fällen (Mexiko 1910, Bolivien 1952) konnte die alte Armee zwar zerschlagen, eine in Geist und Funktion neue jedoch auf Dauer nicht durchgesetzt werden. Schnell „normalisierten“ sich die ursprünglich revolutionären Militärs, indem sie sich „territorialisierten“, d.h. in den Dienst zahlungsfähiger Latifundisten traten oder selbst welche wurden. Eine Ideologie, die wie der auf soziale Gleichheit gerichtete Marxismus in Kuba und Nikaragua, der persönlichen Bereicherung wenigstens Schranken setzte, existierte in Mexiko und Bolivien nicht.

Linke Minderheiten von Soldaten und Offizieren, die im Kampf gegen die rechts verharrende Institution Armee standen, mußten sich in der Regel geschlagen geben, ohne ihre Vorstellungen durchsetzen zu können.

Dort, wo „linke Militärs“ innerhalb der Institution Armee und über sie im jeweiligen Land politisch wirksam werden konnten, blieben sie in der Minderheit, was ihnen als Linke zeitlich wie inhaltlich enge Grenzen setzte. So konnten sich reformorientierte Offiziere in Peru (unter Velasco Alvarado 1968-1975), Honduras (unter Lopez Arellano 1972-1975), Panama (unter Torrijos 1968-1978), Ekuador (unter Rodriguez Lara 1972-1975) und Bolivien (unter Torres 1970/71) zwar innerhalb der Armee durchsetzen, wurden aber schon nach wenigen Jahren von ihren rechten Offizierskollegen gestürzt oder/ und rückten von selbst wieder nach rechts, indem sie vom eigenen Reformprogramm Abstand nahmen.

Dennoch markieren die 60er Jahre eine deutliche Zäsur in der politischen Ausrichtung der Institution Armee in den genannten Ländern, die von kontinentaler Bedeutung war und mit ähnlichen Entwicklungen im afroasiatischen Raum (seit den 50er Jahren) korrespondierte. Erstmals übernahm 1968 in Peru die Armee als Institution die Regierung, um ein Reformprogramm durchzusetzen, das auch die kühnsten Erwartungen der zeitgenössischen Linken in den Schatten stellte. Die direkte Konfrontation mit nordamerikanischen Multis (Besetzung der Raffinerie der International Petroleum Company am 9. 10. 1968) bis hin zur Nationalisierung sowie die nach Mexiko und Kuba radikalste Agrarreform (Gesetz vom 24. 6. 1969) auf dem Subkontinent waren die Markenzeichen des peruanischen Militärreformismus.

In Honduras (Agrarreform 1975) und Panama (neuer Kanal vertrag mit den USA 1977) blieben die antioligarchischen Reformen und antiimperialistischen Nationalisierungen in der Summe deutlich hinter dem peruanischen Schrittmaß zurück, während in Bolivien faschistoide Militärs unter General Banzer die Reformmilitärs schon nach kurzer Zeit stürzten.

In der an jähen Wendungen und Überraschungen gewiß nicht armen Geschichte der latein-amerikanischen Armeen stellte der peruanische Militärreformismus ein Novum dar. Neu war zum ersten, daß nicht ein Caudillo an der Spitze der Bewegung stand, wie das noch beim Militärpopulismus der 50er Jahre (Peron in Argentinien) der Fall war, sondern die Armee als Institution politisch intervenierte. Und zwar zweitens mit dem erklärten Ziel, die bestehende Ordnung so umzuwandeln, daß „eine echte soziale Gerechtigkeit und eine rasche nationale Entwicklung möglich werden“.

Zuvor waren solch radikale Maßnahmen, die zum Programm fast aller linken Gruppen Lateinamerikas gehörten, nur durch den Bruch mit der Institution Armee und im Kampf gegen sie zu haben. Die Tenentes in Brasilien versuchten zwischen 1922 und 1927 über isolierte Militäraufstände den Sturz der Regierungen Pessoa und Bernardes zu erwingen, um auf diesem Wege Reformen durchzusetzen. Der Marsch der Kolonne Prestes 1924-27 ging als Höhe- und Schlußpunkt der revolutionären Militärbewegung Brasiliens in die Geschichte ein.

In Chile folgte 1932 auf den gescheiterten Matrosenaufstand von 1931 die Ausrufung der „Sozialistischen Republik“ durch radikalisierte Militärs (Junta unter Grove und Davila), denen es jedoch an Organisation und Programm mangelte. Die spontan entstandenen Arbeiter- und Soldatenräte blieben führerlos und ein Putsch rechter Militärs ebnete schon wenig später den Weg zur Rückkehr der oligarchischen Republik.

Während sich die revolutionären Militärs der 20er und 30er Jahre im Unterschied zu den Militärreformisten der 60er Jahre zwar mit Aufständen gegen die Institution Armee gewandt hatten, aber ihrer Herkunft und ihrem Selbstverständnis nach Soldaten blieben, war in Kuba (1959) und Nikaragua (1979) die vollständige Zerschlagung der alten Armee Voraussetzung für die Durchsetzung der notwendigen Veränderungen, die hier zudem sehr schnell revolutionären – und nicht nur reformerischen -Charakter annahmen. An die Stelle der dem Diktator hörigen Prätorianergarde, die nicht einmal zu selbständigen, geschweige denn reformerischen Aktionen fähig war, trat eine revolutionäre Armee, die aus den siegreichen Partisanenverbänden hervorgegangen war. Der reaktionäre und servile Charakter der Armee in Batistas Kuba und Somozas Nikaragua schloß von vornherein jede linke Regung in ihren Reihen aus. Unzufriedene Elemente konnten schnell denunziert und „ausgemerzt“ werden.

Linke Militärs 2: Warum?

Repräsentieren vollständige Reformabstinenz der Armee (Typ „Prätorianergarde“) oder linke Aufstandsversuche radikalisierter Minderheiten von Soldaten und Offizieren gegen ihre eigene Institution (Spaltung der Armee) in (vor)revolutionären Krisenzeiten noch lateinamerikanische Normalität, so bedarf das Phänomen des Militärreformismus einer gesonderten Erklärung. Erstmalig rückt die gesamte Institution -wenn auch nur zeitweilig und mit unterschiedlichem Engagement – vom traditionellen Selbstverständnis und der bisherigen Traditionslinie der lateinamerikanischen Militärs ab und vollzieht einen Linksschwenk. Zeitpunkt (Mitte 60er bis Mitte 70er Jahre) und Länderfälle (Peru, Honduras, Panama, Ekuador, Bolivien), deren vergleichende Untersuchung hinsichtlich des Militärreformismus bedauerlicherweise noch aussteht, können nur erste Anhaltspunkte für eine solche Erklärung liefern:

a) Auftauchen und Wirksamkeit des Militärreformismus fallen mit einer Umorientierung der US-amerikanischen Außenpolitik zusammen, der Kennedy nach dem Sieg der kubanischen Revolution mit der Verkündung seiner „Allianz für den Fortschritt“ den entsprechenden konzeptionellen und propagandistischen Rahmen zu geben versucht. Reformen werden nunmehr als Maßnahmen zur Revolutionsvermeidung akzeptiert, zeitweise sogar gefördert. Selbst die Nationalisierung nordamerikanischer Erdölmultis in Peru wird von der USA-Regierung, wenn auch mit Murren, hingenommen.

b) Im Innern sieht sich die traditionelle Ordnung durch breite Massenbewegungen herausgefordert, die sich weiter zu radikalisieren drohen. In den teilweise auch militärischen Auseinandersetzungen mit Bauern- (Peru, Honduras), Volks- (Bolivien, Ekuador, Panama) oder Guerillabewegung (Peru, Bolivien) kommt das Offizierskorps erstmals in engeren Kontakt mit der nationalen Realität und zu der Einsicht, daß die Probleme mit den herkömmlichen Mitteln nicht zu lösen sind, die zudem bei der Bekämpfung der genannten sozialen und politischen Bewegungen oftmals versagt hatten. Ein Programm von Strukturreformen, das unter der Regie führender Armeestrategen ausgearbeitet wurde (Peru: Plan „Inca“), soll dem Land einen Modernisierungsschub bringen und aus Unterentwicklung und Rückständigkeit befreien.

c) Strukturell handelt es sich bei den genannten Fällen um Länder, wo entweder die traditionelle Großgrundbesitzer-Oligarchie noch dominant ist und jeden Fortschritt blockiert (Peru, Ekuador) oder die Abhängigkeit von den USA aus unterschiedlichen Gründen extrem groß ist (aus geopolitischen Gründen Panama) bzw. war (aus ökonomischen Gründen Honduras). In allen genannten Fälle füllt der Militärreformismus ein Hegemonievakuum im anstehenden Modernisierungsprozeß aus: dort, wo eine traditionelle Oligarchie zwar noch dominant, aber im nationalen Interesse nicht mehr hegemoniefähig ist (Peru, Ekuador), gegen die Oligarchie; dort, wo aus historischen Gründen die Oligarchie fehlt (Honduras) oder extrem abhängig von den USA ist (Panama), als Hegemonie-Ersatz. In allen Fällen handelt es sich also um Länder, die entweder im Entwicklungsniveau (Peru, Ekuador, Bolivien, Honduras) unter dem lateinamerikanischen „Durchschnitt“ liegen oder extrem außenabhängig sind bzw. waren (Panama, Honduras), ohne daß dies von einer personalistischen Diktatur durch eine Prätorianerarmee wie in Kuba (vor 1959) oder Nikaragua (1934-79) abgesichert werden konnte.

In allen drei Varianten – Abspaltung einer radikalisierten Minderheit von der Armee, Reformkurs der Institution Armee oder revolutionäre Neugründung – gelten jedoch folgende Gemeinsamkeiten: Nationalismus – wenn auch von unterschiedlicher Radikalität und mit differierender theoretischer Begründung – war letztlich das Hauptmotiv für die Linksentwicklung der „alten“ Militärs oder die linke Gründung einer neuen Armee nach der Zerschlagung der Prätorianergarde. In all diesen Fällen ging es entweder um das Aufholen eines überdurchschnittlich großen Entwicklungsrückstandes oder um die Beseitigung einer überdurchschnittlich hohen Abhängigkeit von den USA.

Linke Militärs 3: Wie weit?

Neben dem unterschiedlichen Verhältnis der „linken Militärs“ zur „alten“ Institution Armee (Abspaltung, Verbleib, Zerschlagung) liegen die Differenzen zwischen den drei Varianten hauptsächlich in Reichweite und Ergebnis ihrer linken Aktion.

Radikalisierte Minderheiten von Armeeangehörigen und ihr offenes Agieren zeitigten ambivalente Wirkungen. Einerseits stand ihr Radikalismus oft in umgekehrt proportionalem Verhältnis zu ihrem Einfluß in der Armee oder den mittel- und langfristigen Erfolgsaussichten ihrer Rebellion. Andererseits öffneten sie dort, wo sich bereits politischer Protest und Widerstand zu regen begann, Räume für deren Ausweitung und wirkten als Katalysator im gesellschaftlichen Gärungsprozeß. Beispiele für letzteres sind der Militäraufstand vom 13. November 1960 in Guatemala und die Erhebung der Konstitutionalisten unter Führung von Oberst F. Caamano am 24.4.1965 in der Dominikanischen Republik. In Guatemala leitete die Militäraktion, die in ihren unmittelbaren Zielstellungen (Sturz der Regierung Ydigoras) gescheitert war, die bis heute währenden politisch-militärischen Auseinandersetzungen zwischen Guerilla und Regierung ein. A. Yon Sosa und L. Turcios Lima, von den USA im Anti-Guerilla-Kampf ausgebildet und Anführer des November- Aufstandes von 1960, avancierten wenige Jahre später zu comandantes der guatemaltekischen Guerilla. Diese zählte in den 60er Jahren zu den stärksten Partisanen-Bewegungen Lateinamerikas und brachte Anfang der 80er Jahre das damals herrschende Militärregime an den Rand der Niederlage.

Die Rebellion fortschrittlicher Teile der Armee in der Dominikanischen Republik, die die 1963 gestürzte Regierung des demokratisch gewählten Präsidenten J. Bosch wiederherstellen wollten, führte direkt in den Volksaufstand vom April 1965. Die von den fortschrittlichen Militärs bewaffneten Volksmassen mußten durch die militärische Intervention der USA und ihrer Verbündeten gestoppt werden. Nur so konnte ein zweites Kuba verhindert werden. F. Caamano, der Führer der April-Revolution von 1965, fiel 1973 als Guerillero im Kampf gegen die einstigen Waffengefährten in der Armee. Langfristig scheint – wie im guatemaltekischen Fall deutlich wird – die einmal durchlittene Radikalisierung von Teilen der Armee und deren offene Rebellion zur Immunisierung der Streitkräfte gegenüber „linken Krankheiten“ zu führen. Es ist jedenfalls auffällig, daß überall dort, wo es zuvor eine Radikalisierung und Abspaltung gegeben hatte, selbst gemäßigte Reformer innerhalb der Institution Armee kaum wahrnehmbar waren. Zu einem ähnlichen Ergebnis führte der „verspätete Reformismus“ der „Jungen Offiziere“ vom Oktober 1979 in El Salvador.

Am „geronnenen“ Ergebnis gemessen, fällt die Bilanz des Militärreformismus positiver aus. Strukturelle Veränderungen der Besitzverhältnisse im Agrarsektor und Nationalisierung von US-Unternehmen weisen dies aus. Allerdings hatte die Bindung des Reformprogramms an die Institution Armee einen doppelten Preis. Der Reichweite der angestrebten Reformen war durch den vorausgesetzten Konsens aller relevanten Kräfte in der Armee ein enger Rahmen gesetzt, da sie im Interesse der Einheit der Armee seitens der Rechten, der Gemäßigten und der schweigenden Mehrheit zumindest Akzeptanz finden mußten. Im Zweifels- oder Streitfallstand auch für die Reformer die Wahrung der institutionellen Geschlossenheit höher als die hehren Reformabsichten. Korpsgeist siegte immer über den Reformeifer – auch wider besserem Wissen. Zweitens liegt „der Grundwiderspruch des militärischen Reformismus darin, Reformen anzustreben, die nur erfolgreich durchgeführt werden könnten, wenn sie von einer größeren sozialen Basis getragen würden, bei denen jedoch in der Tat jede spontane Teilnahme der Bevölkerung aus Angst, den Prozeß nicht in der Hand zu behalten, beschnitten wird. Dieser ‚technokratische Paternalismus‘ degradiert die Arbeiter- und Bauernschichten zu bloßen Ausführern des Regierungsprogramms. ..“ (Sotelo)

Am weitesten gingen die Strukturveränderungen in jenen Fällen, wo die alte Institution Armee im Zuge einer Revolution zerschlagen wurde. Die Formierung der neuen Armee ist für das hier behandelte Thema vor allem unter folgenden Aspekten von Interesse: Inwiefern geht im Falle eines Verschleißkrieges gegen den revolutionären Staat und einer zeitweise drohenden Intervention der USA (Nikaragua 1981-90) die Militarisierung der Revolution zu Lasten der sozialen Basis und gesellschaftlichen Umgestaltungen? Was bleibt vom revolutionären Ursprung der neuen Armee, wenn nach einem Machtwechsel (Nikaragua 1990) zu allererst das Überleben der Institution Armee unter einer rechten Regierung gesichert werden muß? Nikaragua liefert für eine noch lebendige Revolution das bislang einzigartige Beispiel eines Transformationsprozesses einer „linken Armee“ unter „rechten“ Machtverhältnissen. Abrücken von jeder Art politischen Engagements, Trennung der Verbindung Partei-Armee und Unterordnung unter die verfassungsmäßigen Instanzen sind die Bedingungen, die die Sandinistischen Streitkräfte seitens der Regierung Chamorro akzeptieren mußten. Die nicht geringe „materielle Abfederung“ durch eigene Unternehmen, Sonder- und Dienstleistungen versöhnte die Sandinisten in Uniform mit ihrer Umwandlung in ein Ejercito Nacional (Nationales Heer). Die Kehrseite ist die Konfrontation mit Protestaktionen ehemaliger Kampfgenossen in- (Recompas) und außerhalb der eigenen Reihen (soziale Bewegungen) gegen die neoliberale Politik der Regierung und für die Einhaltung der Versprechungen zur Wiedereingliederung ehemaliger Soldaten und Contras. Zur „Normalisierung“ der Sandinistischen Streitkräfte gab es jedoch höchstens eine Alternative, die jedoch von allen Beteiligten verneint wurde – Bürgerkrieg und Chaos. Auch für die FSLN war und ist deshalb der Abschied von der Macht und die „Derevolutionierung“ ihrer Genossen in Uniform kein zu hoher Preis, um diese Alternative zu verhindern.

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Literatur:

Allgemein: Rouquie, A.: El Estado Militar en America Latina. Mexico D.F. 1984

Brasilien: Amado, J.: Ritter der Hoffnung. Das Leben von Luis Carlos Prestes. Berlin 1956.

Dominikanische Republik: Saenz Padrón, R./ Rius Blein, H.: Caamano. La Habana 1964.

Guatemala: Verschiedene Autoren: Turcios Lima. La Habana 1969.

Honduras: Salomon, L.: Militarismo y Reformismo en Honduras. Tegucigalpa 1982.

Nikaragua: Millett, R.: Giardians of the dynasty. A history of the US created Guardia Nacional de Nicaragua and the Somoza family. New York 1977.

Peru: MC Clintock, C./ Lowenthal a. F. (Hrsg.) The Peruvian Experiment Reconsidered. Princeton 1983

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