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Interview mit General Héctor A. Gramajo
Verteidigungsminister der Regierung Vinicio Cerezo (1987-90) in Guatemala

Peter Gärtner | | Artikel drucken
Lesedauer: 6 Minuten

Die Transition als Projekt der Militärs.

Welche Rolle spielt die Armee innerhalb des Transitionsprozesses? Kann man von einer hegemonialen Rolle sprechen?

Ja. Und warum? Weil es ein militärisches Projekt war. Die Transition in Guatemala – die Leute wollen es nicht akzeptieren, wissen es, wollen es aber nicht anerkennen – ist ein militärisches Projekt.

Bis zu welchem Punkt war die Transition ein militärisches Projekt?

Bis zum 14. Januar 1991 (Regierungsantritt von Serrano – P.G.). Den Artikel 186 der Verfassung haben z. B. wir vorgeschlagen, ich war ja bis zum 20. Mai 1990 in der Politik. Wir haben also zwei Dinge vorgeschlagen, den Artikel 186 und die Räte für Entwicklung. Wir hatten ja bei unserer Arbeit die Erfahrungen der Selbstverwaltung und der Dezentralisierung der Coordinadoras Inter-Institucionales (parallele Verwaltungsstrukturen unter Kontrolle der Armee – P. G.). Der Vorschlag für ein dezentralisiertes System ist von Mejia Victores (1983-86 Militärpräsident – P. G.) bei einem Besuch in der Verfassungsgebenden Versammlung eingebracht worden. Deshalb ist die Öffnung, die politische Liberalisierung, ein Projekt der Militärs.

Sie haben gesagt, in Guatemala sei die Politik die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln. Kann man sagen, dass die Transition die Fortsetztung des Krieges mit anderen Mitteln ist?

Ja, das kann man. Weil jene, die sich mit Waffen erhoben haben, ein besseres Guatemala wollen. Aber diejenigen, die die Macht haben, wollen auch ein besseres Guatemala. Lasst uns also aufhören zu kämpfen. Gehen wir in die Politik und machen ein besseres Guatemala. Eine meiner Thesen ist, soziale Spannungen zu verwalten, nicht zu unterdrücken. Die von mir entwickelte „These der Stabilität“ besagt dies auch. Wir sind auch nicht mit dem Status quo zufrieden, man muss ihn ändern, aber innerhalb des vergebenen Rahmens. Wir waren auch die ersten in Guatemala, die von sozialen Kräften gesprochen haben. 1988 haben wir eine Schule eröffnet und vom psycho-sozialen Faktor als Machtfaktor gesprochen.

Zum ersten Mal?

Ja, zum ersten Mal. Und im Jahr 1990, 1991 begann man von der Zivilgesellschaft zu sprechen, von der vorher niemand gesprochen hat. Da hat die Armee das Konzept weiterentwickelt, und sie spricht heute viel von der Zivilgesellschaft.

Hat sich das Verhältnis zwischen Armee und Gesellschaft verändert?

Ja, heute ist es paritätischer, vorher gab es keine Parität. Es gibt Themen, die die Gesellschaft langweilen, weil sie sie nicht kennt: z.B. öffentliche Sicherheit, nationale Sicherheit, nationale Interessen, Themen, die ausschließlich den Militärs überlassen bleiben. Zivilisten haben wenig Verständnis für diese Fragen.

Innerhalb der Armee gibt es seit 1982 eine interne Diskussion. Dabei sind drei größere Spannungen aufgetreten: im November 1987, im Mai 1988 und im Mai 1989, als Staatsstreichversuche stattgefunden haben. Deswegen sage ich auch nicht, dass sich die Situation innerhalb der Armee konsolidiert hätte. Aber die Dinge haben sich bei uns seit 12 Jahren geändert. In der Gesellschaft hat sich hingegen wenig geändert, weil es keine Führung, keine definierten Ziele und Vorstellungen gibt. Es wird nur denunziert, aber nicht aufgebaut.

Gab es auch Positionsänderungen der Guerilla sowie der anderen politischen und ökonomischen Gruppen gegenüber der Armee?

Es gibt traditionelle Parteien wie den MLN, der die ökonomische Macht repräsentiert, die zu den Wahlen Militärs als Kandidaten aufgestellt haben. Aber wir Militärs haben gesagt, dass wir nicht mehr Einfluss auf die Wirtschaft nehmen wollen und auch nicht mehr in der Politik mitmachen wollen. Und die Mächtigen der Wirtschaft haben dann neue Parteien gegründet wie den PAN. Zum ersten Mal machen sie jetzt Politik selbst, nicht mehr über ihre Knechte. Jetzt machen sie selbst Politik wie z.B. Arturo Soto oder Paco Reyes. Das ist ein neuer Aspekt der politischen Transition. Die politischen Entscheidungen in den Kasernen zu treffen, funktioniert nicht mehr.

Inwiefern hat sich die Haltung der Guerilla verändert?

Ich glaube, sie hat sich nicht geändert. Nach wie vor ist der Dialog für sie eine andere Form des Kampfes. Sie sind von einer anderen Welt, man kann sie nicht mit der FMLN in El Salvador vergleichen. Die Guerilla hat nur taktische Änderungen vorgenommen. Es sind nur Botschaften für die UNO, für Norwegen und Schweden.

Können Sie noch ihre Meinung zum Putsch von 1982 darlegen?

Der Putsch von 1982 war ursprünglich eine Aktion der konservativsten Kräfte der Wirtschaft. Deren Position war: Wenn wir Wahlen nicht gewinnen, machen wir einen Staatsstreich. Und sie haben das gemacht. Aber die Armee hat ihnen ihren Erfolg geraubt. Die Putschisten haben dagegen protestiert, dass man sie nicht an die Macht ließ, aber wir haben sie nicht reingelassen. Dann haben die gemäßigten Militärs die Macht ergriffen und begonnen, ihr Projekt zu realisieren. Aber es gab auch schon vor 1982 Vorstellungen. Anfangs kämpfte die Armee nur. Dann kam sie zu der Erkenntnis, dass man die Ursachen, nicht die Folgen bekämpfen muss. Und dann machte die Armee ein Projekt, das „Projekt Ixil“ genannt wurde. Aber das Kabinett von General Lucas mass dem keine Bedeutung bei. Der Staatsstreich von 1982 wurde benutzt, dieses Projekt durchzusetzen.

Welche Position hatte Rios Montt, der ja 1982 an die Macht kam, bei diesem Projekt?

Rios Montt hatte kein eigenes Projekt, kein Programm, er hatte nichts, aber er akzeptierte alles. Man sieht, wie das mit dem Projekt gelaufen ist: Wir haben eine Analyse von 13 Problemfeldern gemacht, aber er hat 14 daraus gemacht, weil er abergläubisch ist.

Die Politik von Rios Montt war also nicht Teil des militärischen Projekts?

Nein, weil er dann ging. Weil Rios Montt das Projekt verließ. Als er Macht an die Kirche anstatt der Armee abgab, als er zu sagen begann, die Probleme Guatemalas seien ökonomischer und nicht mehr politischer Natur. Wir haben ihm gesagt, nur mit Legitimität sind die ökonomischen Probleme zu lösen, ohne Legitimität kann man gar nichts machen. Die politische Problematik ist primär. Wir verlangten die politische Liberalisierung, aber er sagte nein, er brauche noch acht Jahre für die ökonomischen Probleme. Am Anfang folgte er dem Projekt noch, aber er blieb reserviert in seinen Reden. Natürlich ist niemand vollkommen. Aber man muss der Grundidee folgen, man darf das Ziel nicht aufgeben. Aber das hat er nicht getan und deshalb musste er gehen.

Der Staatsstreich von 1983 war dann die Rückkehr zum Projekt?

Nicht exakt. Es gab einige Abweichungen. Aber das Projekt ging im Großen und Ganzen weiter.

* Das Interview wurde am 30.3.1995 von P. Gärtner in Guatemala-Stadt geführt.

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