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Dominikanische Republik – Ein Kurzportrait

Peter Gärtner | | Artikel drucken
Lesedauer: 5 Minuten

„Washington is not satisfied with a government that is friendly and cooperative. It wants a government that it can control completely. But it cannot control a democratic government completely, because such a government is responsible to the people, not to any foreign power.” [1]
(Juan Bosch, erster demokratisch gewählter Präsident der Dominikanischen Republik, in einem Gespräch mit Dan Kurzman, Autor des Buches “Santo Domingo. Revolt of the Damned“, New York 1965, S. 299)

Für die meisten Deutschen stellt die Dominikanische Republik, meist als „Domrep“ verballhornt, den Inbegriff des preiswerten Karibikurlaubs dar: Sonne, Strand, Palmen, Coctails, Mulatas – all inclusive. Einer solchen Vorstellung kommt entgegen, dass das Land tatsächlich auf einer Fläche, die nur wenig größer als die von Niedersachsen ist, einen vielfältigen Mix von Natur-Highlights zu bieten hat. So ist der Pico Duarte mit 3175 Metern der höchste Berg der Karibik und die zahlreichen Nationalparks beheimaten eine Fauna und Flora von beeindruckendem Reichtum. Auch in anderer Hinsicht hat das Land einiges zu bieten, was zwar die Einheimischen, selten aber die eingeflogenen Touristen zu schätzen wissen. Inzwischen ist der dominikanische Rum, repräsentiert durch die drei bekannten Marken Bermúdez (seit 1852), Brugal (seit 1888) und Barceló (seit 1930), auf bestem Wege, international bekannt zu werden, wobei allerdings auch hier die Deutschen eher das Schlusslicht bilden (Hinweis: Man kann die fünf-, sieben- und 15-jährige Rumsorten dieser drei Marken auch pur trinken.)

Die wenigsten wissen jedoch, dass das Land eine bewegte Geschichte hat, in der sich alle wichtigen kontinentalen Einflussfaktoren auf oft paradoxe Weise bündeln und brechen.

Die Landeshauptstadt Santo Domingo, bereits 1496 durch die Spanier gegründet, gibt der Antillenrepublik nicht nur ihren Namen, sondern ist zugleich die erste europäische Stadt in Amerika. Manche wissen vielleicht noch, dass die Insel Hispaniola, deren Territorium sich Haiti und die Dominikanische Republik im Verhältnis 1:2 teilen, von Christoph Kolumbus bereits auf seiner ersten „Indien-Reise“ entdeckt worden war und dass seine sterblichen Überreste in der Kathedrale von Santo Domingo beigesetzt wurden.

Von den einstigen Bewohnern der Insel, immerhin nach Kuba die zweitgrößte der Antillen, sind hingegen nur noch wenige Spuren zu finden. Bereits wenige Jahrzehnte nach der spanischen Eroberung waren sie durch Krieg, Krankheiten und Zwangsarbeit ausgerottet worden. Um den Anbau und die Verarbeitung von Zuckerrohr, damals eines der lukrativsten Exportgüter, dennoch weiter betreiben zu können, griffen die Spanier auf afrikanische Sklaven zurück. Bereits 1570 machten diese zwei Drittel der ansässigen Bevölkerung aus.

Im 17. Jahrhundert traten dann Piraten und europäische Mächte wie Holland, England und Frankreich, die sich ihre eigenen Kolonien in Amerika sichern wollten, auf den Plan. Dies hatte für die weitere Entwicklung Hispaniolas in mehrfacher Hinsicht weitreichende Folgen: 1697 fiel die Westhälfte der Insel unter dem Namen Haiti an Frankreich und der ersten erfolgreichen Sklavenrevolution der Welt, die in Haiti ihr Epizentrum hatte, verdankt auch die spanische Kolonie Santo Domingo ihre frühe Unabhängigkeit im Jahre 1804 – als Teil eines „Kaiserreichs“ unter dem schwarzen General Jean-Jacques Dessalines. Nach dessen Ermordung 1806 wird die Insel von zahlreichen inneren Konflikten und äußeren Interventionen verheert und zerrissen. Erst 1822 kehrt mit der Eroberung von Santo Domingo durch haitianische Truppen zeitweilige Ruhe ein. Die Gegensätze zwischen den beiden Inselhälften sind jedoch zu groß. Am 27. Februar 1844 erklärt die Osthälfte unter dem Namen Dominikanische Republik schließlich ihre Unabhängigkeit von Haiti, muß diesen Schritt aber nach einem kurzen spanischen Kolonialintermezzo 1865 erneut tun.

Auch danach kommt das Land nicht zur Ruhe: Caudillos, die zu grausamen Diktatoren mutieren, und die immer mächtiger werdende USA, die das Land von 1916 bis 1924 besetzt halten und anschließend (bis 1934) unter dem Deckmantel der „Finanzberatung“ die indirekte Kontrolle ausüben, geben zunächst die Richtung vor. Heraus kommt dabei eine monströse Kreatur, die das Schicksal der Dominikanischen Republik für die nächsten Jahrzehnte auf brutale Weise bestimmt: der berüchtigte Diktator Rafael Trujillo.

Paradoxerweise wird ihm zum Verhängnis, dass er für die USA nach der kubanischen Revolution von 1959 zu Belastung wird. Um ein zweites Kuba zu verhindern, gibt Washington ihn 1961 zum Abschuß frei. Aus demselben Grund intervenieren die USA unter dem Deckmantel einer OAS – Streitmacht dann im April 1965 selbst, um eine Volksrevolution blutig abzuwürgen, die den demokratisch gewählten, aber nach neunmonatiger Amtszeit 1963 wieder weg geputschten Präsidenten Juan Bosch an Macht zurückbringen will.

Unter den Folgen dieser Einmischung muß die dominikanische Bevölkerung bis heute leiden. Erst Mitte der 1990er Jahre konnte sie sich von der Erblast der Trujillo-Diktatur, personifiziert durch Joaquín Balaguer, den Trujillo bereits 1960 als seinen Nachfolger auserkoren hatte, befreien. Im Schatten der US-Intervention 1966 an die Macht gekommen, regierte Balaguer bis 1978 und dann noch einmal von 1986 bis 1996. Die Zukunft wird zeigen müssen, ob die Dominikanische Republik weiterhin als „mulattisches Spiegelbild“ des „schwarzen“ Haiti wahrgenommen wird oder ob das Land in der Lage sein wird, sich – wie die Nachbarinsel Kuba – gegen den Druck der USA Freiräume für eine bessere Alternative zu erkämpfen.

[1] Washington gibt sich nicht mit einer Regierung zufrieden, die freundlich und kooperativ ist. Es will eine Regierung, die sich vollständig kontrollieren läßt. Aber es kann eine demokratische Regierung nicht vollständig kontrollieren, weil eine solche Regierung dem Volk gegenüber verantwortlich ist und nicht gegenüber irgendeiner ausländischen Macht.

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