Rodrigo González von den Ärzten unterwegs zur chilenischen Musik
Es ist schon ein wenig wie bei Pawlows Hunden. Als ich las, dass Rodrigo González von den Ärzten eine Reise nach Chile unternommen hat, um dort der Musik seiner Kindheit auf die Spur zu kommen und ein Album mit den Sängern der Nueva Canción Chilena und ihren musikalischen Erben aufzunehmen, waren sofort Namen gegenwärtig: Violeta Parra, Víctor Jara, Inti-Illimani, Quilapayún, Isabel und Ángel Parra, Patricio Manns… Und dazu natürlich auch Melodien. Auf jeden Fall weckte das eine bestimmte Erwartung an den Film, die dieser dann so gar nicht erfüllte. Und das ist m.E. gut so: Der Film ist höchst kurzweilig und macht Lust, sich mehr mit der ganz neuen chilenischen Musik zu beschäftigen.
Rodrigo González kam als Kind 1974 nach Hamburg, er wuchs mit der Musik der chilenischen Liedbewegung auf. Angeregt von Freunden und wohl auch von seinem Vater macht er sich schließlich auf den Weg in sein Geburtsland, um dessen Musik für uns zu entdecken. Wobei er vor allem die jungen Sänger entdecken will, die dritte Generation, wie es im Film einmal heißt, die ihre Karriere zu Beginn des 21. Jahrhunderts startete.
Von den zahlreichen jungen Musikern, die im Film zu sehen und zu hören sind, seien nur drei Beispiele namentlich erwähnt: Chico Trujillo, Camila Moreno und Mauricio Castillo „Chinoy“.
Die Band Chico Trujillo ist in Chile offensichtlich sehr populär und machte sich auch in Europa einen Namen. Die zehn Musiker spielen einen Mix aus Cumbias, Boleros und Ska, der einfach nur mitreißend ist. Camila Moreno ist Rocksängerin, Liedermacherin, Teil der chilenischen Folkszene. Man erklärte sie bereits zur Nachfolgerin von Violeta Parra, auch wenn sie selbst betont, einen völlig anderen Ansatz als diese zu verfolgen und definitiv keine Folklore zu spielen. Mit ihrem Lied Millones war sie 2009 für einen Latin Grammy nominiert.
Mauricio Castillo, der sich „Chinoy“ nennt, erinnert mit seiner hohen Stimmlage ein wenig an Silvio Rodríguez. Für die Presse war er wohl auch schon der chilenische Bob Dylan. Nun ja… Auf jeden Fall ist er absolut hörenswert.
Aber auch die erste Generation bleibt im Film nicht außen vor. Rodrigo González trifft z.B. Eduardo Carrasco, den langjährigen Leiter von Quilapayún, und Eduardo Yañez, der heute fast vergessen ist. Carrasco war während des Putsches mit den Quilas in Frankreich und blieb lange im Exil. Yañez wurde nach dem Putsch verhaftet und war Gefangener im Nationalstadion und im Konzentrationslager Chacabuco. Zwei sehr unterschiedliche Schicksale, die unaufdringlich, aber doch sehr eindringlich die chilenische (Musik)Geschichte illustrieren.
Den Film durchziehen zwei Lieder, die immer wieder zu hören sind. Das ist zum einen El pueblo unido von Quilapayún, das nicht nur in Chile zur politischen Losung wurde. Und zum anderen das traditionelle Stück Fiesta de San Benito in der Interpretation der Band Chico Trujillo. Letzteres stammt von einem Tribut-Album für die Gruppe Inti-Illimani. Damit schließt sich der Kreis, denn besser kann die Verbindung zwischen den Generationen des chilenischen Liedes nicht dargestellt werden.
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El Viaje
Deutschland 2016
93 Minuten – OmdtU
Regie: Nahuel López
Bildquelle: snapshot