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El Salvador: Bitcoin ist offizielle Währung

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Lesedauer: 4 Minuten

El Salvador: Präsident Bukele und Bitcoin - Foto: Presidencia El SalvadorAb dem 7. September 2021 ist Bitcoin offizielle Währung in El Salvador. Nun hat dort jeder Bürger die Möglichkeit, Bitcoin unbeschränkt in US-Dollar zu tauschen. Dieser bleibt als Landeswährung erhalten. Über den Wechselkurs entscheidet der Markt allein. Alle Unternehmen, so sie die dafür nötigen technischen Voraussetzungen besitzen, müssen Bitcoin akzeptieren, der Konsument darf es. Auch Steuern können in dieser Währung gezahlt werden. Damit ist El Salvador das weltweit erste Land, das den Bitcoin als offizielle Landeswährung einführt. Als ein erstes „Für“ wird von Präsident Bukele angegeben, dass El Salvadors Wirtschaft damit von Weltbank und IWF unabhängig würde: Finanz-Sanktionen seien so nur noch schwerlich möglich, und El Salvadors enorme Verschuldung von 90 % seines BIPs könne somit leichter abgetragen werden, wenn, ja wenn die beiden Institutionen Bitcoin akzeptierten. Doch auch Bitcoin ist keine nationale Währung, mit der Auf- und Abwertung und entsprechende Handelsvorteile möglich wären – eine eigene Geldmaschine anzuwerfen, ist auch somit nicht machbar. Im Gegenteil, die nationale Zentralbank soll über Bitcoin-Bewegungen keine Kontrolle haben. Selbst der weiterhin gültige US-Dollar als Rückversicherung verleiht der neuen Währung keine Stabilität, da ersterer ja von einem anderen Land emittiert wird. Außerdem kann bei großflächigen Bitcoin-Verkäufen die Dollar-Reserve beschädigt werden. Stattdessen werden mit dem Bitcoin Geldwäsche bzw. Korruption nun noch leichter möglich als schon zuvor, nicht zuletzt weil über Blockchain anonym „gezahlt“ wird, sodass Sender und Empfänger nur schlecht nachzuverfolgen sind. Das zweite „Für“, so wird kolportiert, ergebe sich daraus, dass das BIP in El Salvador um 25% stiege, wenn die daraus resultierenden Kapitalgewinne in die Wirtschaft flössen. Diese Rechnung ginge aber nur auf, wenn das Geld auch in die legale Wirtschaft investiert würde, was bei dem großen Umfang der Schattenwirtschaft im Land eine riskante These ist. Ein drittes „Für“ wird auf jene 50% (die Angaben differieren) der Salvadorianer bezogen, die kein eigenes Bankkonto besitzen, die nun über die per Internet abwickelbaren Bitcoin-Transaktionen einen Zugang zu Finanzierungen erhalten würden. Doch davon abzuziehen sind schon einmal die 33% der Salvadorianer, die keinen Internetzugang besitzen. Ein viertes „Für“ sei, dass nun die Remittances aus den USA an die Verwandten in El Salvador ohne Gebühren gesandt werden könnten. Das Argument lautet: Diese Remittances entsprächen in etwa einem Viertel des BIP, und die Transaktionskosten betrügen etwa 0,7% (6 Mrd. US-Dollar) desselben. Nur: Diese Kosten zahlten schon immer die in den USA lebenden Verwandten und eben nicht die – ärmeren – Empfänger in El Salvador. Ob eine Verringerung der Überweisungskosten die Verwandten bewegt, mehr Remittances zu schicken, ist offen. Dass 83% der Empfänger ihre Überweisungen auch gar nicht in Bitcoin ausgezahlt bekommen möchten, ist daher nicht gerade unlogisch. Dies nun hat auch mit dem ersten unbestrittenen „Wider“ zu tun: Das sind die enormen und schnellen Schwankungen bei Bitcoin. Keiner weiß, was Ersparnisse oder der in El Salvador karge Durchschnittslohn Lohn von ca. 350 US $ morgen und übermorgen noch wert sind, vielleicht ganz wenig. Als Wertaufbewahrungsmittel wird sich Bitcoin ohnehin nicht durchsetzen. Und die Armen haben auch kaum etwas zum Spekulieren auf der „hohen Kante“. Dafür können die Wenigen, die große Teile an Bitcoin halten, den Kurs maßgeblich bestimmen, wenn sie verkaufen. Einige Unternehmen drohen auch bereits damit, für die Abwicklungen von Geschäften zusätzliche Gebühren zu erheben, um etwaige Verluste aufgrund von Kursschwankungen abzufedern, sodass auch die Lebenshaltungskosten steigen könnten. Ein zweites unbestrittenes „Wider“, den enorm hohen Energieverbrauch der Bitcoin-Blockchains, versucht Bukele mit dem Hinweis zu entkräften, dass die Geothermie der salvadorianischen Vulkane das Problem leicht lösen könne. Aber wie und wann, wenn dazu bisher weder die bürokratischen noch die materiellen Vorkehrungen getroffen sind? Experten sprechen hier von Jahren. 78% der salvadorianischen Bevölkerung, so eine Umfrage der renommierten Gavidia-Universität, sind mit dem Unterfangen „Bitcoin“ auch gar nicht einverstanden. (Bild: Presidencia El Salvador)

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