Trotz Kritik von Menschenrechtsorganisationen und der Opposition bewegt sich die Bundesregierung auf die Machthaber in Honduras zu
Die Wahlen unter Kontrolle der Putschisten in Honduras Ende November haben die schwere politische Krise in dem mittelamerikanischen Land nicht beilegen können. Am 3. Dezember sprach sich die von putschnahen Kräften dominierte Nationalversammlung in Tegucigalpa zudem gegen eine – auch nur symbolische – Rückkehr des letzten demokratisch gewählten Präsidenten des Landes, Manuela Zelaya, in das höchste Staatsamt aus. Nach Agenturberichten war der Entscheidung eine mehrstündige Debatte vorausgegangen. Am Ende votierten 111 der 128 Kongressmitglieder gegen eine Wiedereinsetzung Zelayas bis zur Amtsübernahme des konservativen Politikers Porfirio Lobo Ende Januar. 14 Mandatsträger sprachen sich für eine Rückkehr Zelayas aus. Der geschasste Präsident bleibt damit auch weiterhin in der brasilianischen Botschaft in Tegucigalpa gefangen.
Lobo, der Kandidat der Nationalen Partei, war am 29. November aus einem von den Putschisten kontrollierten Wahlgang als Sieger hervorgegangen. Die Mehrheit der lateinamerikanischen und karibischen Staaten erkennt die Wahlen und in Folge auch Lobos Sieg jedoch nicht an. Der ehemalige chilenische Präsident Ricardo Lagos erklärte Anfang Dezember, die Entscheidung des Kongresses gegen eine Rückkehr Zelayas mache die Situation nun noch komplizierter. Der Kritik ungeachtet feierten die Kandidaten der Oberschicht, die den Putsch von Ende Juni geschlossen unterstützen, die Abstimmung als „Sieg der Demokratie“. Vertreter der Demokratiebewegung hingegen bezeichnen den Urnengang als „Farce“.
Weniger als 30 Prozent der rund 4,5 Millionen Abstimmungsberechtigten hätten an den Wahlen des Präsidenten, der Bürgermeister und Abgeordneten für die Nationalversammlung teilgenommen, sagen sie. Die von den Putschisten kontrollierte Wahlbehörde TSE gab die Beteiligung hingegen mit 61 Prozent an. Für den Tag nach der Wahl kündigte die Nationale Widerstandsfront gegen den Staatsstreich neue Demonstrationen an. Das Protestbündnis hatte ebenso wie die letzte demokratisch gewählte Regierung von Präsident Manuel Zelaya zum Boykott der Abstimmung aufgerufen.
„Unsere Organisation hat ein landesweites Monitoring durchgeführt“, hieß es in einem Kommuniqué der Widerstandsfront nach dem Wahlgang vom 29. November. Die Erhebung habe die „klare Wahlenthaltung der Mehrheit der honduranischen Bevölkerung“ ergeben. Die Putschregierung versuche indes „krampfhaft, der internationalen Öffentlichkeit eine hohe Wahlbeteiligung vorzutäuschen“. Ein Blog der Demokratiebewegung veröffentlichte Fotos von Abstimmungslokalen, die den Angaben zufolge stapelweise Ausweise zeigen – jedoch keine Wähler.
Bei den Unterstützern des Regimes herrschte am Wahlabend indes Einigkeit: Die Kandidaten der beiden großen Parteien, Elvin Santos und Porfirio Lobo, sowie Machthaber Roberto Micheletti sprachen sich gegenseitig zu. Santos, der für die Liberale Partei angetreten war, gestand seine Niederlage am späten Abend umgehend ein und sicherte Lobo seine „loyale Opposition“ zu. Micheletti führte die angeblich hohe Wahlbeteiligung als Beleg dafür an, „dass die Honduraner in Demokratie und Freiheit leben wollen“. Dies müssten „andere Staaten“ endlich anerkennen.
Beistand bekam der Diktator vom Bereichsleiter Internationale Politik der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung (FNS). „Das waren transparente, faire und saubere Wahlen“, sagte Harald Klein im Interview mit der Tageszeitung Die Welt, während die Demokratiebewegung zu neuen Protesten aufrief. In einem Bericht im Internet bestätigte der FNS-Büroleiter in Tegucigalpa die These einer hohen Wahlbeteiligung. Zugleich gibt sein Kurzbericht ein Zitat des Stiftungsvorsitzenden und FDP-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Gerhardt wieder: „Die Wahlen in Honduras sind eine Chance zur Lösung der Krise“, sagte Gerhardt demnach. Dies zeige die hohe Wahlbeteiligung. Unabhängige Organisationen, die Organisation Amerikanischer Staaten und UNO hatten keine Beobachter nach Honduras entsandt.
Kritik an der Wahl kommt nicht nur von Anhängern Zelayas. Die kubanische Nachrichtenagentur Prensa Latina zitiert den Jesuiten und Journalisten Ismael Moreno. Der Geistliche und Direktor der honduranischen Radiostation Progreso trat entschieden den Darstellungen des TSE entgegen, wonach am Sonntag eine der höchsten Wahlbeteiligungen in der Geschichte des Landes verzeichnet wurde. Dies ließe sich nur erklären, wenn eine entsprechende Entscheidung vorab getroffen wurde, so Moreno.
In einem per E-Mail verbreiteten Bericht nährte auch die Bürgerrechtsorganisation CHAAC die Zweifel an einem sauberen Ablauf: „Unmittelbar nach Schließung der Wahllokale begannen die putschnahen Medien zu verbreiten, dass dies die transparentesten, reinsten und am stärksten wahrgenommenen Wahlen in der Geschichte von Honduras gewesen seien“, heißt es in dem Bericht: „Zugleich belegten die Fernsehbilder eine sehr geringe Beteiligung.“ Die Organisation verweist auch darauf, dass die Darstellung der Machthaber bis hin zur gleichen Terminologie von willfährigen „Wahlbeobachtern“ wiederholt wurde.
Auch Menschenrechtsorganisationen sehen die Lage in dem mittelamerikanischen Land weitaus kritischer als die Unterstützer des Putschregimes. Noch am Freitag hatte die Kopenhagen-Initiative für Zentralamerika (CIFCA), ein internationaler Zusammenschluss von regional tätigen Nichtregierungsorganisationen, die EU vor einer Anerkennung der Abstimmung gewarnt. „Es gibt noch nicht einmal die notwendigen Minimalvoraussetzungen, um diesen Wahlprozess als demokratisch, legitim und transparent zu bezeichnen“, hieß es in einer Erklärung.
Die Opposition in Berlin fordert nach der eine klare Distanzierung der Bundesregierung von Putschregime und Wahlen. Die Bundesregierung dürfe Porfirio Lobo nicht als rechtmäßigen Repräsentanten von Honduras anerkennen, schrieb Wolfgang Gehrcke, der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag. „Unter den Bedingungen eines Putsches sind keine demokratischen Wahlen denkbar“, so Gehrcke weiter.
„Nach den am Sonntag durchgeführten (Schein-)Wahlen ist die Lage in Honduras nun noch komplizierter geworden“, meinten auch die Bundestagsabgeordneten Thilo Hoppe und Hans-Christian Ströbele von den Grünen. Die große Mehrheit der lateinamerikanischen Staaten werde das Ergebnis nicht anerkennen, hieß es in ihrer gemeinsamen Erklärung. „Die Europäische Union, die den Putsch klar verurteilt und sich geweigert hatte, die von den Putschisten veranstalteten Wahlen durch die Entsendung von Beobachtern zu legitimieren, ist jetzt ratlos und tut sich schwer damit, eine gemeinsame Position zu finden“, konstatierten Hoppe und Ströbele. Die Bundesregierung müsse nun erklären, ob sie die ablehnende Grundposition der Organisation Amerikanischer Staaten teilt oder durch vorschnelle Anerkennung von Pepe Lobo dazu beiträgt, dass die Rechnung der Putschisten aufgeht.
Die von den Putschisten in Honduras ausgerichteten Wahlen waren auch Thema auf dem Iberoamerikanischen Gipfel, der am 1. Dezember in Portugal zu Ende ging. Entgegen den Planungen konnten sich die Länderdelegationen jedoch nicht auf eine gemeinsame Erklärung einigen. Nach Darstellung der mexikanischen Tageszeitung „La Jornada“ kam es im Verlauf der Debatte zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen rechtsgerichteten Staaten unter Führung Costa Ricas und Kolumbiens, die für eine Anerkennung der Wahlen in Honduras plädierten, und den Gegnern eines solchen Schrittes, darunter die „Schwergewichte“ Brasilien und Argentinien. Mexiko und Spanien bezogen keine klare Position. Ursprünglich sollten die iberischen und lateinamerikanischen Staaten einen gemeinsamen Standpunkt erarbeiten.
Während in Lateinamerika eine Mehrheit der Staaten die Wahlen nicht anerkennt, drängt die Europäische Union auf eine Unterstützung des Prozesses. Das geht aus einer Erklärung des Europäischen Rates hervor, die am Dienstagnachmittag im Internet veröffentlicht wurde. In dem Dokument bekräftigt die EU zwar die Verurteilung des Staatsstreiches gegen den letzten demokratisch gewählten Präsidenten des mittelamerikanischen Landes, Manuel Zelaya. Auch erkennt Brüssel an, dass die Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen in Honduras unter „anormalen Umständen“ stattgefunden haben. Dennoch heißt es in der Deklaration weiter, dass die international umstrittene Abstimmung „ein wichtiger Schritt hin zur Lösung der Krise“ sei.
Der gleichen Argumentation scheint die deutsche Regierung zu folgen. Auf Antrag der Linkspartei-Abgeordneten Heike Hänsel wurde das Thema Honduras Anfang Dezember im Bundestag auf die Tagesordnung gesetzt, nachdem Nichtregierungsorganisationen und Menschenrechtsgruppen vehement eine Nichtanerkennung der Wahlen durch die Bundesregierung gefordert hatten. So erklärte die Menschenrechtsorganisation FIAN, die Abstimmung habe „in Angst und Schrecken“ stattgefunden. Dieser Haltung schloss sich die Antragstellerin an. Es wundere sie, so Hänsel, dass die Bundesregierung keine eindeutige Stellung zu den Wahlen einnehme. Zugleich erinnerte sie daran, dass den Wahlen der Bruch eines Abkommens zwischen der Regierung und den Putschisten vorausgegangen war. Beide Seiten hatten sich Ende Oktober zunächst darauf geeinigt, Präsident Zelaya vor der Abstimmung wieder einzusetzen. Die Vereinbarung wurde von den Putschisten jedoch umgehend gebrochen.
Werner Hoyer, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, ging auf diese Probleme am Mittwoch im Bundestag nicht weiter ein. Nach Auskunft des Linksabgeordneten Stefan Liebich hatte ein hochrangiger Vertreter der Bundesregierung die Honduras-Wahl gegenüber dem Auswärtigen Ausschuss zuvor schon als „fair und frei“ bezeichnet. Eben diese Terminologie hatten die Putschisten und auch der Vertreter der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung, Harald Klein, am Wahltag verwendet.
Zum Autor:
Harald Neuber ist Deutschland-Korrespondent der Nachrichtenagentur Prensa Latina und Redakteur des Lateinamerika-Portals amerika21.de
Bildquelle: Organization of American States, Juan Manuel Herrera.