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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Interview mit Alberto Acosta
Ecuadorianischer Wirtschaftswissenschaftler und Politiker

Gerhard Dilger | | Artikel drucken
Lesedauer: 5 Minuten

„Unser Lebensstil ist nicht haltbar“

Interview Alberto Acosta (Foto: Attac, Fiona Krakenbuerger)2008 sorgte Alberto Acosta dafür, dass die Rechte der Natur in der neuen Verfassung Ecuadors verankert wurden – eine Weltpremiere. Heute hält der Ökonom eine Auftaktrede zum dreitägigen Kongress „Jenseits des Wachstums“, den Attac in Berlin organisiert. Der 63-jährige Acosta ist Ökonomieprofessor an der lateinamerikanischen Fakultät für Sozialwissenschaften Flacso in Quito. Nach der Linkswende in Ecuador 2007 war er zunächst Energie- und Bergbauminister, dann leitete er den Verfassungskonvent.

klimaretter.info: Herr Acosta, nach wie vor setzt die herrschende Politik Entwicklung mit Wachstum gleich. In Südamerika haben progressive Regierungen durch Lohnerhöhungen und Sozialprogramme Millionen zum sozialen Aufstieg verholfen. Wie sollen da Mehrheiten für eine ökologische Wende herkommen?

Alberto Acosta: Unser Lebensstil ist nicht haltbar, das wird immer mehr Menschen klar. Süßwasserquellen gehen verloren, die Artenvielfalt auf den Feldern und in den Wäldern geht zurück, ebenso der Lebensraum für indigene Gemeinschaften. Aber sicher, die Sichtweise, die Natur müsse gezähmt, ausgebeutet und vermarktet werden, herrscht immer noch in vielen Teilen unserer Gesellschaften vor, auch auf Regierungsebene.

Warum setzt Lateinamerika weiterhin so vehement auf Rohstoffexporte?

Es ist die Fortschreibung unserer Geschichte, auch nach der Unabhängigkeit von Spanien und Portugal vor 200 Jahren ging der Export von Ressourcen, also von Natur, weiter. Man hängt weiterhin dem naiven Glauben an, der Extraktivismus werde sich schon in Entwicklung verwandeln. Dabei wissen wir doch, dass wir zwar Boomphasen erlebt haben, aber die ersehnte Entwicklung letztlich ausgeblieben ist.

Sie propagieren den Übergang zu einem postfossilen Wirtschaftssystem. Wie soll denn dabei die Armut abgebaut werden?

Den Königsweg gibt es nicht. Die Grundbedürfnisse müssen immer garantiert werden, also nicht nur in Zeiten finanzieller Überschüsse. Neben einer Steuerreform sind dafür weitere Umverteilungsprozesse erforderlich, vor allem beim Landbesitz und der Kontrolle über das Wasser. Den Energiemix müssen wir in jedem Fall gründlich umbauen.

Wie hilfreich sind für Sie Konzepte wie „nachhaltige Entwicklung“ oder „Green New Deal“?

Das westliche Entwicklungsparadigma ist höchst gefährlich: Es garantiert den allgemeinen Wohlstand nicht, bringt das ökologische Gleichgewicht aus dem Lot und stellt dadurch das Überleben der Menschheit in Frage. Der „grüne Kapitalismus“ ist eine Falle, denn er stellt die kapitalistische Logik nicht in Frage. In den letzten Jahrzehnten hat auch der Umweltmerkantilismus die Lage nicht verbessert, er ist nur Schminke, die vom Wesentlichen ablenkt.

Nun gibt es aber nicht einmal in Südamerika eine gesellschaftliche Mehrheit für eine „sozialistische“ Wirtschaftsordnung. Wäre aus dieser Perspektive ein „grüner“ Kapitalismus nicht schon ein großer Fortschritt?

Bestenfalls als Übergangsphase zu einem nicht-kapitalistischen Paradigma, das sich an Gleichheit, Freiheit und natürlich Umweltverträglichkeit ausrichtet. Wir müssen weg vom Anthropozentrismus, hin zu einem „Soziobiozentrismus“.

Im Attac-Umfeld wird diese Debatte, die vor allem in Ecuador und Bolivien unter dem Stichwort „Gutes Leben“ (Buen Vivir) geführt wird, aufmerksam verfolgt. Was bringt dieses Konzept, auf das ja auch die ecuadorianische Verfassung ausgerichtet ist, für Europa?

Das Buen Vivir ist eine weitere Plattform, um über dringend notwendige Antworten auf die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels nachzudenken. Das irrige Wachstumskonzept, das auf Vorstellungen von unerschöpflichen Ressourcen und einem Markt beruht, der alles aufnehmen kann, wird auch künftig nicht zu Entwicklung führen. Und solange die Mehrheit der Weltbevölkerung nicht den materiellen Wohstand erreicht, werden Sicherheit, Freiheit und Identität in Mitleidenschaft gezogen.

Was kann denn die europäische Linke vom südamerikanischen „Linksruck“ lernen?

Vor allem, wie wichtig es ist, eigene Lösungen zu suchen. Doch die Linke sollte sich nicht mit den Anführern der progressiven Regierungen solidarisieren, sondern mit den Prozessen und seinen sozialen Akteuren. Die oft blinde Unterstützung von Präsidenten trägt dazu bei, individuelle, autoritäre Führerfiguren zu stärken. Und die drohen jene revolutionären Prozesse zu ersticken, die ja gerade viel Demokratie brauchen.

Was ist den zunehmend autoritären Tendenzen in Venezuela, Ecuador und Bolivien entgegenzusetzen?

Diese Prozesse können nicht über einen Kamm geschert werden. Um ihren Anfangsimpetus zurückzugewinnen, müssen jene Linkskräfte innerhalb oder außerhalb der Regierungen gestärkt werden, die fähig sind, den wirklichen Wandel voranzutreiben. In Ecuador könnte eine feste und kohärente linke Opposition zur Rückkehr zu den Wurzeln beitragen, denn Präsident Rafael Correa bewegt sich immer weiter nach rechts, auch wenn er noch links blinkt.

Nächste Woche werden Vertreter der ecuadorianischen Regierung in Berlin für die Yasuní-ITT-Initiative werben, durch die die Erdölförderung im östlichen Teil des Landes verhindert werden soll. Was ist der Stand der Dinge in Ecuador?

Der Präsident hat seine Volksbefragung am 7. Mai zwar knapp gewonnen, politisch aber verloren. Das gibt den Verteidigern der Initiative Auftrieb, denn sollte Correa vom Parlament kein grünes Licht für die Erdölförderung bekommen, wird er kaum eine weitere Volksbefragung riskieren.

Was sind die Folgen von Fukushima in Lateinamerika?

Auch wenn die Atomfrage nicht so virulent ist wie in Deutschland: Das Umweltbewusstsein wächst. Und einige Atompläne wurden ad acta gelegt.

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Das Interview erschien bereits am 20. Mai 2011 bei klimaretter.info. Mit freundlicher Genehmigung von Gerhard Dilger.

Bildquelle: Attac, Fiona Krakenbuerger.

5 Kommentare

  1. jan z.volen sagt:

    Das sitzen die gelehrten Germanos und erhalten die Weisheit welche ihre heutige „gruene“ Heilschreierei – trotz Colisprossen, bestaetigt. Von einen Professor der Oekonomie: Oekonomen wissen alles was wir zu unternehmen duerfen – auch die welche wir heute nicht mehr moegen – wie Alan Greenspan und Milton Friedman. Rafael Correa der Praesident Ecuadors ist auch Professor der Oekonomie (sogar mit Titel von USA) – aber der muss in der wirklichen Welt regieren, und kann nicht die gelehrten, gruenen Alemans mit schoenen Spruechen erheitern („Unser Lebenstiel ist unhaltbar“)- auch wenn dadurch keine einziges Luxusauto (Mercedes, Porsche) weniger von Germanos fuer Reiche gebaut wird, mit unseren Rohmaterialien, welche wir von Suedamerika eigentlich nicht mehr exportieren sollten. Industrie soll man auch nicht in Suedamerika entwickeln, auch keine Hydrostaudaemme: Zurueck in die Hoehlen der Steinzeit, und als Wirtschaft nur organische Bananen und Alpacawolle. —„Was ist zunehmenden autoritaeren Tendenzen in Venezuela, Ecuador und Bolivien entgegenzusetzen ?“ fragt der deutsche Lateinamerikaexperte und „freier“ Journalist. Nun haette Acosta schoen brav antworten sollen:“ Mehr CIA Agenten, mehr „Entwicklungshelfer“ von Deutschland, mehr roemisch-katholische Priester!“ Alle die Interviews von diesen „freien Journalist“, mit den Kritikern der regierenden linken Praesidenten enthalten Fragen in welchen nach einer negativen Bemerkung gegen den regierenden linken Praesidenten gesucht, gelockt, verfuehrt, gefischt wird: Ob Mujica in Uruguay, Lula und Dilma in Brasilien, Chavez in Venezuela, und hier natuerlich Correa in Ecuador. Dieser „freie Journalist“ Liebling der verdummten deutschen Linken – schreibt und fragt nie ueber die Gespenster welche in Lateinamerika ueberall spuken und die Unabhaengigkeit und Entwicklung laehmen und bedrohen: Die USA und der Vatikan! Das habt ihr alles noch nicht bemerkt ?

  2. jan z. volens sagt:

    Der Professor ist schon seit einiger Zeit auf meinen Radar mit Fragenzeichen aufgetaucht.Der Mann in Ecuador von wem in Deutschland ? —- ————-Die USA und NATO bedienen sich gewisser deutschen „Journalisten“ und deutschen Stiftungen in Lateinamerika, weil die Deutschen dort nicht zu „auffaellig“ als „Subversivos“ bemerkt werden, weil man viele Kuckusuhren-Ilussionen ueber Alemania/Alemanha weiter traeumt. Die USA&NATO „unterstuetzt“ weltweit viele „False Flag Operations“ – darunter „Ultralinke“ deren Aufgabe darin besteht: Die erfolgreiche linke Regierung durch radikale Forderung (auch „gruene“) von der nationalen Gesellschaft als lasch zu brandmarken, und gleichzeitig das Publikum und Wirtschaft im Natoreich mit Propaganda ueber die radikalen Forderungen der „Ultralinken“ oder fehlenden Klimaschutz in Lateinamerika zu erschrecken. Und natuerlich innerhalb der Politik der Nation – gewisse linke Elemente von der Gefolgschaft der linken Regierung abzuspalten und damit die linke Regierung von ultralinks genau so zu untergraben, wie die Konservativen und die katholische Kirche (mit USA-NATO „Support“ $$$) von rechts. Das Ziel ist die erfolgreiche linke Regierung, welche „unabhaengig“ von USA&NATO die nationalen Interessen fuer ALLE Buerger verteidigen muss – die Rechten, die Linken, und die Mitte – damit diese Regierung weiter gewaehlt wird von der Mehrzahl. Auch persoenlicher Ego spielt bei Akademikern eine Rolle – und die „spooks“ von Langley und ihre Partner in BRD – nuetzen auch den Eitel und Ehrgeiz von enttaeuschten Primadonnas…

  3. jan z. volens sagt:

    Berichtigung: Sollte heissen – „damit diese Regierung NICHT weiter gewaehlt wird“ (was der Professor schon vollzogen hat: Die Gruendung einer Vereinigung von verschiedenen „linken“ und indigenen Interessen welche gegen die linke Regierung kollaborieren. Bezahlt vom deutschen Steuerzahler – mit den Zuweisungen an die „Friedrich Ebert Stiftung“ der SPD. Obama und Gates kratschen: „The Germans are not helping enough!“ Das ist die Rauchwand damit man nicht bemerkt wo und wie die „Germans“ mitwirken! Der deutsche General Klaus Naumann und die Konrad Adenauer Stiftung arbeiten fuer die Ausdehnung der NATO in den Suedatlantik…

  4. Gudrun Quinoa sagt:

    S.g. Herr Volens!
    Dinge kritisch zu betrachten ist wichtig, ja. Aber die subversive Kraft von der Sie schreiben, schreit einem aus ihren drei Kommentaren förmlich entgegen. Wer steckt bei Ihnen eigentlich dahinter?

  5. Jetzt Ende Oktober 2012 – die „falschen Linken“ und die NATO“Gruenen“ der BRD haben jetzt ihren BND Helfer Alberto Acosta aktiviert in Ecuador – waehrend die CIA die Contras aktiviert. Acosta fuehrt eine „falsche CIA-BND Linke“ in den Wahlkampf von links gegen die nationalistische Koalition des Praesidenten Correa. Acosta ist schon seit Jahren auf dem Radar als „Helfer“ der NATO Geopolitik gegen Lateinamerika. Aber seine BDR“Freunde“ auch in der Universitaet Leipzig werden in Lateinamerika nicht „unbekannt“ bleiben und diese „ficha“ bleibt in ihrer Karriere-Bio… Quetzal-Leipzig ist auch schon lange auf dem „Radar“ als eine Ablenkungspropaganda von dem wirklichen geopolitischen Entwicklungen in Lateinamerika. Das „Gutmenschengetue“ und das „alles liebe und gute“ kann doch nur verdummte Karl-May-Linke in Deutschland einschlaefern. Die BRD Linke und Gruene und Gutmensch NROs sind voellig infiltriet durch zynische Opportunisten welche den naechsten Karriereposten nachlaufen – und deshalb muessen sie sich dienlich erweisen fuer die geopolitischen Interessen der USA, BRD, Vatikan – welche Verbuendete sind fuer die „Kontrolle“ uber Lateinamerika. „Indigenenrechte“ und „Umweltschutz“ werden zynische misbraucht um den nationalistischen linken Regierugen die Zusammenarbeit mit der grossen Mitte zusabotieren – wie „Kampf gegen Belo Monte“. Alle diese BRD „Kaempfer“ fast alle „Linke“, „Gruene“ und „Katholen“ sind den Organen der Regierung schon namentlich bekannt und werden systematisch dem Publikum in Brasilien bekannt gemacht. Auch in Ecuador wird bekannt wer in BRD „eingemischt“ hat. Die „Einladung“ in eine U.S. Universitaet oder „Foundation“ kommt mit dem Preis einer Eintragung in den Archiven in Lateinamerika…

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