Eine Kunstausstellung über Frauen aus vier kolumbianischen Gemeinden ist der Ausgangspunkt für eine journalistische Forschungsreise, um den Geschichten hinter den Portrait auf den Grund zu gehen. Ein Zwiegespräch zwischen Kunst und Journalismus, mit der indigenen Realität im Mittelpunkt.
Die Misak-Frauen
Ángel Unfried
Für Misak-Frauen ist das Webereihandwerk von immenser Bedeutung. Wissen und Fertigkeiten werden über Generationen weitergegeben. Der Webstuhl besteht aus vier Holzleisten; die zwei großen zu beiden Seiten stehen für Mama und Papa, die Familienoberhäupter, die Querbalken für die Kinder. Der Webstuhl vereint die ganze Familie. Hier weben wir unsere ruanas, die chumbes, die cinchas und die anacos1, unsere Röcke. Meiner ist klein, aber zuhause hatte meine Mama einen riesigen Webstuhl. Sie sagte mir immer, der darf nicht fehlen zu Hause, an einem Ort, wo Licht hinfällt“.
Dort, vor ihrem Webstuhl, unter einem Dachfenster im Wohnzimmer ihres Hauses im Misak-Gebiet Silvia in der Cauca-Region, wurde Jacinta Cuchillo von Ruven Afanador an einem Nachmittag im April 2018 porträtiert. Auf der abgebildete grüne Wand mit den vier Holzleisten, hat die Künstlerin Ana González Jacintas Worte über dieses Familiengerüst auf Spanisch transkribiert.
Jacinta ist nicht allein. Zuhause teilt sie das Kommen und Gehen der Stunden und des Flusses mit ihrem Sohn Payán und ihrem Gefährten Luis Calambás. Beide ungefähr vierzig Jahre alt, reden sie mit Stolz von ihrem Erbe und sie schauen sich mit einer Liebe an, die nach fünfzehn gemeinsamen Jahren noch immer neu wirkt. Jacinta spricht von Luis immer als ihren „Gefährten“.
„Ich habe gesehen, dass man so besser lebt […] Man sieht auch gerade jetzt, wie schnell Ehen auseinandergehen. Er gehört nicht mir und ich bin nicht sein Eigentum. Wir sind schon Jahre zusammen, mit unserem Sohn, Payán“.
[…]
Jacinta fing an diese Realität zu begreifen, als sie Ende der Neunziger aus dem Elternhaus im Dorf auszog und in die Berge eindrang. Sie ließ ihre westliche Kleidung zurück und zog blaue Stoffe an, nahm an traditioneller Gemeinschaftsarbeit teil und versuchte in eine Misak-Schule aufgenommen zu werden, um Guam zu lernen und ihr Erbe zu verstehen.
Im Jahr 1999 war das Haus Payán noch mitten im Bauprozess. Es war der Taita Avelino Dagua der die abschließenden Bauarbeiten dieses Wissenszentrums der Misak leitete, das mit jedem Stockwerk eine grundlegende Dimension des Volkes versinnbildlicht: Die erste Etage ist das Territorium, die zweite Autorität und die dritte Spiritualität. Der Taita lehrte sie auch die Geschichte der Kämpfe um dieses Gebiet, sowohl um es aus den Händen der Weißen zurückzugewinnen, als auch wegen Streitigkeiten unter den Gemeinschaften selbst. Er erzählte ihr das erste Mal von der Gleichstellung zwischen Mann und Frau, davon, dass beide für Herd und Haus verantwortlich waren. Und vor allem offenbarte er ihr das Wesen der Spiritualität und die Kosmogonie der Misak.
„Wir sind Kinder des Wassers und kommen aus den Seen Ñimbe und Piendamó. Piendamó ist männlich und Ñimbe weiblich. In einer Regenperiode liefen die Seen über. Zwischen den Steinen und der Erde, die der Strom mit sich führte, entstanden auch das Mädchen und der Junge. Die Naturgeister zogen sie mit einem Seil aus dem Wasser und lehrten ihnen alles, was wir sind. Das passierte aller zehn Jahre mit der Geburt eines Häuptlings. Wir sind die vierte Generation der Kinder des Wassers“.
[…]
Unter der Erde des Innenhofs ist die Nabelschnur ihres Sohnes Payán vergraben. Ihr eigener ist in den Bergen, im Inneren der Region.
[…]
„Manchmal frage ich mich, wird das eines Tages völlig aufhören? Dann sage ich meinem Kind, dass er sich nicht schämen soll, Misak zu sein, und dass er unsere Sprache spricht. Das ist unsere einzige Verteidigung, unser Schutzschild. Es schmerzt mich sehr zu denken, dass wir als Misak verschwinden würden. Hoffentlich macht mein Sohn eines Tages weiter. Wenn er an die Uni geht, muss er hierher zurückkehren, wo sein Nabel ist“.
Ich sehe in ihrem Gesicht ein erleichtertes Lächeln. Es gibt neue Hoffnung, weil eine ihrer Nichten sich dafür entschieden hat, als Misak zu leben. Außer ihr, bewahrt unter allen Cousinen und Cousins nur Payán Santiago die Tradition und macht sie auch für alle sichtbar, mit Stolz in seinen starken schwarzen Augen und dem Ursprung seines Nabels, der am Fluss Piendamó vergraben ist. Von dort hört er den Fluss rauschen während er am Webstuhl an einer ruana arbeitet, die er über seinem Trikot von Lionel Messi tragen wird.
Die Gunadule-Frauen
Daniel Pineda
Wir befinden uns im Versammlungshaus – u Onmakket Nega – einem traditionellen und ehrfurchterweckenden Gebäude mit einem von der Bitterpalme gedeckten, hohen, symmetrischen Dach. Die Wände sind aus Brettern und der Fußboden tonhaltig und unregelmäßig. Einige Hängematten sind an durchgehenden Querbalken aufgespannt. Außerdem gibt es große, hängende Gemälde mit Gebäudezeichnungen; traumhafte Darstellungen der Heiligen Stätten.
[…]
Wir sind gekommen, um die Portraits zu übergeben und entdecken dabei, dass in dem Willen Gunadule-Kultur und -tradition lebendig zu halten, die Frau eine entscheidende Rolle innehat.
„Es sind sie, das Herz der Rituale, von Geburt an und ihr ganzes Leben hindurch. Daher kommt es, dass sie Monate lang Nachtwache halten und geschmückt sind mit Nasenringen, feinen Gesichtszeichnungen mit Jagua-Farbe, Glasperlen an Beinen und Unterarmen, eingewebten Kleidern, schützenden Molas, Ketten und Armbändern.
Die Männer, vor allem die Älteren, bewahren auch eifrig einen Teil der ererbten Bräuche, wie Gesänge und Korbflechten. Aber es liegt in der Verantwortung der Frauen, den seit jeher vererbten Symbolismus der Ahnen auf dem Rücken zu tragen.
Jetzt möchten wir wissen, wie sie die Fotos finden.
Daraufhin werden Blicke ausgetauscht, ergänzt durch kurze Sätze in Dulegaya, ihre ursprüngliche Sprache. Der saila (dr.: Häuptling) lauscht aufmerksam ihren Kommentaren und wendet sich, während er die Fotografien verstaut, an einen Dolmetscher, der seine Worte in Spanisch wiedergibt: „Sie sagen, die Fotos sind gut, aber sie verstehen nicht, warum die Farbe fehlt“. Das Universum an farblichen Abstufungen, das die schmuckvolle Kleidung der Frauen ziert, erklärt den Einwand. Für jeden Fremden wäre es schwierig, das Bild einer Gunadule-Frau in Schwarz-Weiß festzuhalten.
(…)
Seit der Eroberung Lateinamerikas war die Geschichte der Gunadule-Ethnie ein unaufhörlicher Exodus. Obwohl ihre Wurzeln auf Kolumbien zurückgehen – im Besonderen auf die Region Bajo Atrato und El Darién – drängte sie die Belagerung des weißen Mannes und die maßlose Gewalt unendlicher Kriege immer weiter nach draußen.
Heute leben mehrheitlich ungefähr 65000 Gunadule in Panama. Dort haben sie nicht nur ihr eigenes gemeinsames und autonomes Gebiet von 235000 Hektar, sondern auch Rechte und Freiheiten, die ihnen hier verwehrt werden.
[…]
„Wir sind uns bewusst, dass wir einen Teil unserer Kultur verloren haben“, bemerkt Nazario in perfektem Spanisch. „Aber trotz allem, was wir erleben mussten, bewahren wir siebzig Prozent unserer Traditionen“.
Er sagt, dass Schlaf- und therapeutische Lieder und zeremonielle Gesänge während der Feiern fortbestehen, eigene Tänze und Flötenklänge, Heilung von Krankheiten durch Wurzeln und Pflanzen, die Herstellung von Alltagsgeräten aus Naturfasern, die gewebten Baumwollhängematten und die Mola-Kunst der Vorfahren, mit denen sie sich der Welt zeigen. Er erläutert, dass die ursprüngliche Sprache erhalten wird, Gemeinschaftsarbeit Gesetz ist und dass Entscheidungen im Gebiet selbst in der Zeit der Trennung, in der Hauptversammlung getroffen werden.
Doch dann gibt er zu, dass die Marktdynamik, der Einfluss der westlichen „Entwicklung“ und der die Welt beherrschende Konsum die Zukunft der Ethnie gefährdet.
Heute werden die Älteren zum einen aktiv, um den Verfall zu verhindern, der durch bewaffnete Gruppen, Kolonisatoren, den Bergbau, und im Allgemeinen Gewalt ausgelöst wird, die das alltägliche Leben in El Urubá infiltriert und bestimmt. Zum anderen geht es darum, dringend einen Ausweg zu finden, um als Volk und Kultur überleben zu können.
[…]
Dieser Kampf wird schon bald von den kommenden Generationen abhängen, die zweifellos die verwundbarste Gruppe der Gunadule-Bevölkerung des Landes sind.
Die Wayúu-Frauen
Natalia Borrero
„Eine Wayúu-Frau zu sein, heißt weben zu können… Wir sind die Kinder der Spinne… Wir sind die Wirbelsäule unseres Volkes… Wir sind diejenigen, die bereit sind, Nein zum Krieg zu sagen, wir wollen den Frieden… Das sind wir Wayúu-Frauen“ (Conchita Ospina Ipuana).
Es weht ein starker Wind. Er wirbelt Sand auf, gelb wie die Sonne, von der die Halbinsel der Guajira beleuchtet wird – die Heimat des Sand-, Sonnen-, und Windvolkes, der Wayúu. Sein Name kommt aus dem Arhuaco und heißt „Machtvolle Männer und Frauen“.
Bei ihren Wanderungen durch die Natur durchqueren sie täglich die Wüste […] Trotz der unbarmherzigen Sonne gehen die Wayúu-Frauen aufrecht durch den Sand. Sie bedecken sich mit Tüchern und bemalen ihr Gesicht mit „pai-pai“, einer Mischung, die aus Ziegentalg und dem gemahlenen Pilz „pai-pai“ gewonnen wird, der nur in der Regenzeit wächst. Manche mit ihrem alltäglichen susu (dt.: Rucksack) auf der Schulter. Andere mit dem susuainiakajatu auf dem Kopf. Dieser traditionelle Rucksack macht einen elastischen Eindruck und ist aus gewundenen Fäden gewebt. Man bindet ihn um die Mitte der Kalebasse oder des Kanisters, womit die Frauen stundenlang Wasser von den Stauseen bis nach Hause transportieren.
[…]
Rucksäcke, Decken, Taschen, Hängematten… Die Weisheit der Vorfahren der Frauen zieht sich durch alle Webstoffe. Von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang, Stunden vergehen zwischen Fäden und Nadeln; es werden Geschichten gewebt und mit jedem Nadelstich das eigene Leben und das eines Volkes verflochten, das sich weigert, seine Kultur und Tradition zu verlieren.
[…]
Die Webkunst für die Wayúu ist mehr als kulturelle Praktiken oder das Erbe der Vorfahren. Es ist eine Art, das Leben zu begreifen und auszudrücken, wie sie es fühlen oder sich wünschen. Eine Kunst zum Nachdenken, aber auch zum Genießen. Sie erlaubt es ihnen, den Geist zu lesen, der ihre Handlungen und Gedanken leitet.
Der Volkszählung von 2005 zufolge identifizierten sich 270413 Menschen als Wayúu. Neunundvierzig Prozent Männer, einundfünfzig Prozent Frauen. Die Wayúu machen 19,4 Prozent der indigenen Bevölkerung in Kolumbien aus. Von den siebenunddreißig Prozent, die angeben, eine Ausbildung jedweder Art zu haben, sind die meisten Frauen.
Das Wayúu-Volk ist matrilinear. Alles wird über die mütterliche Seite weitervererbt. Sie geben Wissen und Weisheit weiter und auch den Landbesitz. Dieses Gesetz soll die Wayúu-Gesellschaft aufrechterhalten. Polygamie ist erlaubt, weshalb Männer Kinder mit verschiedenen Frauen haben können.
Die wichtigste Rolle, Kindererziehung und sozialer Zusammenhalt, kommt der Familie mütterlicherseits zu. Der Vater und die Brüder sollen Traditionen und das kulturelle Erbe lehren. Wenn es der Moment erfordert, sind sie auch Vermittler in Konflikten, bis hin, dass sie die Mitgift der Frauen des Hauses aushandeln.
[…]
Jetzt weben sogar die Männer. Sie helfen den Frauen dabei, Kordeln herzustellen […] und holen die Fäden ab. Auch sie wollen die Zukunft ihrer Ethnie mit in die Hand nehmen, so wie es ihre Vorfahren, jene machtvolle Männer und Frauen vor Tausenden von Jahren getan haben. Die Legende erzählt, dass sie vom Amazonasgebiet über Venezuela hierher kamen. Sie verdrängten andere Gemeinschaften, wie die Arhuacos, und siedelten in der Trockenheit des Guajira-Gebietes.
Die Nähstiche in den Rucksäcken und Hängematten werden das tiefgründige Wesen des Volkes lebendig halten. Aber sie werden nicht ausreichen, um existieren zu können. Die Wayúu leben in einem konstanten Paradoxon: Sie haben das kristallklare Meer vor Augen, aber eine trockene Kehle. Es gibt keinen Tropfen Süßwasser im Boden oder aus den Wolken. Sie beschwören Juya, den Regen, den Regen, der ihnen erlaubt ihre Staubecken aufzufüllen und ihren Durst zu stillen, und den Durst ihrer Tiere […].
„Wir sind die Töchter des Wassers, weil es unsere Aufgabe ist, Wasser zu holen und die Staubecken und Stauseen instand zu halten. Wir haben den Auftrag, die Unseren, wie auch andere Menschen darauf aufmerksam zu machen, verantwortungsvoll mit dieser lebensspendenden Ressource umzugehen“ (Conchita Ospina Ipuana).
Die Arhuaca-Frauen
Tatiana Rojas Hernández
Wer eine Arhuaca-Frau aufsuchen will, muss einen kalkhaltigen Felsen emporsteigen, zwei steinige Flüsse überqueren und einen Bogen um die Schluchten machen, die durch Sonne und Regen bröckeln. Dort oben sind sie, nah, ganz nah am heiligen Hügel von Jewrwa, bei den Arhuacos bekannt unter dem Namen Der Vater des Wassers. Diejenigen, die ihm gegenüber wohnen, so die Legende, tragen den Namen Kinder des Wassers. Sie sind dort, 1300 Meter über dem Meeresspiegel.
Vor Sonnenaufgang erwachen sie in der Stille ihrer Häuser aus Erde und Stroh. Sie entfachen Feuer im Herd, bereiten Farbe zu und weben, immer weben sie. Obwohl es montags nicht leicht ist, sie außerhalb des Hauses anzutreffen, ist es nachmittags möglich sie zu begrüßen, wenn sie Holz heranschaffen. Einige, vielleicht die jüngsten, weichen dem Fremden aus, senken den Blick und weben weiter. „Es ist sehr selten, eine waty (dt.: Arhuaca-Frau) im Gespräch anzutreffen, weil ihre Gedanken immer gewebt werden, in die Tragetasche hinein, die nicht nur Wolle oder ihre Kinder transportiert, sondern das Vermächtnis eines Volkes“, erläutert Maileth Izquierdo, eine Arhuaca-Professorin der Institución Educativa Seykatun de Jewrwa, dem einzigen Bildungszentrum der Gemeinde. Für sie geht die Spur der waty bis an den Ursprung zurück. Sie ist das ausdrückliche Sinnbild der Mutter Erde.
[…]
Die Frau ist außerdem die Tür zum Erwachsenenleben des Mannes. Wenn er keine Beraterin hat, wird er in soziopolitischen Sphären nicht ernst genommen. „Oft sind die Äußerungen oder Entscheidungen eines tety (dt.: Arhuaco-Mann) ein Echo dessen, was ihm seine Gefährtin zuhause gesagt hat. Die Frauen sind Führungspersonen, die uns im Schatten Weisheit weitergeben“, erklärt Seykarim Mestre, Arhuaco-Student an der Universidad Nacional in Bogotá.
Aber die passive Haltung, die das Feminine in der Kosmogonie der Arhuaca angenommen hat, darf auf keinen Fall mit Handlungsunfähigkeit gleichgesetzt werden. Diejenigen, die dies immer wieder betonen, sind paradoxerweise die Männer. Die Sagas sind Priesterinnen der Sierra Nevada, Großmütter einer Jahrtausende alten Tradition, Frauen, die Respekt ausstrahlen“, erklärt Miguel Izquierdo, der mit einer Bonachi-Frau seit sieben Jahren in Jewrwa lebt.
[…]
[O]hne dass wir es bemerkten, betraten grußlos zwei Frauen das Verwaltungshaus. In einem Wohnzimmer, in dem nur Männer anwesend waren, flüsterten sie in Iku und webten ihre Rucksäcke, ohne auf die Bewegungen ihrer Finger und Nadeln zu schauen. Manchmal merkte man ihnen einen Anflug von Neugierde an, und von Weitem begutachteten sie die Gesichter von Arhuaco-Männern und Frauen auf einem Schwarz-Weiß-Foto. Eine von ihnen heißt Luisa Izquierdo, ist sechzig Jahre alt und wohnt etwas entfernt von der Gemeinde […] Als wir am Eingang ihres Hauses mit Erdwänden und Strohdach ankamen, trat sie uns aus der Küche entgegen und empfing uns im Kreis ihrer Töchter und Schwiegertöchter. Da sie schon ein langes Gespräch vorausahnte, suchte sie sich einen Stuhl und setzte sich. Sie erzählte uns von ihrer Kleidung. Sie sagt, dass sie sich schon im frühesten Kindesalter an das Weiß erinnern kann. Sie beklagt, dass ihre Enkelkinder sich nicht traditionell kleiden, aber sie weiß auch, dass es heute ein Luxus ist, denn die Kleidung ist teurer als die der Bonachi. Sie musste sogar ein paar ihrer Kleider aus Stoff machen lassen und nicht aus Baumwolle, wie es die Tradition vorsieht.
Ohne Bescheid zu geben, erhob sie sich mitten im Gespräch und ging in die Küche, ein Revier zu dem nur die Frauen Zutritt haben, da sie diejenigen sind, die das Holzfeuer entfachen. Trotzdem, an diesem Nachmittag, als die Männer Kaffee ernteten und wir miteinander redeten, war ein Mann in der Küche. Es war einer ihrer Söhne, der Kokablätter in der Pfanne röstete, die er später auf dem Kaffeefeld kauen würde. Obwohl wir mehrheitlich Frauen waren, bewirkte die zurückhaltende Anwesenheit eines Mannes in Luisas Küche, dass die Stille der Arhuaca-Frauen wieder laut wurde.
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Original-Beitrag aus La Semana (http://especiales.sostenibilidad.semana.com). Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift.
Übersetzung aus dem Spanisch: Uta Hecker
Bildquelle: La vida de una Misak_Snapshot
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1 Ruana (ponchoartiger Mantel), Chumbe (Gürtel für ein Tragetuch), Cincha (Schnalle), Anaco (Rock)
2 Jagua: Pflanzensamen, aus denen die Frauen Pigmente (Farbstoffe) herstellen.
3 Mola: geometrische Muster auf Textilien, die z.B. den Schutz der Mädchen darstellen und böse Geister fernhalten.