Die Ausweitung des innerkolumbianischen Konflikts auf die umliegenden Länder.
Die FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia) agieren trotz der territorialen Einschränkung in ihrem Namen immer mehr auch außerhalb Kolumbiens und tragen damit zur Regionalisierung des Konfliktes bei. Spuren des Handelns der FARC finden sich inzwischen in allen angrenzenden Ländern. Sie nutzen die Grenzregion in Panama genauso wie den Norden Guayanas als Rückzugsräume. Im Folgenden soll jedoch speziell auf ihre Aktivitäten in Peru, Ecuador, Venezuela und Brasilien eingegangen werden.
Die FARC in Peru
In Peru dringen die FARC inzwischen bis in die Regionen des Río Ucayali und ins Gebiet des Río Huallaga nahe Yurimaguas vor. 2006 kursierte eine Nachricht, dass angeblich 80 Prozent der jungen Peruaner in der Grenzregion zu Kolumbien auf den Plantagen der FARC arbeiten und später als Kämpfer rekrutiert werden würden. Auch wenn das übertrieben sein mag, läßt sich nicht mehr leugnen, dass die drei der 70 Fronten („frentes“) der FARC im peruanischen Grenzgebiet zunehmend Zulauf aus Peru erhalten. Wie durchlässig die Grenze ist, zeigte sich unlängst, als am 19. März 2008 zwei Mitglieder der 63. Front im Department Loreto von Polizeieinheiten verhaftet wurden.
Neben diesen Infiltrationen erlangte in Peru eine andere Aktion Bedeutung höchsten Ranges. Denn im Jahr 1999 hat die peruanische Regierung, in Person des Geheimdienstchefes Vladimiro Montesinos, zugleich der engste Vertraute des damaligen Präsidenten Alberto Fujimori, einen internationalen Skandal ausgelöst, als sie – offenbar mit Unterstützung der CIA – 10.000 AKM-Gewehre über zahlreiche Umwege aus Jordanien an die FARC verkauften. Der Wert der Transaktion belief sich auf insgesamt 22 Millionen US-Dollar – für die damalige korrupte peruanische Regierung Anreiz genug, den Deal zu initiieren. Der „Plan Sibirien“ (Plan Siberia) flog jedoch auf, als Ermittler der kolumbianischen Geheimdienstbehörde Departamento Administrativo de Seguridad (DAS) einen Waffenschmugglerring aufdeckten und Informationen von Interpol und der peruanischen Regierung erbat. Für dieses Vergehen wurde Montesinos am 22. September 2006 zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt.
Die während der Gerichtsverhandlungen angeführten Indizien der Einbeziehung der CIA, welche mit diesem Manöver den Kampf der FARC zu radikalisieren und damit den Plan Colombia zu legitimieren versuchten, verliefen sich jedoch im Sande.
Die FARC in Ecuador
In Ecuador wurden schon mehrheitlich nicht nur Lager der FARC geortet, sondern von den ecuadorianischen Streitkräften auch zerstört. Die Zerstörung von drei Camps in der Nähe der Flüsse Chanagué und San Miguel im Jahr 2004 dürfte dabei die FARC besonders getroffen haben, weil diese Lager als Lazarette eingerichtet waren.
Obwohl Ecuador versucht, den Konflikt von seinem Territorium fern zu halten und damit eigentlich konform mit der kolumbianischen Regierung sein sollte, erwiesen sich seit jeher die Beziehungen zwischen Kolumbien und Ecuador als angespannt. Das lag vor allem daran, dass Kolumbien regelmäßig die Souveränität seines südlichen Nachbarn verletzte. So waren es Ende 2004 kolumbianische und nicht ecuadorianische Behörden, die das Mitglied der FARC-Spitze „Simon Trinidad“ in Ecuador festnahmen. Und am 02.Februar 2006 kam es zu einer ähnlichen Verletzung der Souveränität wie knapp zwei Jahre später, als kolumbianische Black Hawk-Hubschrauber und Kampfflugzeuge bei Aktionen gegen FARC-Lager auf das Territorium des Nachbarstaates vordrangen.
Dagegen konnten den FARC direkte Aktionen nie nachgewiesen werden. Doch die Verschleppung von zwölf Ausländern im Jahr 1999 schrieb man ihnen genauso zu wie die Entführung eines Helikopters mit zehn ausländischen Ölarbeitern am 13. Oktober 2000 und ein Bombenattentat auf eine Ölpipeline am 13. Dezember 2000.
Neben (hochrangigen) FARC-Mitgliedern, kolumbianischen Behörden und Militäreinheiten agierten in Ecuador auch die Paramilitärs. Sie haben (teils über Strohmänner) insbesondere in der Provinz Sucumbios Land aufgekauft und sich dort fest installiert. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang zudem das Attentat auf den Abgeordneten Jaime Hurtado, dessen Cousin und einen Assistenten, die am 17. Februar 1999 von kolumbianischen Paramilitärs in Quito erschossen wurden. Sie hatten Hurtado beschuldigt, „ein Sympathisant der Guerilla“ zu sein.
Die FARC in Venezuela
Venezuela nimmt bei den Aktivitäten der FARC im Ausland eine ambivalente Stellung ein. Einerseits hat die venezolanische Regierung durchaus ein Interesse daran, die Verlagerung des (inner-) kolumbianischen Konflikts auf sein Territorium zu verhindern. Andererseits vertritt die FARC hinsichtlich der Ausweitung sozialistischer Werte und der Ablehnung der US-amerikanischen Hegemonialpolitik die gleichen Ziele wie sie. Der politische Antagonismus zwischen dem rechtspopulistischen Kolumbien und dem linksgerichteten Venezuela eröffnet in diesem Kontext eine zusätzliche Konfliktlinie. Deutlich wurde dies beispielsweise am 14. Dezember 2004, als kolumbianische Agenten den „Außenminister“ der FARC, Rodrigo Granda, – nach Darstellung der venezolanischen Behörden – in Caracas festnahmen und nach Kolumbien verschleppten. Venezuela zog aufgrund der Verletzung seiner Souveränität sofort seinen Botschafter ab und setzte alle binationalen Verträge und Handelsbeziehungen aus. Nach Darstellung Kolumbiens sei Granda dagegen erst in der Grenzstadt Cúcuta und damit auf kolumbianischen Territorium verhaftet worden. Die Regierung räumte aber zugleich ein, dass die Verhaftung auf venezolanischem Gebiet notwendig gewesen wäre, weil Chávez sämtliche Bitten zur Festnahme abgelehnt hatte.
Meldungen über Trainingscamps der FARC, Rekrutierungen, Geiselnahmen, Schmuggel von Chemikalien und Benzin (hauptsächlich von den kolumbianischen Paramilitärs) und sogar kämpferischen Auseinandersetzungen zwischen der Nationalen Befreiungsarmee (ELN) und den FARC auf venezolanischem Boden tauchen inzwischen so regelmäßig auf, dass davon ausgegangen werden kann, dass Venezuela schon sehr stark in den (inner-)kolumbianischen Konflikt hineingezogen wurde.
Die FARC in Brasilien
Verbindungen der FARC nach Brasilien sind weniger bekannt. Nichtsdestotrotz zeigte die Verhaftung des brasilianischen Drogendealers Fernandinho Beira-Mar am 21. Februar 2001 im Dreiländereck zwischen Kolumbien, Venezuela und Brasilien, dass auch Brasilien vom Konflikt betroffen ist. Vor allem kriminellen brasilianischen Drogenbanden wird vorgeworfen, an die FARC „Steuern“ abzuführen, um in den von ihnen kontrollierten Gebieten operieren zu dürfen.
Doch auch die brasilianische Regierung verhandelte scheinbar regelmäßig mit den FARC. Der bei der Attacke am 01. März 2008 getötete „Raúl Reyes“ schilderte zum Beispiel in einem Interview vom 24. August 2003, mehrmals Kontakt mit dem heutigen Präsidenten Luis Inacio Lula da Silva gehabt zu haben. Und auch der Minister für Städte (Ministro das Cidades) unter „Lula“, Olivio Dutra, empfing zu seiner Regierungszeit als Gouverneur von Rio Grande do Sul im Jahre 2001 FARC-Führer.
Militarisierung der Grenzen
Die FARC-Aktivitäten im Ausland blieben bei den betroffenen Ländern natürlich nicht unbemerkt. Als sichtbarste Reaktion gingen die meisten Regierungen dazu über, vermehrt Truppen an die Grenzen zu schicken. Trotzdem muss bemerkt werden, dass die zunehmende Militarisierung der Grenzen offenbar nicht dazu beiträgt, die Aktionen der FARC wirksam einzuschränken. Die 8000 Soldaten an Ecuadors Nordgrenze und etwa 30.000 Soldaten an Venezuelas Westgrenze lassen bei einem Grenzverlauf von 586 Kilometern beziehungsweise 2219 Kilometern durch größtenteils unzugängliche Selva offenbar genügend Schlumpflöcher, um eine Eindämmung des Konfliktes unmöglich scheinen zu lassen.
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Literaturquellen:
Jäger, Thomas et al. (2007) (Hg.): Die Tragödie Kolumbiens. Staatszerfall, Gewaltmärkte und Drogenökonomie, Wiesbaden
http://news.bbc.co.uk/hi/spanish/latin_america/newsid_6108000/6108526.stm (05.04.2008)
http://news.bbc.co.uk/2/hi/americas/4672922.stm (05.04.2008)
http://www.kolumbien-aktuell.ch/monatsberichte/1.2.01.html (05.04.2008)
http://www1.folha.uol.com.br/folha/mundo/ult94u23513.shtml(05.04.2008)
http://www1.folha.uol.com.br/folha/mundo/ult94u62119.shtml (05.04.2008)
http://en.wikinews.org/wiki/Capture_of_FARC_member_creates_crisis_between_Venezuela_and_Colombia (05.04.2008)
http://www.cisr-irb.gc.ca/ (05.04.2008)
El Comercio, 18.01. 2004
El Comercio, 22.09. 2006, _http://www.elcomercioperu.com.pe/EdicionImpresa/Html/2006-09-22/ImEcLima0582348.html (Der Link konnte am 11.03.2013 nicht mehr aufgerufen werden).
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Karten: University of Texas at Austin.