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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Ecuador vor den Wahlen
Ein Land im Aufschwung

Zeljko Crncic | | Artikel drucken
Lesedauer: 6 Minuten

Gespräch über eine Reise

Ecuador: Präsident Rafael Correa 2012 - Foto: Presidencia de la República de EcuadorEcuador gehört seit 2006 zu denjenigen Staaten Lateinamerikas, in denen es nach anhaltenden politischen Turbulenzen zu einer Linkswende gekommen ist. Der Ökonom Rafael Correa wurde im Januar 2007 zum Präsidenten der Republik am Äquator vereidigt. Er versprach seinen Wählerinnen und Wählern eine politische Neuausrichtung des Landes und eine ökonomische Umverteilung der erwirtschafteten Reichtümer.

Im Dezember 2012 unternahm Eberhardt Wolf, Europa-Sprecher der Grünen in Rheinland-Pfalz, eine Reise nach Ecuador, um sich über die politische, soziale und ökonomische Lage des Landes zu informieren. Das Land zählt neben Bolivien und Venezuela zu denjenigen Ländern, die in den letzten Jahren bestimmte Schritte auf dem Weg hin zu einer neuen sozialen und ökonomischen Ordnung gegangen sind. So wurde 2008 das „buen vivir“ – also das indigen geprägte harmonische Zusammenleben zwischen Mensch und Natur – in die Verfassung aufgenommen. Die Regierung Correa legte Sozialprogramme auf und machte durch die 2007 ins Leben gerufene Initiative Yasuní-ITT weltweit auf sich aufmerksam. Die aktuellen politischen Entwicklungen Ecuadors standen daher im Mittelpunkt des Gesprächs.

Ökologie ist ein europäisches Thema

Wolf spricht zunächst über die Wahlen im Februar 2013 und über die politischen Konstellationen bei diesem Wahlgang: „Eine neue Qualität ist, dass es einen Konsenz darüber zu geben scheint, dass ein Zurück zur alten, neoliberalen Politik von niemanden gewünscht wird. Auch die Rechte kann das nicht mehr vertreten.“

Grundsätzlich hat er eine geringere Polarisierung zwischen den politischen Lagern im Wahlkampf beobachtet, als dies in Venezuela oder Bolivien festzustellen ist. Die Person von Rafael Correa könnte hier eine gewisse Rolle spielen: „Correa hat eine andere Vita als beispielsweise Evo Morales. Er ist Ökonom, er hat im Ausland studiert und ist mit einer Ausländerin verheiratet. Er ist kein Indigena und kommt aus den klassischen bürgerlichen Eliten von Guayaquil“, erläutert Eberhardt Wolf. Dies ist ein möglicher Grund für die weniger scharfen Anfeindungen als diejenigen, denen z.B. Evo Morales immer wieder ausgesetzt war.

Einen Konflikt sieht das Grünen-Mitglied Wolf im Verhältnis zwischen Präsident Correa und den NGOs im Land. Durch die anstehende juristische Regelung des Status der NGOs entsteht Konfliktpotential mit den verschiedenen Gruppen und Initiativen. Allerdings ist im Lager der NGOs keine einheitliche Linie der Regierung gegenüber zu beobachten: „Manche sehen das als Instrumentalisierung und Andere sagen, man muss jetzt gucken, was geht.“ Grundsätzlich sind jedoch auch die Positionen in der Regierung nicht einheitlich. So glaubt Wolf, dass es Regierungskreise gibt, die durchaus die Existenzberechtigung der NGOs anerkennen, während vor allem in den Provinzen an ihrer Kontrolle gearbeitet werde. Hier seien Leute zu Amt und Würden gelangt, die fachlich nicht unbedingt qualifiziert waren, sondern ihre Position eher politischen Loyalitäten verdankten.

Das Thema des Extraktivismus, das auch prominent von NGOs behandelt wird und in der Vergangenheit auch für Konflikte mit der Regierung sorgte, spielt im Wahlkampf und allgemein in der Öffentlichkeit eine untergeordnete Rolle. „Ich habe den Eindruck, dass Vertreter einer ökologischen Strömung wie Alberto Acosta, mehr in Deutschland rezipiert werden als in Ecuador selbst“, meint Wolf. Die positive ökonomische Lage des Landes tut hier bestimmt ihr Übriges, um das Problem des Ressourcenabbaus, der oft ohnehin vor allem ländliche Gebiete betrifft, nicht wahlkampfrelevant werden zu lassen. Rafael Correa ist daher auch laut Umfragen mit etwa 49% der Stimmen der eindeutige Favorit. Alberto Acosta bleibt mit der vereinigten Linken unter 10% der Stimmen weit abgeschlagen.

Wie halten wir es mit der Regierung?

Ecuador: Indigene, Vertreter der CONAIE - Foto: Presidencia de la República del EcuadorIn den 90er und Anfang der 2000er Jahre gab es in Ecuador eine Gruppe, die den Regierungen durchaus Kopfzerbrechen bereitete, nämlich die Indigenenbewegung CONAIE (Confederación Nacional Indígena del Ecuador). Sie erlangte Mitte der 90er Jahre eine Protagonistenstellung innerhalb des Feldes der sozialen Bewegungen, war am Sturz gleich zweier Regierungen beteiligt und gelangte 2002 im Bündnis mit Lucio Gutiérrez kurzzeitig an die Regierung. „Die Indigenen befinden sich in einem Dilemma“, erläutert Wolf. „Es stellt sich nämlich die Frage, wie sie es mit der Regierung halten. Außerdem haben sie stark an politischer Schubkraft verloren und können sich nur punktuell profilieren.“

Zu ihrer Schwächung müssen zwei Faktoren angeführt werden, mit denen die CONAIE in der Vergangenheit teilweise schon zu kämpfen hatte. Zum einen treten einige Repräsentanten bei den jetzigen Wahlen für das Regierungslager an und nicht für die traditionell bewegungsnahe Pachakutik. Diese Politik der Uneindeutigkeit wird den Anliegen der CONAIE bestimmt nicht helfen. Ein weiterer Faktor der Spaltung kommt hinzu: „Das ist die Teilung entlang religiöser Linien, die Gutiérrez bereits massiv vorantrieb. Das führt eben dazu, dass sich viele Leute aus dem indigenen Bereich völlig aus der Politik heraushalten. Das ist ein Thema, das meiner Ansicht nach viel zu wenig Beachtung findet“, meint Wolf. Eine Mobilisierung, wie sie die CONAIE Mitte und Ende der 90er Jahre mit anderen sozialen Bewegungen zusammen bewerkstelligen konnte, ist aktuell nicht zu erwarten.

Ecuador boomt

Die Sozialreformen, die seit einigen Jahren aufgelegt werden, zeitigen durchaus Erfolge, die die Basis bei Wahlen honoriert. „Die Leute fühlen, dass es Correa ernst meint. Sie sagen, er gehe Probleme an, die jahrelang verschleppt wurden, seien dies Gesundheits- oder Erziehungsfragen.“ Die Politik, den ärmsten Bevölkerungsschichten eine minimale Absicherung in Form von Bonos zu garantieren, wird ebenfalls begrüßt. Zu Jahresbeginn wurde die minimale Grundsicherung für über eine Million Menschen von 35 auf 50 US-Dollar erhöht, was relativ gesehen sehr niedrig ist, für Menschen in extremer Armut jedoch eine Hilfe darstellt. Ecuador ist zudem nicht mehr wie Ende der 90er Jahre von einer massiven Auswanderungswelle betroffen. Damals hatten über eine Million Ecuadorianerinnen und Ecuadorianer ihrem Land den Rücken gekehrt. „Es gibt mittlerweile eine Politik für Rückkehrer mit einem eigenen Subsekretariat und Steuererleichterung bei Gründung eines Geschäfts. Das ist ein ganz anderer Diskurs, wenn man sagt, wir brauchen euch, kommt zurück, und wir helfen euch. Diese Politik spiegelt sich tatsächlich auch im Alltag wider.“

Ein größeres Problem, so Eberhard Wolf, gibt es mit der Gemeinschaft der Afroecuadorianer und mit den kolumbianischen Flüchtlingen. Letztere fliehen vor dem Krieg in ihrem Land. Ihre Zahl wird mit 56.000 Personen angegeben, sie machen 98% der Flüchtlinge in Ecuador aus. Die kolumbianischen Einwanderer haben unter einer Stigmatisierung seitens der Bevölkerung zu leiden, da ihnen vielfach die Verwicklung in kriminelle Handlungen unterstellt wird.

Rafael Correa wird die Wahlen am 17. Februar mit großer Wahrscheinlichkeit für sich entscheiden, denn trotz aller politischen Spannungen und der fragwürdigen wirtschaftlichen Basis, ist Ecuador ein Land, dass nach einer jahrelangen Krise nach vorne blickt. Diese Zukunftseinschätzung lässt sich für viele Staaten der Region feststellen oder, um es mit den Worten von Eberhard Wolf zu sagen: „Lateinamerika boomt. Hier spielt die Musik. Europa ist politisch, und es tut mir leid, das zu sagen, ein Altersheim.“

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Bildquellen: [1], [2]: Presidencia de la República del Ecuador

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