Wie erwartet ist das Plebiszit in der Provinz Buenos Aires für die Regierung positiv ausgegangen. Über 61% haben für die Möglichkeit einer Wiederwahl des amtierenden Gouverneurs Eduardo Duhalde gestimmt, die nach der bisherigen Provinzverfassung ausgeschlossen war. Die Regierungspartei der Peronisten (PJ), für die Duhalde in der weitaus bedeutendsten Provinz mit rund 37% der Wähler Argentiniens ein starkes Zugpferd und der wahrscheinliche Präsidentschaftskandidat für 1999 ist, feiert den Sieg als einen weiteren Schritt für die erhoffte Wiederwahl des Staatschafs Carlos Menem im Mai 1995.
Hinter den fröhlichen Mienen der Peronisten verbergen sich allerdings auch einige Sorgen. Denn die Nein-Stimmen waren mit fast 39 % doch höher als vielfach erwartet und könnten so der zersplitterten Opposition einen bescheidenen neuen Auftrieb geben. Die rechtsnationalistische Partei MODIN des ehemaligen Putschisten-Oberst Aldo Rico, die einen umstrittenen Pakt mit Duhalde geschlossen hatte und in dieser Provinz mit rund 15% eine beachtliche Präsenz hat, ist entzweit. Der mögliche Präsidentschaftskandidat der traditionellen zweiten großen Partei, der zentristischen Radikalen Bürgerunion (UCR), Federico Storani vom fortschrittlichen Flügel dieser Partei, ist aus dem Plebiszit gestärkt hervorgegangen, weil er das relativ hohe Resultat der Nein-Stimmen zu einem großen Teil auf seinen Parteiflügel verbuchen und damit vielleicht zum chancenreichen Gegenspieler sozialdemokratischer Tendenz des Präsidenten Menem werden kann.
Wenig erfreulich ist aber, wie schon das gesamte Manöver zur Wiederwahl Menems, das eine eigens für diesen Zweck gewählte Verfassungsgebende Versammlung zur Verfassungsänderung erfordert hat, der Umgang der Regierungspartei mit juristischen Normen überhaupt. So weisen die Kritiker daraufhin, dass dieses Plebiszit in der Weltrekordzeit von nur drei Wochen organisiert wurde, was nicht eben der Transparenz des Prozesses förderlich war, und das Trommelfeuer der demagogischen Propaganda lässt Böses für 1995 ahnen. Die Wähler stimmten allerdings mehrheitlich für Duhalde vor allem deshalb, weil er mit vielen kleinen und relativ nützlichen Arbeiten in der Provinz sich den Ruhm eines aktiven und effizienten Administrators zu erwerben wußte, weil hier anders als landesweit nicht eine Korruptionsaffäre die andere jagt und nicht zuletzt darum, weil er sich einen erhöhten Anteil vom Bundesbudget für seine Provinz sichern konnte. Das war 1991 der Preis, den er für die Übernahme der damals riskanten PJ-Kandidatur für den Gouverneursposten gefordert und erhalten hatte.
Es hat auch andere pikante Details in dieser Kampagne gegeben. So lautet der Nein-Zettel „NO estoy en contra de la reelección de …“, was im Prinzip eine doppelte Verneinung und damit ein indirektes „Ja“ bedeutete; und obwohl diese sprachliche Konfusion genau genommen die Neinsager begünstigte, erreichten deren Mentoren, dass nach dem großen „No“ immerhin ein kleiner Punkt eingeschlossen wurde. Und während Storani als der führende Nein-Sager Kampagne machte, überschwemmte der Provinz-Gouverneur der patagonischen Provinz Rio Negro, Horacio Massacesi, der bedeutendste Rivale Storanis für die UCR-Kanditur, die Hauptstadt mit Plakaten, auf denen die beiden letzten Buchstaben seines Namens graphisch hervorgehoben wurde …
Nun will der PJ-Gouverneur der ebenfalls bedeutenden Provinz Santa Fé, Ex-Formel-1-Rennfahrer Carlos Reutemann, wiedergewählt werden, was auch hier die Provinzverfassung untersagt. Ein Vorstoß vor dem Obersten Gericht soll jetzt der Bundesverfassung Vorrang einräumen, was der föderalen Struktur des Landes widerspräche, oder vielleicht auch ein Plebiszit die gewünschte Änderung bringen. Die „Menschenrechte“, heißt es, seien durch den „Ausschluss“ eines Politikers vom passiven Wahlrecht verletzt. Als gäbe es nicht gute Gründe dafür, dass in Lateinamerika, mit seinen extremen präsidentialistischen Systemen und dem häufigen Machtmissbrauch der Staatschefs, die unmittelbare Wiederwahl der Präsidenten, oder auch Provinzgouverneure, in den demokratischen Verfassungen fast überall verboten ist. Mit diesem Argument könnte auch Menem 1999, wenn er mit 69 Jahre sein erhofftes zweites Mandat beendet, die Möglichkeit eines dritten erkämpfen, um dem Land noch bis 2003 als Präsident erhalten zu bleiben …