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Interview mit Francisco Chugchilán Vorsitzender einer Maler-Comunidad aus Tigua, Ecuador

Rainer Simon | | Artikel drucken
Lesedauer: 8 Minuten

Ich bin Handwerker, Bauer und Maler

„Ich glaube, dass wir eine ganz originelle eigene Malerei haben. Wir zeichnen nur das, was es bei uns gibt, nichts fremdes, und die Bilder sind mit geschickter Hand gemalt.“

Wie sind die Maler aus Tigua zur Malerei gekommen? Wie hat es angefangen?

Der erste Maler war Mio Toaquiza, das war ungefähr 1972, 1973, als das begann. Die ersten Maler haben vorher mit Antiquitäten gehandelt, das heißt, sie haben alte Sachen von hier verkauft. Aber sie hatten immer einen Traum, ihre Vorfahren sprachen immer von den Tänzern der Corpus-Christi-Feier, und sie haben begonnen, diese Tänzer zu malen.

Und dann gab es eine Ausstellung, von der Zentralbank organisiert, und eine Ausstellung in der Kapelle von Guanguaje, wo viele Autoritäten und auch Ausländer anwesend waren und begeistert waren, und seitdem gibt es diese Malerei. Mio Toaquiza hat sich dann mit den anderen Companeros aus seiner Comunidad zusammengetan, und viele haben dann von ihm gelernt.

Jetzt sind ungefähr 300 von uns Maler. Wir haben immer die Bräuche der Indígenas und der Comunidades gemalt, und die Touristen haben die Bilder von Tigua bewundert, besonders die starken Farben, lebendige Farben.

Welche Themen behandelt Ihr in Euren Bildern ? Habt Ihr von Anfang an gemalt, um zu verkaufen ?

Wie gesagt, zuerst haben die Compañeros Antiquitäten verkauft, an die Zentralbank, an die Casa de la Cultura, auch an Touristen und dann haben sie begonnen zu malen und haben das an Frau Olga Fisch (emigrierte ungarisch-deutsche Jüdin und Kunsthändlerin – Anm. v. R.S.) verkauft. Diese Frau hat den Malern sehr geholfen. Die Maler haben dann ihre Erkenntnisse weitergegeben, aber nicht alle ersten Maler wollten das, und deshalb mussten wir uns organisieren und unsere Rechte festlegen und verteidigen. Deshalb haben wir mit 56 Kollegen im Staatssekretariat Handwerk im Industrieministerium 1988 eine Organisation gegründet, richtig als eingetragene juristische Person. Ich arbeite ungefähr seit 8 Jahren in der Malerei. Mir hat das immer sehr viel Freude gemacht, mit den anderen Compañeros zusammenzuarbeiten und uns zu organisieren. Rainer Simon hat ja gesehen, wie wir uns in der Comunidad in Quilotoa organisiert haben. Aber wenn wir dort sind (im Gebirge – Anm. v. R.S.), haben wir keine Möglichkeit, Ausstellungen zu machen oder in den Läden zu verkaufen, und deshalb ist manches noch nicht so gut in Gang gekommen […]

Haben sich die Themen im Laufe der Jahre verändert?

Ich glaube, die Themen haben sich nicht verändert. Weiterhin malen die Maler das Leben auf dem Land, die Feste, die Hochzeiten. Geändert hat sich Alfredo Toaquiza, der auch einen Preis gewann. Er malt jetzt über die Ankunft der Spanier, die die Indígenas unterdrückt haben, er malt etwas Neues. Aber die Maler sind besser geworden, die Farben werden klarer, es gibt auch neue Ideen, z.B. die Geschichte der Comunidad darzustellen.

Mit welchen Materialien arbeitet Ihr, mit welchen Farben, Pinseln, auf welchem Untergrund?

Wir arbeiten auf Schafsleder. Als Farbe nehmen die meisten Esmalte-Farbe, während ich und ein paar Freunde aus Huana Turupata (Gemeinde in Tigua – Anm. v. R.S.) mit Acrylfarben malen und es gibt auch welche, die mit Latexfarben malen. Diese Lackfarben sind haltbarer, während Esmalte leichter die Farbe verliert. Ich arbeite jetzt mit Lackfarben, denen passiert nichts. Und man kann mit ihnen auch besser mehrere Farben zusammenstellen und wirklich klarere, hellere, kräftigere Farben machen. Wir wollen unsere Arbeit immer verbessern. Man muss sich auch um die Rahmen kümmern, man muss das Leder gut gerben. In der Vergangenheit haben Touristen gesagt, dass einige Kollegen das Leder nicht richtig vorbehandelt hatten und dass es manchmal noch den Geruch behalten hatte und deshalb versuchen wir jetzt, das Leder besser zu bearbeiten. Manche Touristen wollen die Bilder mit Rahmen, andere lieber ohne. Ich überlege auch, wie man die Bilder am besten transportieren kann, ohne dass sie Kratzer abbekommen, ohne dass sich die Rahmen verziehen, die Nägel abgehen.

Wie leben die 300 Maler von Tigua? Wo leben sie? Und warum sind so viele von ihnen in Quito?

Viele Maler, die meisten, leben und arbeiten in Quito. Nur wenige sind noch in der Comunidad, in Tigua. Aber wir wollen auch nicht unsere Comunidad verlassen, es geht einfach darum, dass dort soviel Staub ist und man dort nicht gut arbeiten kann und dass man dort keine Elektrizität hat, während hier in Quito mietet man sich ein kleines Zimmer und hat dann Elektrizität und kann sauberer malen und deshalb sind die Compañeros jetzt hier in Guamaní und Guajaló (Arbeitervororte in Quito – Anm. v. R.S.) und in diesen Stadtvierteln rund um den Großmarkt von Quito. Andere arbeiten ein, zwei Monate hier und kehren dann in die Comunidad zurück, um die Landwirtschaft dort zu bestellen. Gemalt wird nicht einfach nur so, sondern es geht darum, dass wir nicht unsere Kultur verlieren wollen, dass wir nicht unsere Sprache verlieren, unser Ketschua. Unsere Vorfahren, unsere Großeltern hatten ihre Ponchos, ihre Hüte, ihre Alpargatas (Leinenschuhe – Anm. v. R.S.) getragen, wir möchten jetzt nicht unsere Kultur verlieren, unsere Bräuche, unsere Wurzeln. Und wir möchten auch, dass unsere Kinder das weiterführen, dass auch sie nicht unsere Kultur und unsere Sprache verlieren. Deshalb lernen unsere Kinder auch Stück für Stück die Malerei und machen auch Fortschritte und behalten so vielleicht besser unsere Kultur.

Könnt Ihr allein von der Malerei leben oder braucht Ihr noch eine andere Arbeit?

Also ich, auch wenn ich Bilder verkaufe, so möchte ich auch die andere Arbeit nicht lassen. Ich arbeite hier nachts auf dem Großmarkt, wo ich die Produkte aus Tigua entlade, außerdem bin ich auch Bauer. Jetzt wo die Zeiten so besonders hart und schwierig sind, muss man die richtige Arbeit finden. Alles ist jetzt sehr teuer. Wir müssen hier die Miete bezahlen, Wasser bezahlen, die Elektrizität, das macht uns hier in der Stadt natürlich Probleme. Aber wir haben es eben gern, dass wir hier unter sauberen Verhältnissen und mit Elektrizität malen können, deshalb wohnen wir hier in Quito. Sonst ist es auf dem Land schöner, es ist einfach schöner, aber das Problem ist, dass dort soviel Wind ist und soviel Staub ist. Ich bin Handwerker, ich entlade die Ware, ich bin Bauer, und ich bin Maler, ich arbeite gern auf allen Gebieten, ich glaube, dass man im Leben auf allen Gebieten arbeiten können muss.

Wo verkauft Ihr Eure Bilder?

Wir als Malerorganisation verkaufen sonnabends und sonntags im Ejido-Park (nahe den Touristenhotels im reicheren Quito-Norte -Anm. v. R.S.). Von Montag bis Freitag kommen auch manchmal ein paar Touristen zu mir nach Hause hier am Großmarkt. Andere Kollegen haben auch ihre Bilder an (Kunstgewerbe)-Läden verkauft, einige verkaufen direkt auf der Avenida Amazonas (Einkaufsstraße in Quito-Norte – Anm. v. R.S.) ihre Bilder, sowie auch Masken und die Kostüme der rituellen Tänzer. Wir arbeiten also mit Bildern, mit Trommeln, mit Masken, mit Gewändern. Es sind zu mir auch Touristen gekommen, um mich zu besuchen. Einige haben auch Interviews und Photos mit uns gemacht. Ich möchte nicht nur, dass sie kommen, um etwas zu kaufen, sondern ich möchte auch gern, dass sie sehen, wie wir arbeiten.

Wie viel bekommt Ihr für die Bilder, und wonach richtet sich der Preis?

Wir berechnen das Material, wie viel das Leder kostet, der Rahmen, die Farbe, die Pinsel und unsere Arbeit. Das alles bestimmt den Preis des Bildes. Früher war alles billiger, und die Bilder waren auch billiger […] Bei den kleineren Bildern braucht man mehr Arbeit, bei den großen macht man größere Zeichnungen, größere Flächen, es ist leichter. Bei dem kleineren Format muss man mit ganz feinen Pinseln arbeiten, und die Arbeit ist wirklich schwieriger. […]

Was wünscht du dir für dein Leben und für deine Malerei? Kannst du dir vorstellen, ohne die Malerei zu leben?

Für mich ist es wichtig, unsere Kultur, unsere Bräuche, unsere Arbeit nicht zu vergessen. Und was das Leben betrifft, so interessiert mich auch das Leben auf dem Land, ich bin gewöhnt, mit Hacke und Machete und anderen landwirtschaftlichen Geräten zu arbeiten. Ich würde weder die Malerei, noch die Landwirtschaft aufgeben, noch die Arbeit auf dem Großmarkt. Ich bin daran gewöhnt, so hat man uns das beigebracht. Das sind guten Arbeiten, das sind gleichwertige Arbeiten für mich. Es ist wichtig, dass man einen Schritt weiterkommt, nicht nur in der Malerei oder in der Landwirtschaft oder auf dem Bau, wir als Indígenas sind daran gewöhnt, alle Arten von Arbeiten machen. Ich möchte, dass unsere Kinder ebenso diese Arbeiten machen und dass sie vorankommen und dass wir und unsere Kultur respektiert werden.

* Leicht gekürzte Fassung eines Interviews mit Francisco Chugchilán Quito am 24.9.92. Das Interview führte Rainer Simon.

„Unsere Bilder haben sehr klare Farben, vor allem aber sind sie originell. Unsere Wurzeln, unsere Mentalität sind hier widergespiegelt, wir haben nicht, wie andere Maler, einfach etwas kopiert. Wir haben jeder die eigenen Gedanken, wir haben unsere Feste, die Hochzeiten, Taufen, Yumbo-Feste und das Leben auf dem Lande gemalt.“

Die Ausstellung „Indianische Malerei aus Ecuador“ ist vom 29.9. bis 20.11. im Filmmuseum Potsdam zu sehen. Die Bilder werden am 19.11.1994 ab 19.00 Uhr versteigert. Filmmuseum Potsdam, Marstall, 14467 Potsdam.

 

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