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Der gespiegelte Blick: Selbstportraits der Frida Kahlo

Gabriele Töpferwein | | Artikel drucken
Lesedauer: 3 Minuten

Weder Derain, noch ich oder Du sind in der Lage, einen Kopf so zu malen wie Frida Kahlo.
Picasso an Diego Rivera, 1939

Frida Kahlo ist ein Mythos, und das hat viele Ursachen. Schon zu Lebzeiten war sie eine berühmte Malerin, anerkannt und gefeiert nicht nur von Kollegen. Nach einem schweren Unfall in ihrer Jugend war sie ständig krank und kämpfte bis zu ihrem Tod, auch mit ihrer Kunst, gegen das Leiden an. Sie war mit dem berühmten Diego Rivera verheiratet, und das sogar zweimal. Letzteres können z.B. ihre frauenbewegten Bewunderinnen heute so gar nicht begreifen Es passt nicht zu ihrem Bild der Mexikanerin. Irgendwie entzieht sich Frida Kahlo wohl jeder eindeutigen Zuweisung.

Der Film von Marita Loosen aus dem Jahre 2006 wendet sich den Selbstportraits der Mexikanerin zu. Die Kunst von Frida Kahlo ist für eine solche Betrachtung prädestiniert, machen doch Selbstportraits einen Großteil ihres Werkes aus. Frida Kahlos Malerei war eine ständige Auseinandersetzung mit sich selbst, mit ihrem Leben, das von einem unvorstellbaren Leiden beeinträchtigt war.

In der Ankündigung heißt es, der Film stelle zum ersten Mal nicht die Krankheit der Künstlerin in den Mittelpunkt der Betrachtung. Das ist vermutlich sein Problem. Wie interpretiert man Frida Kahlos Bilder, ohne ihre Krankheit im Blick zu haben? Der verletzte Hirsch, Ohne Hoffnung, Die zerbrochene Säule, Gedanken an den Tod, Henry Ford Hospital – diese Titel sprechen ihre eigene Sprache. Krankheit, Schmerzen, der unerfüllbare Wunsch nach einem Kind, all das durchzieht ihre Kunst. Auf ihren Selbstportraits blickt sie meist sehr ernst, fast unbeteiligt. Schafft sie damit Distanz zu sich selbst? Nach dem Unfall entstand ein Foto, das die gerade 18-Jährige zeigt: Sie blickt ernst, distanziert, fast prüfend in die Kamera. Das Bild wirkt wie eine Vorwegnahme ihrer Selbstportraits. „Damals begann ich, ernst und konzentriert zu schauen, zu zeigen, dass ich eine gute Kämpferin bin.“, schreibt Frida Kahlo rückblickend. Der schwere Unfall hatte ihr Leben radikal verändert, alle Lebenspläne schienen schlagartig zerstört. Ihr Wunsch, Ärztin zu werden, wurde unerfüllbar. Auch der nach Kindern. Die 19-Jährige schreibt nach ihrem Unfall Zeilen für ihr ungeborenes Kind Leandro…

Obwohl sie schon vorher Kunstkurse belegt hatte, führte sie erst die erzwungene Untätigkeit nach dem Unfall endgültig zur Malerei. Ist ihre lebenslange „Suche nach einer zweiten Frida“ denkbar ohne den Verlust der ersten? Da muss man wirklich nicht die imaginäre Freundin ihrer Kindheit bemühen, Frida Kahlo lebte vermutlich ständig mit dem Bewusstsein der Möglichkeiten, die der Unfall im Jahre 1925 abgeschnitten hatte. Ist es ein Zufall, dass sie Votiv-Bilder sammelte?

Einen Aspekt arbeitet der Film deutlich heraus: Frida Kahlo hat sich selbst zur Ikone gemacht, mit welchen Intentionen auch immer. Die mexikanische Tracht trug sie auf Wunsch ihres Mannes. Dass sie die Tehuana-Tracht wählte, mag an der Herkunft ihrer Familie mütterlicherseits gelegen haben, die aus Oaxaca kam. Aber wie sie ihre Kleidung, ihren Schmuck, ihr Auftreten, das Zurschaustellen der mexicanidad einsetzte, das war ganz Frida Kahlo. Sie inszenierte sich, schuf ein Bild von sich selbst, nicht nur in ihren Kunstwerken. Es gibt Fotografien, auf denen sie geradezu madonnenhaft erscheint. Ich habe noch kein Foto von Frida Kahlo gesehen, dass nicht irgendwie gestellt wirkt.

Es geht nicht darum, die arme leidende Künstlerin darzustellen, wie es nicht selten geschieht. Aber eine gute Analyse der Einflüsse des Lebensschicksals der Frida Kahlo auf ihre Kunst hätte ich mir schon gewünscht. Denn losgelöst von den Leiden und Einschränkungen, mit denen sie bis zu ihrem Tod zu kämpfen hatte, ist ihre Kunst so wohl nicht denkbar.

Der gepiegelte Blick: Selbstportraits von Frida Kahlo (2006),
3sat, 2. August 2008

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