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Eine Nuß aus Brasilien

Gabriele Töpferwein | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Bertholettia excelsa ist ein 30 bis 50 m hoher Baum, dessen zylindrischer Stamm einen Durchmesser von mehr als einem Meter hat. Seine Blätter erreichen eine Länge um 17 bis 30 cm und sind bis zu 18 cm breit. Die Früchte sind holzige Kapseln, bis zu 16 cm groß und l kg schwer, die an ihrem oberen Ende einen kleinen Deckel haben. Dieser fallt zur Reife in die Frucht hinein, so dass ein etwa l cm großes rundes Loch entsteht. Im Inneren der Kapsel liegen in mehreren Reihen die etwa 6 cm langen und 2-3 cm dicken Samen, die ebenfalls von einer harten Schale umgeben sind. Der Kern der Samen ist weiß und fest, von süßlich-nussigem Geschmack. Er ist aber nicht nur wohlschmeckend, sondern auch sehr eiweiß- und fettreich und wird deshalb von Nagetieren und Menschen, die beide in der Lage sind, die Schale zu knacken, sehr geliebt.

Bertholettia hat seinen (Vor-)Namen von dem französischen Chemiker Louis Claude Berthollet (1748-1822), der die Pflanze vermutlich als erster analysiert hat. Der (Nach-)Name excelsa ist eine Referenz an die enorme Höhe des Baumes. Für Alexander von Humboldt, der während seiner Amerikareise dieses Baumes in dem Gebiet zwischen den Flüssen Pandano und Ocamo erstmals ansichtig wurde, war Bertholettia „der majestätischste Baum in den Wäldern der Neuen Welt“.

Ob er die wohlschmeckenden Früchte probierte, weiß ich nicht, es ist aber zu vermuten. Schließlich kannten die Ureinwohner diesen Leckerbissen schon lange. Bei den Yanomami sind die Früchte als Jubia bekannt. Sie werden deshalb auch Nuez de Jubia genannt, aber auch Nuez de Brasil oder nach der brasilianischen Stadt Pará (heute Belém) auch Nuez de Pará. Als Paranuss sind die Samen dann auch bei uns bekannt geworden, und sie werden bis heute als solche gehandelt. Der weit verbreitete Name ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Paranuss gar keine Nuss ist. Ebenso wie die sogenannten Paradiesnüsse oder Affentöpfe (coco de momo) gehört der Baum zur Gattung Lecythidaceae (hoffentlich habe ich mich jetzt nicht verschrieben!), zu gut deutsch also zu den Deckeltopfbäumen. Aber das ist den Affen sicher egal. Und den Menschen ebenso.

Nun gut. unser Deckeltopfbaum wächst in den hoch gelegenen Nichtüberschwemmungsgebieten des Amazonas, Río Negro, Río Vaupés und des Orinoco, wo die jährlichen Durchschnittstemperaturen bei 28°C liegen. Mit anderen Worten: Bertholettia excelsa wächst in Bolivien, Brasilien, Ekuador. Kolumbien, Peru und Venezuela. Aber nur die Brasilianer vermarkten die Frucht in großem Umfang. Alljährlich exportieren sie ca. 50.000 Tonnen der Samen in alle Welt. Jedoch stammen auch die für den Export bestimmten Samen in der Regel von der Wildform des Baumes. Bertholettia wird bisher nur in geringem Umfang kultiviert, der Anbau gelingt wohl nicht so recht. Das macht ihn natürlich prädestiniert für eine Vorstellung im Quetzal, denn vom Namensgeber unserer Zeitschrift erzählt man sich ja ähnliches.

Die Keimkraft der Samen, also der Paranüsse, nimmt bei einer Lagerung sehr schnell ab. Die große Höhe, die die Bäume benötigen, tut ein übriges. So werden die Samen bis heute vornehmlich gesammelt, wenn die Kapseln am Ende des Reifeprozesses von den Bäumen gefallen sind. Es sind vor allem indígenas, die die Nußsammlung übernehmen. Die Yanomami pflegen dann am Ende der Ernte ein extra Fest zu feiern, die fiesta de la jubia.

Vermarktet wird der Samen bereits seit 1780. Bei uns vor allem als Nuss bekannt, findet er anderswo auch in Süßigkeiten und Backwaren Verwendung. Darüber hinaus verarbeitet man ihn auch zu Speisefett und technischem Öl. Aufgrund ihres sehr hohen Fettgehaltes werden die Samen allerdings schnell ranzig. Kenner, die an Ort und Stelle frische Paranüsse gegessen haben, meinen, dass diese wesentlich besser schmecken als die abgelagerten, die es bis in unsere Breiten schaffen. Das glaube ich gerne, man hat ja so seine Erfahrungen mit Paranüssen – wenn es einem endlich gelungen ist, die Schale zu knacken.

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