Cusco – Machu Picchu – Titicacasee. Das ist die klassische Reiseroute von Peru-Touristen. Nur: Vielleicht fällt das letztgenannte Reiseziel bald aus. Denn dem auf über 3.800 Metern Höhe gelegenen See droht der Kollaps. Der Grad der Verschmutzung ist inzwischen so hoch, dass die 1,3 Millionen Bewohner an seinen Ufern ernsthafte Gesundheitsprobleme aufweisen, v.a. Magen-Darm-, Haut- und Nervenkrankheiten.
Ganz zu schweigen von der Fauna des Sees. Tote Fische und Frösche zieren seine Ufer. Die Vogelpopulation hat enorm abgenommen, und der einzigartige Titicaca-Riesenfrosch (Telmatobius celeus) ist vom Aussterben bedroht.
Dass der Titicacasee unter Eutrophierung, also der zunehmenden Anreicherung von Nährstoffen im Gewässer und der oft damit verbundenen Algenblüte, leidet, ist nicht neu. Nur sehr wenige der Kommunen am See verfügen über eine Kläranlage, die zudem ineffektiv bei den gelösten Kohlenstoffverbindungen arbeiten. Und so fließen die Abwässer Tag für Tag in den See. Die größten Verschmutzer sind dabei Copacabana und die Großstadt El Alto in Bolivien und Juliaca und Puno in Peru. Die Bucht von Puno schillert schon seit Jahrzehnten im Grün der „Entengrütze“ – untrügliches Kennzeichen der Überdüngung. Die (absterbenden) Algen entziehen dem Wasser Sauerstoff, was dann zum Fischsterben und zu noch mehr Sauerstoffentzug führt. Diese Spirale ist schwerlich zu stoppen.
Hinzu kommen die Verseuchungen durch den Industrie- und Haushaltsmüll. Injektionsnadeln, abgelaufene Medikamente, Windeln, Altreifen, Lösungsmittel, Farbeimer – alles landet im Wasser. Plastebeutel flattern im Wind, Plasteflaschen schwimmen an der Oberfläche – bis sie sich, zerrissen und zerrieben, in den Mägen der Wassertiere wiederfinden. Mitunter treiben Tierkadaver im Wasser, allerdings nicht nur Enten, Frösche oder Möwen, sondern auch Schafe, Esel oder Kühe.
Der schlimmste Feind des höchstgelegenen schiffbaren Sees der Welt ist hingegen unsichtbar: Schwermetalle. Im Zuge der meist illegalen Goldsuche, des handwerklichen Abbaus anderer Metalle, der Industrie und der Aktivitäten des informellen Sektors in den vier genannten Städten im Einzugsgebiet des Titicacasees haben die Konzentrationen an Quecksilber, Blei, Arsen, Zink, Kadmium und Kupfer die zulässigen Grenzwerte schon lange überschritten. Sie gelangen über das Trinkwasser oder über die Ernährung (Fische, Enten) in den menschlichen Organismus. Bereits geringe Konzentrationen gelten als hochgiftig. Sie verursachen Wachstums- und Entwicklungshemmungen, Krebs, Leber- und Organschäden, Nervenleiden – und oft den frühzeitigen Tod.
Schätzungsweise 30.000 Minen gibt es in der Region. Doch die Regierungen beider Anrainerstaaten lassen die Bergleute gewähren. Ebenso leiten die Industriebetriebe und die Werkstätten des informellen Sektors unbehelligt ihre Abwässer in die Flüsse im Einzugsgebiet des Sees. Statt jedoch an der Quelle der Verunreinigungen anzusetzen, versprechen die Regierungen Boliviens und Perus schon seit Jahren, das Problem am See direkt angehen zu wollen. Scheinbar sollten 500 Millionen US-Dollar in Kläranlagen investiert werden. Passiert ist – nichts.
Wenn sich an dieser Situation nichts ändert, bleibt am Ende nur die Frage, welchen Tod der Titicacasee sterben wird, den biologischen oder den chemischen?
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