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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Von der Unabhängigkeit zum Liberalismus (1830-1898)

Ines Quintero | | Artikel drucken
Lesedauer: 14 Minuten

Die direkten Folgen der gewaltsamen institutionellen und politischen Demontage der kolonialen Ordnung, des Ausfalls vieler ihrer gesellschaftlichen Ressourcen und natürlich der ökonomischen „Verwüstung“ bzw. der Schwierigkeiten in Handel und Produktion, wie sie von kriegerischen Auseinandersetzungen grundsätzlich hervorgebracht werden, sind die vom Unabhängigkeitsprozess erzeugte politische Zerrüttung, geschädigte Wirtschaft und soziale Krise. Diese Situation institutioneller Schwäche, sozialer Unordnung und ökonomischen Chaos‘ bildet die Basis, auf der die zivilen und militärischen Eliten der entstehenden Republik ein neues politisches System aufzubauen beabsichtigen, das ihre Hegemonie im Land garantieren und die funktionalen Grundlagen eines Nationalstaates schaffen würde, wie sie den Grundlagen des liberalen Modells entsprechen.

Zum Zeitpunkt der Abspaltung Venezuelas von Großkolumbien im Jahre 1830 werden die Prämissen und grundlegenden Aspekte des Vorhabens festgelegt, mit dessen Hilfe die Staatswerdung in der entstehenden Republik eingeleitet werden soll. Anfänglich gibt es keine großen Differenzen bei der Konzipierung des Projektes. Besitzende, führende Militärs und „Männer der Feder“ arbeiten gemeinsam einen Vorschlag aus, der mit den programmatischen Grundprinzipien des damaligen Liberalismus übereinstimmt. Demgemäß soll ein liberaler Nationalstaat errichtet werden, der die ökonomischen, kulturellen und politischen Anforderungen des Liberalismus erfüllt: eine dynamische Wirtschaft, die solide Eliten hervorbringt, Parteien, die organisierte Interessen vertreten, ein Ensemble integrationsfähiger nationaler Werte, eine Verkehrsinfrastruktur und eine Verfassung, die die Rechte und Pflichten der Bürger verankert.

Wenn auch anfangs Einverständnis zwischen den Mitgliedern der Elite hinsichtlich des Inhalts und der generellen Orientierung des Projektes herrscht, wird es in seiner Umsetzung jedoch von verschiedenen Faktoren beeinflusst: Ressourcenmangel, Machtstreit innerhalb der Eliten, Chaos in der Verwaltung und die Gegensätze, die sich bei der Anwendung des liberalen Modells ergeben, verhindern die Aufrechterhaltung des politischen Konsenses und hemmen den beginnenden Prozess der Staatswerdung. Daher wird es vor 1870 keine Initiativen zugunsten des staatlichen Konsolidierungsprozesses und gleichzeitig eines
politischen Abkommens geben, das einen relativ stabilen Machtausgleich garantieren würde.

Die Gründung der Liberalen Partei

Als – nach ihrer Loslösung von Kolumbien – die Republik Venezuela gegründet wird, entsteht ein politisches System, das in die folgende Rahmensetzung eingebunden ist: Auch wenn José Antonio Paéz als die Person erscheint, die die Interessen der Eliten miteinander zu versöhnen vermag, ist doch die wirkliche Machtbasis, welche die „paecistische“ Hegemonie garantiert, eine Allianz zwischen den Adeligen, Kaufleuten, Großgrundbesitzern und Intellektuellen, die das Ziel hat, jenes Projekt zu befördern, das die Ausgestaltung des liberalen Staates gestatten würde. In dieser Zeit erlangt der entstehende Staat die Kontrolle über die sich bekriegenden Caudillos und wirkt auf sie mäßigend ein. Die abtrünnigen bewaffneten Bewegungen, wie z. B. die „Revolución de las Reformas“ im Jahre 1835, die von General Santiago Marino angeführt wird, werden unterdrückt, und damit wird der ursprüngliche Konsens gestärkt, dessen Grundlagen das zwischen Elite und staatlicher Autorität bestehende Abkommen und das Ansehen von José Antonio Páez sind.

Als es zu Differenzen hinsichtlich der Durchführung des liberalen Projektes kommt, gewinnen im Stabilisierungsprozess, der in den ersten 15 Jahren republikanischer Erfahrung erreicht worden war, desintegrative und militant-caudillistische Tendenzen an Einfluss. Im Jahre 1841 wird die Liberale Partei dann von jenen gegründet, die sich gegen die Vorherrschaft Paéz‘ und seiner Mitstreiter richten. Tomás Lander und Antonio Leocadio Guzmán erwiesen sich als solche „Unruhestifter“. Jetzt beginnt ein Prozess, in dessen Verlauf die politische und wirtschaftliche Orientierung der Regierung hinterfragt und verurteilt wird. Die Vorwürfe werden zum einen gegen die Übertreibungen bei der Anwendung der wirtschaftlich-liberalen Richtlinien durch das Regimes erhoben, was die Interessen eines Teils der Elite verletzt hatte, und zum anderen gegen das Fehlen des liberalen Prinzips eines freien politischen Wechsels und gegen die Einschränkungen der Meinungsfreiheit. Was geschieht, ist nicht nur eine programmatische Debatte, sondern es sind Versuche der von der Macht Ausgeschlossenen, ihre politischen Ambitionen zur Kontrolle der Entscheidungsfindung und der vom Regierungsapparat verkörperten Staatsführung durchzusetzen.

Die Liberalen und der Kampf um die Macht

Im Jahre 1846 eröffnet sich für die Liberalen aus den Schwierigkeiten, einen Minimalkonsens zu schaffen, ein günstiger Augenblick, auf den „Regierungszug“ aufzuspringen. Dieser Minimalkonsens sollte eine „paecistische“ Hegemonie -wie sie seit 1830 bestand- garantieren und war gegen die entschiedenen politischen Ambitionen der Liberalen Partei gerichtet, die mit Páez verbundenen Gruppierungen zu entmachten, indem diese einfach als Konservative Partei bezeichnet wurden. Dies geschieht, nachdem General José Tadeo Monagas, ein einflußreicher Caudillo der Unabhängigkeitsbewegung, im März 1847 die Präsidentschaft antritt.

Während der Periode, die mit dem Aufstieg von José Tadeo Monagas beginnt, welcher – nachdem er zunächst die Unterstützung von Páez bekommen hatte – dann mit diesem bricht und ein Bündnis mit der Liberalen Partei herstellt, wird eine Form der Machtausübung etabliert, in der die formalen und institutionellen Mechanismen verletzt werden, die von den judikativen und konstitutionellen Normen – wie sie seit 1830 als Fundament einer legitimen Regierung etabliert worden waren – vorgegeben sind. Im Januar 1848 wird der Kongress gewaltsam aufgelöst und die Vormachtsstellung dieser neuen Gruppe auf der Basis eines fragilen politischen Gleichgewichts durchgesetzt, das trotz seiner augenscheinlichen Schwäche ein Jahrzehnt lang halten soll.

Aus dieser Machtposition heraus schafft sich der „erste Mandatsträger“ ein Netz aus ihm treuen Personen und Familien zur Unterstützung seiner politischen Vormacht. Während seiner Amtszeit kommt es zu einer akuten wirtschaftlichen Krise, es gibt enorme Spannungen zwischen den konservativen und liberalen Gruppen, und es entstehen zahlreiche subversive Brennpunkte in verschiedenen Teilen des Landes. Trotz der Widerstände gegen seine Regierung gelingt es Monagas, seinen Bruder José Gregorio Monagas als seinen Nachfolger im Präsidentenamt zu ernennen. Wenn auch während dieser Jahre einige der Gesetze des vorangegangenen Regimes geändert werden und die Sklaverei 1854 endgültig abgeschafft wird, so setzt sich doch ein personalistischer, caudillistischer und nepotischer Politikstil durch, der viele Liberale abstößt und eine große Unzufriedenheit in den Reihen der Konservativen hervorruft. Nach Ablauf des Mandats seines Bruders kehrt José Tadeo Monagas in einem Klima offener Unruhe und politischen Unbehagens an die Macht zurück. Die wirtschaftliche Krise, institutionelle Defizite, die Existenz zahlreicher bewaffneter Banden in der Region der Llanos, Aufstände, die die Regimegegner stärken, und der Machterhalt der Caudillos über Seilschaften begünstigen die Ausbreitung der desintegrativen bzw. caudillistischen Kräfte und bereiten so den Boden für soziale Unruhen und die Stärkung der angesehenen Politiker und Militärs auf lokaler Ebene. Schließlich befördern das offensichtlich zentralistische Verfassungsprojekt sowie die Machtkämpfe zwischen den konservativen und liberalen Sektoren den Sturz Monagas durch die Märzrevolution von 1858 und damit den Beginn einer Periode politischer Instabilität, die im Ausbruch des Föderationskrieges gipfelt, dessen Ausgang fünf Jahre später den Liberalen das Tor zur Macht öffnen soll.

Die Liberale Partei und der Föderationskrieg

Der Sieg der Märzrevolution, der aus einem Bündnis zwischen den Liberalen und den Konservativen resultiert, bringt ein unruhiges und aufwieglerisches Klima mit sich, das sich in den meisten Teilen des Landes stark verbreitet. Die offene Verschwörung gegen das Regime von seilen der mit der Liberalen Partei verbundenen Sektoren und den zahlreichen bewaffneten Gruppierungen, die über das ganze Land verstreut sind, bereitet den Boden für den Beginn des Föderationskrieges von 1859, der bis zur Unterzeichnung des Vertrages „de Coche“ im Jahre 1863 dauert.

Während des Krieges entsteht ein Machtvakuum: zum Teil aufgrund der Unfähigkeit der Regierung, die verschiedenen bewaffneten Aktionen, die sich gegen die Stabilität des Regimes richten, zu kontrollieren und einzudämmen, und zum Teil wegen der fehlendenden effektiven Kontrolle der Befehlshaber der Föderation über die Gruppen, die in ihrem Namen kämpfen. Diese Situation führt schließlich zur Ausbreitung zahlreicher Guerilla-Verbände unter dem Befehl mehrerer lokaler Chefs ohne jede Kohäsion untereinander und mit dem offensichtlichen Bemühen, die eigene Macht auf lokaler oder regionaler Ebene zu festigen.

Mit der auf der Grundlage eines Paktes zwischen den Teilen der Elite erreichten Beendigung des Krieges soll verhindert werden, dass der Prozess der politischen und sozialen Auflösung, der den verlängerten bewaffneten Konflikt hervorgerufen hat, noch größere Dimensionen erhält. Außerdem soll damit den Föderalisten – die niemand anderes waren als die Liberalen selbst – der Machtzugang gesichert werden. Juan Crisóstomo Falcón, Befehlshaber des Föderalen Heeres, übernimmt nun die Präsidentschaft.

Jedoch mit dem Ende des Krieges und der Machtergreifung Falcóns kommt es nicht zu einer Beruhigung der erhitzten Gemüter der Caudillos, sondern ganz im Gegenteil, die Verankerung der föderalistischen Prinzipien in der Föderalen Verfassung von 1864 und die Popularisierung dieser Errungenschaft als geeigneten Mechanismus zur effektiven lokalen Machtausübung befördern die Konsolidierung der Caudillos als bestimmende Figuren eines instabilen politischen Systems. Während des Regimes von Juan Crisóstomo Falcón festigt sich die Befehlsgewalt der siegreichen Caudillos, und es herrscht unter denen, die verschiedenerorts – als Ergebnis ihrer Machtstreitigkeiten – mit Waffengewalt ihre politische Dominanz auf lokalem, regionalen und nationalem Niveau verteidigen wollen, ein Klima ständiger Agitation und Unruhe. Die zahlreichen bewaffneten Aufstände, die ökonomische Krise und die aus dem Krieg hervorgegangene politische Instabilität erschweren die Stabilisierung der Zentralregierung. Falcón tritt von seinem Amt zurück und überlässt die Nachfolge General Manuel Ezequiel Bruzual. Im Jahre 1868 bricht die „Revolución Azul“ aus, und José Tadeo Monagas übernimmt wieder die Macht. Der Tod von Monagas, wenige Monate nach seinem Triumph, spaltet die Reihen seiner Nachfolger. José Ruperto Monagas, der Neffe des Caudillo, übernimmt die Herrschaft, doch die Konflikte innerhalb der Bewegung und die Spannungen zwischen den verschiedenen Kräften, die die Macht beanspruchen, finden ihren Höhepunkt im Aufstand der Liberalen unter dem Befehl von General Antonio Guzmán Blanco, der im April 1870 triumphierend in Caracas einzieht.

Die Machtausübung des „Partido Liberal Amarillo“

Als Guzmán Blanco mit der erfolgreichen Aprilrevolution an die Macht kommt, stehen ihm die wichtigsten, aus dem Föderationskrieg hervorgegangenen Caudillos zur Seite. Dabei ist jeder von ihnen politischer und militärischer Befehlshaber in einem anderen Teil des Landes und besitzt damit sowohl ein eigenes Militärkontingent als auch einen bedeutenden Anteil an der Kriegführung. Daher sieht sich Guzmán als der zentrale Protagonist des Sieges der Föderation mit seiner Anerkennung als Revolutionsführer von Anfang an genötigt, die regionale Autonomie anzuerkennen und zu verteidigen, so wie es die Verfassung von 1864 vorsieht. Dabei handelt es sich nicht nur um die bloße Deklaration von Prinzipien, sondern um die praktische Umsetzung einer Machtverteilung, die den Caudillos einen wichtigen Spielraum auf lokaler Ebene zugesteht. Im ersten Moment geht es also nicht um die Verminderung der regionalen Vorherrschaft der einzelnen lokalen Chefs, sondern um die Schaffung eines Systems, in dem die Einflusssphären der wichtigsten lokalen Militärführer erhalten bleiben, um so deren eventuelle Machtbestrebungen zu neutralisieren. So werden bei der Konsolidierung des Guzmán-Regimes und der Etablierung der Hegemonie des „Liberalismo Amarillo“ die Caudillos eine herausragende Rolle im politischen Befriedungs- und Stabilisierungsprozesses spielen. Das Abkommen zwischen Guzmán und den Caudillos entsteht aus der Notwendigkeit, die lokalen Machtfaktoren zu neutralisieren, um eine friedliche Periode einzuleiten, die die Durchführung des liberalen Projektes gestatten würde. Die Caudillos steigen bis in nationale Machtpositionen auf und behalten die politische Kontrolle in ihren Einflusszonen, während Guzmán die Kontrolle der Zentralregierung aufrechterhält und einen Modernisierungsprozess vorantreibt, der bedeutsame Fortschritte bei der Bildung und Strukturierung des Staates ermöglicht.

Die Hauptprotagonisten der siegreichen Armee der Aprilrevolution besetzen so an der Seite Guzmáns zunehmend verschiedene Ämter der Nationalregierung. Im Normalfall wird ihnen das Amt des Verteidigungs- und des Marineministers zugesprochen, oder sie erhalten das Privileg, die Ämter des ersten und zweiten Stellvertreters zu bekleiden, um den Präsidenten bei dessen Abwesenheit aus der Hauptstadt zu vertreten. Aus dieser ausgesuchten Gruppe Verbündeter gehen auch die Präsidentschaftskandidaten der Republik für die Liberale Partei hervor. Doch das Wichtigste am Konzept Guzmáns, das ihm die Macht sichert und die Befriedung der Republik voranbringt, ist die Anerkennung der Machtanteile, die die Caudillos in ihrer jeweiligen Region besitzen. Die politische Kontrolle wird in jeder Zone an die lokalen Chefs delegiert, indem die Zentralregierung in den verschiedenen Staaten den Caudillo als Chef des betreffenden Territoriums anerkennt, ohne dabei die Machtverteilung auf lokaler Ebene zu beeinflussen. In der Regel läuft die Wahl zum Präsidenten in den einzelnen Staaten der Union über diese Caudillos oder über die Männer, die den Rückhalt und das Vertrauen der verschiedenen lokalen Chefs genießen.

Das Wahlsystem begünstigt und legalisiert darüber hinaus diesen politischen Kontrollmechanismus. Nach den seit der Gründung der Republik im Jahr 1830 geltenden Wahlstatuten sollen die „Asambleas Parroquiales“ oder die Wahlausschüsse mit einer Gruppe von Notabein gebildet werden und unter der Leitung des Gemeinderates eines jeden Ortes stehen. Mit dem Erfolg der Föderation wird die Gesetzgebung in diesem Punkt dann modifiziert und Einigung darüber erzielt, dass die Wahlkommissionen, die diesen Vorgang leiten, sich aus jenen Bürgern zusammensetzen sollen, die zuerst den Marktplatz erreichen und aus deren Mitte dann der Vorsitzende des Wahlaktes bestimmt wird. Dies lässt zu, dass diejenigen, die am Ort die Kontrolle ausüben, ihr „Recht“, zuerst am Platz zu sein, wahrnehmen, um so ein günstiges Ergebnis zu erzielen.

Dieses von Guzmán Blanco eingeführte Konzept funktioniert über die längste Zeit der verschiedenen Administrationen Guzmáns ohne größere Modifikationen. Es steht für das klassische Modell des „Liberalismo Amarillo“ und hält sich solange, wie mit Guzmán eine Figur vorhanden ist, die es schafft, die verschiedenen Gruppen an seine Person zu binden. Auch wenn dies teilweise erfolgreich funktionierte, weil es Guzmán erlaubte, seinen Einfluss achtzehn Jahre lang mit Höhen und Tiefen zu bewahren, so kann doch keinesfalls kategorisch behauptet werden, dass das Modell absolut stabil gewesen sei und es nicht zu Störungen und Schwierigkeiten durch unzufriedene Caudillos und regionale Sektoren, die ihre Interessen nicht gut vertreten sahen, gekommen sei. Es bestand von Seiten der Zentralregierung eine feste Bereitschaft, abtrünnige Tendenzen zu unterdrücken und zu bekämpfen, die von jenen Generälen vertreten wurden, die mit den Autoritäten ihres Ortes unzufrieden waren und daher eine Änderung der politischen Ordnung und die Destabilisierung der Regierung förderten. Dies geschieht in einer Weise, die zwar nicht zum Bruch jenes Systems der Machtausübung führt, in dem die Caudillos einen Sonderplatz einnehmen, die aber implizierte, dass die Zentralregierung, wenn es die Umstände erforderten, ihre Macht einsetzte, um die Verbreitung von desintegrativen Tendenzen, die die Durchführung des liberalen Projektes beeinträchtigen würden, zu vermeiden.

Damit wird ein politisches System errichtet, das im Vergleich zu früher eine größere Ruhe ausstrahlt. Jedoch bringt das Verschwinden Guzmáns von der politischen Bühne Unordnung in den Prozess, der die kriegerischen Aktionen der Caudillos neutralisiert und damit zur Stabilisierung beiträgt. Die Kämpfe um die Führung innerhalb der Liberalen Partei verschlimmern sich, führen zur Krise und später zur Auflösung der Hegemonie des „Liberalismo Amarillo“.

Das Ende der Hegemonie des „Liberalismo Amarillo“

Als Antonio Guzmán Blanco 1887 das Land verlässt, beginnt sein politischer Einfluss zu schwinden. Die mit der Zustimmung von Guzmán Blanco erfolgte Wahl von Juan Pablo Rojas Paúl als Präsident leitet eine Krise und damit die Auflösung der Hegemonie des „Liberalismo Amarillo“ und des politischen Systems ein, das eine relativ friedliche Periode und die Begünstigung der Konsolidierung vieler liberal-staatlicher Fundamente befördert hatte.

Weil eine Figur, die fähig ist, die verschiedenen Interessen innerhalb des „Partido Liberal Amarillo“ zu versöhnen, fehlt, beginnt sofort eine politisch unruhige und instabile Periode, die das Ergebnis der Bildung zahlreicher Gruppen sowie des
Machtstrebens der verschiedenen Caudillos und der mit dem „Liberalismo Amarillo“ verbundenen Personen ist. Der Rücktritt Rojas Pauls und der Aufstieg von Andueza Palacio zur „ersten Magistratur“ entschärfen die angespannte und intrigante Stimmung nicht.

Der Versuch des Präsidenten, sich durch eine Verfassungsreform im Amt zu halten, wird von General Joaquin Crespo, einem typischen aus der Föderation hervorgegangenen Caudillo und einer herausragenden Figur im caudillisten Systems Guzmáns, zerschlagen. Im Jahre 1892 initiiert er einen bewaffneten Aufstand gegen die andauernden Machtbestrebungen Anduezas. Mit dieser „Revolución Legalista“ gelingt es ihm, die Macht zu ergreifen, Präsident zu werden, eine neue Verfassung zu verabschieden und eine Zeit beginnen zu lassen, in dem er zu einer Hegemonialfigur innerhalb eines Systems von Bündnissen wird, wie es seit 1870 durch die „Liberales Amarillos“ praktiziert wurde.

Aufgrund der vorangegangenen politischen Zerrüttung und und der Unfähigkeit Crespos, seine Autorität gegen die Machtambitionen der Caudillos durchzusetzen, gelingt es selbigem nicht, seine politische Vormachtstellung zu behalten. Im Jahre 1897 versucht er, seinen Nachfolger, General Ignacio Andrade, mit Hilfe von Wahlbetrug einzusetzen. Diese Initiative Crespos löst Unzufriedenheit unter den nationalistischen Liberalen aus, die, nachdem sie sich am Wahlprozess von 1897 beteiligt und ihre eigenen Machtambitionen durch das „crespistische“ Wahlmanöver durchkreuzt gesehen hatten, nun zu den Waffen greifen. Joaquin Crespo stirbt im gleichen Jahr, als er versucht, den Widerstand gegen Andrade zu unterwerfen.

Mit dem Tod Crespos bleiben dem Präsidenten Andrade aufgrund der internen Konflikte zwischen den Caudillos und den verschiedenen Gruppen, die die Liberale Partei spalten, kaum noch Möglichkeiten, sich an der Macht zu halten. Angesichts der von der Andrade-Regierung unter Beweis gestellten Schwäche fällt im Jahre 1899 General Cipriano Castro, Anführer einer kleinen andinischen Streitmacht, in das Land ein und übernimmt nach einem schnellen und erfolgreichen Marsch mit Kurs auf das Zentrum die „erste Magistratur“. Mit dem Sieg der „Revolución Liberal Restauradora“ findet die politische Hegemonie des „Liberalismo Amarillo“ ihren Abschluss; es beginnt das Ende des caudillistischen Systems, und es wird eine Reihe von Schritten in Richtung eines militärischen und politischen Zentralisierungsprozesses unternommen, der sich schließlich mit der Regierung von Juan Vicente Gómez konsolidiert.

Übersetzung a. d. Spanischen: Jochen Mattern/Heidrun Zinecker

* Historikerin, Promovendin im Instituto de Estudios Hispanomericanos-Universidad Central de Venezuela.

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