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Bolivien: Wahl des kleineren Übels

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Lesedauer: 3 Minuten

Am Sonntag, dem 19. Oktober, setzte sich Rodrigo Paz Pereira von der Christlich-Demokratischen Partei (PDC) im zweiten Wahlgang mit 54,5 Prozent der Stimmen gegen seinen ultrarechten Kontrahenten Jorge Quiroga von der Alianza Libre durch. Am 8. November soll der Wahlsieger vereidigt werden und wird dann als neuer Präsident Bolivien regieren. Die erste Stichwahl in der Geschichte des Landes war notwendig geworden, weil in der ersten Runde, die am 17. August stattfand, keiner der acht Kandidaten für das Präsidentenamt die absolute Mehrheit erhalten hatte. Bei den Wahlen zur Abgeordnetenkammer und zum Senat, die ebenfalls an diesem Tag abgehalten worden waren, konnte sich der PDC als stärkste Partei durchsetzen. Mit 16 von 36 Senatoren und 49 von 130 Abgeordneten kann sich Paz Pereira, für den sich damals 32,1 Prozent der Wähler entschieden hatten, auf eine stabile Parlamentsbasis stützen. Der Movimiento al Socialismo (MAS), der unter den Präsidenten Evo Morales (2006-2019) und Luis Arce (2020-2025) Bolivien regiert und sich im Vorfeld der Wahlen gespalten hatte, musste eine historische Niederlage hinnehmen. Der Kandidat des Evo-Flügels Alianza Popular, Andrónico Rodríguez, hatte 8,5 Prozent der Stimmen erhalten, während für den MAS selbst nur 3,2 Prozent stimmten. Im neuen Senat sind die beide Linksparteien nicht vertreten und in der Abgeordnetenkammer hatte es zusammen nur für 10 Mandate gereicht. Der überwältigende Sieg des rechten Spektrums, innerhalb dessen Paz Pereira als das kleinere Übel gilt, macht künftig auch Änderungen der Verfassung möglich. Zu erwarten ist auf alle Fälle ein tiefgreifender Richtungswechsel, von dem alle Bereiche der Politik betroffen sein werden. US-Außenminister Marco Rubio begrüßte den Ausgang der Wahlen als „transformative Chance“ nach „zwei Jahrzehnten fehlgeleiteter linker Politik“. Der argentinische Präsident Javier Milei feierte das „Ende des Sozialismus des 21. Jahrhunderts“. Paz Pereira will diesem einen „Kapitalismus für alle“ entgegensetzen. Dass er aller Wahrscheinlichkeit nach als Sachwalter der alten Eliten agieren wird, legt auch sein familiärer Hintergrund nahe. Sein Vater Jaime Paz Zamora, der von 1989-1993 Bolivien als Präsident regiert hatte, gehörte wie auch Jorge Quiroga, Vizepräsident (1997-2001) und anschließend Präsident (2001-2002) des südamerikanischen Landes, dem neoliberalen Machtkartell der „paktierten Demokratie“ an, das nach dem Ende der Militärdiktatur 1982 die Amtsgeschäfte in Bolivien übernommen hatte. Auch die dritte Amtszeit von Víctor Paz Estenssoro, 1952-1956, 1960-1964 sowie 1985-1989 Präsident Boliviens und Großonkel des neuen Präsidenten, fällt in diese Periode. Ob und wie sich Paz Pereira mit seinem neuen Kurs in einem Land durchsetzen wird, das auf eine lange Geschichte sozialer und ethnischer Rebellionen zurückblickt und durch 20 Jahre Politik im Interesse der Bevölkerungsmehrheit geprägt ist, muss sich erst noch zeigen. Schon deshalb sollte man Bolivien im Blick behalten. (Bild: Quetzal-Redaktion, gc)

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