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Der neue Präsident

Heidrun Zinecker | | Artikel drucken
Lesedauer: 5 Minuten

Seit dem 7. August 2002 hat Kolumbien mit Álvaro Uribe Velez einen neuen Präsidenten. Seines Zeichens Liberaler, aber nicht offizieller Kandidat der Liberalen Partei, hatte Uribe die Wahlen vom 26. Mai 2002 gegen den offiziellen Kandidaten der Liberalen Partei, Horacio Serpa Uribe, schon in der ersten Runde mit 52,9 Prozent der Stimmen, darunter denen der Anhänger der Konservativen Partei, gewonnen und sein Amt am 7. August 2002 angetreten. Daß Uribe nicht als offizieller Kandidat einer traditionellen Partei angetreten und als Liberaler von der Konservativen Partei unterstützt worden war, deutet auf ein Aufbrechen des informellen bipartidismo hin. Wenn ihm in einer izquierda uribista auch Linke zur Seite stehen, wirft das nicht nur ein bestimmtes Licht auf diese Organisationen; es zeigt auch, wie stark und in welch weitem politischen Spektrum Uribe zu vereinnahmen weiß. Doch 54 Prozent der Wahlberechtigten waren nicht zur Wahl gegangen. In absoluten Zahlen konnte Uribe weniger Stimmen auf sich vereinigen als sein Vorgänger Pastrana in seiner zweiten Wahlrunde. Zur „Begrüßung“ ließen die FARC am Tag der Amtsübergabe unweit vom Präsidentenpalast Explosionen stattfinden, die in einem Armenviertel 20 Tote und viele Verletzte forderten.

Uribe ist einer der größeren Viehzüchter Kolumbiens und hat mit dem Tod seines Vaters, den die FARC 1983 bei einem Entführungsversuch ermordeten, die besondere Feindschaft zwischen dieser Guerilla und den Viehzüchtern erfahren. Letztere wiederum stellen einige der Hintermänner der paramilitares. In seinen Zeiten als Bürgermeister von Medellin und Chef der zivilen Luftfahrt war Uribe „nicht frei“ von guten Beziehungen zu den narcos sowohl des Medellin- als auch des Cali-„Kartells“ gewesen. Als Gouverneur von Antioquia galt er als Vater der autodefensas CONVIVIR. Ganz und gar uncharismatisch, ähnelt er jedoch wenig dem typischen lateinamerikanischen Populisten, sondern präsentiert sich vielmehr als ein unermüdlicher Arbeiter, der dadurch eine „Wende“ bewirken will. Die von ihm angestrebte Verknüpfung einer „harten Hand“ mit nicht unwesentlichen politischen und sozialen Reformen – er selbst bezeichnet sich als Sozialdemokrat – prädestiniert ihn zum Rechtspopulisten.

Uribe hat, um die Guerilla zu zerschlagen oder zumindest militärisch so zu schwächen, daß er ihre Kapitulation erreichen kann, eine beispiellose Militarisierung begonnen, die er – den Unterschied zu früheren Konzepten der „Nationalen Sicherheit“ herausstellend -als Stärkung der „demokratischen Sicherheit“ bezeichnet. Der Bürger soll an der „demokratischen Sicherheit“ selbst mitwirken, was die Gewähr für einen Estado comunitario sei. Der Staat wolle keinen Krieg verkünden, sondern nur die staatlichen Sicherheitskräfte stärken, meint der Alto Comisionado de Paz der Regierung Uribe, Luis Carlos Restrepo. Die „demokratische Sicherheit“ sieht Uribe als Voraussetzung für jeglichen Friedensprozeß an. Gleichzeitig bezeichnet er sie als Garantie dafür, daß für eine sich in das Zivilleben integrierende Guerilla keinerlei Lebensgefahr besteht. Als eine seiner ersten Amtshandlungen erklärte Uribe den Ausnahmezustand. Die Sicherheitskräfte sollten verdoppelt werden. Uribe hat die Bewaffnung der Bevölkerung in Bürgerwehren und die Bildung von zivilen Informationsnetzen – eine Million Bürger sollen über Guerilleros informieren – anberaumt. Außerdem gibt es nun Soldaten, die zwar zu Hause wohnen, aber kämpfend die staatlichen Sicherheitskräfte unterstützen. Die USA haben Hilfeleistung für Uribes „demokratische Sicherheit“ zugesagt und noch vor dessen Amtsübernahme ein Gesetz unterschrieben, das es erlaubt, die für den Antidrogenkampf bestimmten US-amerikanischen Ressourcen auch für den Kampf gegen die Guerilla einzusetzen, da man ja zwischen Drogenhandel und Terrorismus nicht unterscheiden könne. Uribe seinerseits hat von der finanzstarken Bevölkerung eine einmalige Kriegssteuer von l,2 Prozent auf Eigentum erhoben. Gleichzeitig hat sich Uribe aber auch auf den Diskurs eines Friedensprozesscs eingelassen, der von seiner Regierungein Element der „demokratischen Sicherheit“ genannt wird. Die Regierung Uribe will einen langsamen, dafür konsistenten und vertraulichen Friedensprozeß, statt einem schnellen, dann aber unterbrochenen und öffentlichen Friedensprozeß, wie er unter Uribes Vorgängern der Fall war. Sowohl seinen Vize-Präsidenten Francisco Santos als auch seinen Alto Comisionado de Paz hat Uribe mit Bedacht aus der Friedensbewegung rekrutiert. Der Präsident hat sogar schon vor seinem Amtsantritt die UNO um Vermittlung gebeten, allerdings nur für die Verhandlungen mit den FARC. Er hat von der UNO jedoch wohl nicht die von ihm erwartete Antwort erhalten. Die FARC ihrerseits lehnen ohnehin jegliche Vermittlung und der ELN jegliche UN-Vermittlung ab.

Als Voraussetzung für Verhandlungen mit der Guerilla – zumindest mit den FARC – gibt Uribes Alto Comisionado de Paz an, sie müsse eine Einstellung der Feindseligkeiten akzeptieren, was diese klar ablehnt. Auf die Nachfrage der Autorin, ob die Regierung tatsächlich nur in einem solchen Fall bereit sei, mit der Guerilla zu verhandeln, antwortete der Alto Comisionado ausweichend. Die Diskussion darum, ob die Guerillas als Terroristen zu bezeichnen sind, fand der Alto Comisionado aber interessanterweise „unnötig“. Da Präsident Uribe jedoch gewählt wurde, weil er den Wählern als der sicherste Garant für die Nichtfortsetzung des Verhandlungsprozesses erschien, „muß“ er eigentlich zumindest anfangs und da entschieden gegen einen Friedensprozeß agieren. Andererseits ist er pragmatisch genug, die Friedensoption nicht gänzlich auszuschließen, für den Fall, die FARC doch nicht militärisch besiegen zu können. ELN und Regierung sind hingegen bereit, einen Friedensdialog zu führen und haben auch schon nach der Amtsübernahme Uribes einige Sondierungsgespräche geführt. Die FARC stellen die sogenannte neue zona de distensión, den Verzicht auf ihre Bezeichnung als „(narko)terroristisch“ durch die Regierung und klare Maßnahmen der Regierung zur Ausräumung des Paramilitarismus als Bedingungen für die Wiederaufnahme des Dialogs. Im Gegensatz zu den ELN scheint ein Friedensprozeß mit den FARC, den die Regierung erst in der Situation einer militärischen Schwäche dieser Guerilla anstreben will, in weite Ferne gerückt.

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