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Venezuelas Reaktion im Grenzkonflikt zwischen Ecuador und Kolumbien

Enrico Caldas Meyer | | Artikel drucken
Lesedauer: 5 Minuten

Am Mittwoch den 27. Februar 2008 war die Welt für Hugo Chávez noch in Ordnung. Seit Wochen war er mit Raúl Reyes, dem Verhandlungsführer und Vize-Chef der FARC, in Kontakt, um sich für die Freilassung weiterer Geiseln einzusetzen. Nach einer Ankündigung der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens sollten an diesem Tag vier Geiseln, welche sich seit sechs bzw. sieben Jahren in der Gewalt der FARC befunden hatten, freigelassen werden. Aus der venezulanischen Hauptstadt Caracas wurden zwei Hubschauber mit dem Symbol des Roten Kreuzes losgeschickt, um die Geiseln aus dem kolumbianischen Urwald zu holen. Auch wenn Hugo Chávez das Vermittlungsmandat durch Kolumbiens Präsident Álvaro Uribe offiziell entzogen wurde, so ist es seinen Bemühungen zu verdanken, dass nach dem 10. Januar 2008 erneut Geiseln frei kamen. Trotz der Ankündigung der FARC, vorerst keine weiteren Geiseln freizulassen, bis sich die kolumbianische Regierung dazu bereit erklärt, im Südwesten Kolumbiens für 45 Tage eine entmilitarisierte Zone einzurichten, wertete Chávez die Freilassung als Erfolg und nutzte diesen Umstand, um Álvaro Uribe politisch weiter unter Druck zu setzen.

FARC-Vize Raul Reyes und 17 weitere Rebellen durch kolumbianischer Armee getötet (Flagge: Public Domain)Ging Chávez danach noch als Sieger hervor, so änderte sich das Bild nur drei Tage später am 1. März 2008 grundlegend. Da war ein völlig anderer Chávez zu sehen und hören. Ganz Venezuela, so schien es, war empört über den Vorfall in Ecuador, als die kolumbianische Armee den FARC-Vize Raul Reyes sowie 17 weitere Rebellen durch einen Raketenangriff auf ecuadorianischem Territorium tötete und im Anschluß nochmals die Souveränität Ecuadors verletzte, indem es in das Gebiet eindrang, um seine Leiche zu bergen. Am gleichen Tag hielt sich das Außenministerium hinsichtlich des Konfliktes zunächst noch bedeckt. Es wurde von einem schweren Schlag für weitere Verhandlungen mit den FARC gesprochen, sowie Kritik an der gewählten militärischen Lösung geäußert.

Am Sonntag (2. März), nutzte Hugo Chávez dann seine wöchentliche Sendung „Aló Presidente“ für einen Rundumschlag gegen Kolumbien und seinen militärischen Unterstützer; die USA: „Kolumbien ist ein terroristischer Staat, der sich dem größten Terroristen unterwirft, nämlich der Regierung der Vereinigsten Staaten und ihrem Staatsapparat.“ Chávez betonte, sich nicht durch das „nordamerikanischen Imperium“ und sein „Schoßhündchen“ Uribe beeinflussen zu lassen. Álvaro Uribe wurde während der Sendung zudem mit zahlreichen Schimpfwörtern wie „Lügner“ oder auch „Verbrecher/Krimineller“ bedacht.

Hugo Chávez: Kolumbien ist ein terroristischer Staat, der sich dem größten Terroristen unterwirft, nämlich der Regierung der Vereinigsten Staaten und ihrem Staatsapparat (Foto: Presidencia de la República del Ecuador)Geschickt eingefädelt nutze Hugo Chávez nicht nur die Gunst der Stunde, sondern auch den verzweifelten „Hilferuf“ des ecuadorianische Präsident Rafael Correa, da Ecuador Kolumbien finanziell, militärisch und auch politisch in keinster Weise Paroli bieten kann. Es wirkte wie ein schlechter Polit-Thriller aus Hollywood, denn nicht in einer „offiziellen Pressekonferenz“, sondern noch während der Sendung ließ Chávez seinen Worten auch erste Taten folgen. Zum einen ordnete er die Schließung der venezolanischen Botschaft in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá an und zum anderen kündigte er den Aufmarsch von zehn Panzer-Bataillonen an der Grenze zu Kolumbien an. Der venezolanische Präsident betonte trotz dieser Maßnahmen: „Wir wollen keinen Krieg“. Klein beigeben wollte oder will er jedoch auch nicht und machte deutlich, dass ein solcher Vorfall auf venezolanischem Gebiet für Venezuela ein Kriegsgrund darstellen würde.

Die folgenden Tage versuchte Venezuela, seinen politischen Verbündeten Rafael Correa zu unterstützen, wo es nur ging. Am Montag (3. März) informierte Venezuelas Außenminister Nicolás Maduro die Nationalversammlung und verkündete, dass man den kolumbianischen Botschafter in Caracas samt Personal des Landes verweisen werde. Zugleich wurde die Regierung Kolumbiens als momentan „größte Bedrohung in Lateinamerika“ bezeichnet. Dienstag kam es letztendlich zur Schließung der Grenze nach Kolumbien, wodurch der Warenverkehr zwischen beiden Ländern fast zum Erliegen kam. Den finalen Showdown gab es dann am Mittwoch (4. März), als die venezolanische Militärführung verlauten ließ, dass 85 Prozent der insgesamt 8000 an die Grenze abkommandierten Soldaten bereits an ihren Stationierungsorten eingetroffen sind. Am gleichen Tag kündigte Uribe an, dass man Hugo Chávez wegen angeblicher Geldzahlungen an die FARC (in Höhe von 300 Millionen US-Dollar) vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Völkermordes verklagen will. Venezuela sah darin jedoch nur eine Ablenkung vom eigentlichen Konflikt.

Jeder war gespannt auf das XX. Gipfeltreffen der Rio-Gruppe in Santo Domingo (Dominikanische Republik), wo sich die Regierungs- und Staatschefs aller lateinamerikanischen Länder (außer Kuba) direkt gegenüber standen. Vor dem Flug äußerte sich Hugo Chávez erneut und sagte: „Die Lateinamerikaner haben zwei Wege: Krieg oder Frieden.“. Die Stimmung war angespannt und aufgrund der Gemütslage und Emotionsbereitschaft aller Beteiligten nur schwer vorauszusehen.

Am Ende kam jedoch alles ganz anders als gedacht. Entgegen aller Erwartungen – vielleicht ähnlich wie in einer lateinamerikanischen Telenovela – sah man im Fernsehen Álvaro Uribe, Rafael Correa und Hugo Chávez mit einem „Lächeln im Gesicht“, während sich alle nach einander die Hände schüttelten. So schnell wie die Krise eskaliert war, so schnell wurde sie – zumindest dem äußeren Schein nach – auch wieder beigelegt. Nach einer ausführlichen Entschuldigung von Álvaro Uribe für die Verletzung des ecuadorianischen Territoriums und seiner Souveränität wurde der Konflikt auf diplomatischer Ebene gelöst. Alle Seiten verpflichteten sich in der Erklärung des Gipfeltreffens entsprechende Kommunikationskanäle offen zu halten und nach Möglichkeiten der Entspannung zu suchen.

Auch wenn die kolumbianische Entschuldigung für Correa einen mehr oder weniger faden Beigeschmack hat, so ist damit doch für Venezuela der Konflikt offiziell beendet. Einen Tage später, am Samstag den 8. März, ließ Chávez in einer Rede zum Internationalen Frauentag verlauten, dass die zusätzlich an der venezolanisch-kolumbianischen Grenze entsandten Soldaten in zwei Tagen zurückkehren werden.

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Bildquellen:

[01] FARC Flagge. Public Domain.
[02] Hugo Chávez. Presidencia de la República del Ecuador.

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