Auf dem Rio-Gipfel (1992) wurde neben der vielbeachteten Konvention über den Schutz des Klimas eine weitere verabschiedet: die Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt unseres Planeten. Wie so oft standen die Interessen von Industrieländern und Entwicklungsländern diametral gegenüber. Die Industrieländer sahen vor allem die ökonomische Nutzung im Sinne von Arzneimittelherstellung und der Züchtung von neuen (resistenteren) Nutzpflanzen (dies wurde dann auch im moralischen Sinne von einigen Betrachtern mit der moralischen Kategorie längerfristiges Denken belegt) und die Entwicklungsländer sahen in ihrem genetischen Reichtum (die die Industrieländer im eigenen Land schon vor langer Zeit vernichtet haben) vor allem eine Ressource, um den Finanz- und Technologietransfer zu erhöhen. Die Folge war eine schwache Rahmenkonvention, in der alle Probleme lediglich auf die erste Vertragsstaatenkonferenz verschoben wurden. Diese fand im letzten Jahr in Jakarta (Indonesien) statt und führte nicht zu einer wesentlichen Weiterentwicklung der Konvention, sondern verfolgte weiterhin die Vertagungsstrategie. So konnte z. B. nicht festgelegt werden, daß die Industrienationen Patentgebühren an die Herkunftsländer zahlen.
90 Prozent aller auf der Erde vorkommenden Arten sind heute in den Entwicklungsländern beheimatet. Doch genutzt wird das grüne Gold vor allem von Amerikanern, Europäern und Japanern. Diese entwickeln aus den gesammelten Pflanzen und niederen Tieren Arzneimittel und neue Nutzpflanzen und machen damit jährlich Millionengewinne. Das Mittel Virend zum Beispiel, das aus einer Pflanze des lateinamerikanischen Regenwaldes entwickelt wurde oder Vimblastin aus Madagaskar (180 Mio. Dollar Jahresumsatz).
Der Markt wird’s schon richten!
Einen anderen Weg schlug indessen die Privatwirtschaft ein (die im übrigen, die US-Regierung im Jahre 1993 zur Unterzeichnung der Konvention ‚zwang‘, da sie wirtschaftliche Nachteile fürchtete – nachdem sie diese aus dem gleichen Grund zunächst verhindert hatte)..
‚Vorreiter‘ in diesem Bereich war der US-Pharma-Multi Merck, der noch vor der Rio-Konferenz im September 1991 mit dem staatlichen Institut für biologische Vielfalt (INBio) von Costa Rica einen Vertrag über die ökonomische Nutzung des Genpools des mittelamerikanischen Regenwaldes abschloß. Eine Million US Dollar bekommt das Institut dafür, daß es dem amerikanischen Konzern Pflanzen und niedere Tiere zur Verfügung stellt, damit dieses sie auf ihre pharmazeutische Nutzbarkeit untersuchen kann. Sollte die Suche erfolgreich sein, bekäme Costa Rica 1-3 Prozent des Gewinns. Trotz einer Beteiligung an der „pharmakologischen Goldgrube“ wie die Forscherin Lynn Caporale vom Pharmakonzern Merck den costaricanischen Regenwald nannte, kann man mehr als skeptisch sein, ob dieser Weg die traditionelle Ausbeutung der Dritten Welt beenden wird. Der ‚Erlös‘ den Costa Rica aus dem Verkauf der genetischen Vielfalt seines Landes erhält wird bei weitem nicht ausreichen, um die daraus gewonnenen Medikamente oder neues Saatgut bezahlen zu können. Costa Rica wird darüber hinaus vor allem nicht in die Lage versetzt werden, durch einen Technologie- und Wissenstransfer das grüne Gold selbst zu fördern. Die Überschrift leitet insofern in die Irre. Der Vertrag gewährleistet Ausbeutung und Bewahrung biologischer Vielfalt (wenn auch nur als ex-situ* Maßnahme, daß heißt mit der schlechtesten aller Methoden).
Ein Modell für die Zukunft?
Ein positiveres Beispiel bietet der US-amerikanische Konzern Montesanto, der zusammen mit einem mexikanischen Institut eine neue virusresistente Kartoffel entwickelte, die deutlich weniger Pestizide benötigt als andere Kartoffeln. Diese Kartoffel wurde mexikanischen Subsistenzbauern (also denen die es nötig haben) kostenlos zur Verfügung gestellt, obwohl das Resistenzgen patentiert ist. Eine ‚gerechte‘ Beteiligung ist aber auch dies noch nicht. Zukunftsweisender ist da die 50:50 Beteiligung, die die britische Firma Biotic anbietet.
In einigen Entwicklungsländern aber hat ein neues Bewußtsein ihrer Macht eingesetzt. Schließlich sind die Industrieländer auf Kooperation angewiesen. So hat Venezuela als erstes Land der Erde Schritte eingeleitet, um amerikanischen Konzernen zu verbieten, ohne Ausgleichszahlungen biologisches Material aus Venezuela zu verwerten. In anderen Ländern gibt es ähnliche Bestrebungen. Die amerikanische Gen-Lobby hat bereits reagiert und die US-amerikanische Regierung zur Unterzeichnung der Biodiversitätskonvention veranlaßt. Sie hat erkannt, daß sie nur mit Hilfe der Länder des Südens, die genetischen Ressourcen nutzen kann und nur die Unterzeichnung der Konvention auch weiterhin freien Zutritt zu biologisch interessanten Gebieten sichert. Weiter haben mehrere staatliche und private Unternehmen wie zum Beispiel das National Cancer Institute mit Entwicklungsländern Verträge geschlossen, die die Nutzung des genetischen Reichtums von Ausgleichszahlungen abhängig macht. Man kann also feststellen, daß es von den Firmen und Regierungen der Industrieländer inzwischen (wenn auch zähneknirschend) akzeptiert wird, daß die Entwicklungsländer ‚Besitzer‘ der Biodiversität sind und daher an der Ausbeutung beteiligt werden müssen. In welchem Maße dieses geschehen sollte, darüber ist noch keine Einigung abzusehen. Auch Jakarta brachte keine Fortschritte. Der Streit darüber was eine „ausgewogene und gerechte Beteiligung″ der Entwicklungsländer ist, wie sie in der Biodiversitätskonvention gefordert ist, ist noch nicht ausgefochten. Bessere Bedingungen können die Entwicklungsländer nur erreichen, wenn sie gemeinsam, die venezolanische Strategie unterstützen und nur bei einem ‚gerechten‘ Preis verkaufen. Die Konzerne können nur gezwungen werden.
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* ex-situ: das genetische Material wird tiefgefroren aufbewahrt; dabei ist allerdings ca. 50% des Materials später nicht mehr keimfähig. Bei in-situ Maßnahmen werden die Pflanzen in ihren Lebensräumen geschützt.