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Interview mit Robert Sieland.
Geoökologe der TU Bergakademie Freiberg zu den Lithium-Vorkommen im Salar de Uyuni, Bolivien (Teil 1)

Andrea Lammers | | Artikel drucken
Lesedauer: 8 Minuten

Bolivien: Salar de Uyuni, größter Salzsee der Welt sowie einer der Orte mit den weltweit größten Lithiumvorkommen - Foto: Quetzal-Redaktion: Maxim KarpilowskiIm Salzsee Salar de Uyuní in Bolivien wird das größte Lithiumvorkommen der Welt vermutet. Die staatliche Bergbaugesellschaft bevorzugt bisher einen ausschließlich industriellen Ansatz für den zukünftigen Abbau dieses für die Batterieherstellung essentiellen Rohstoffes. Wissenschaftler der TU Freiberg haben in Zusammenarbeit mit der Universität Tomás Frías in Potosí eine Alternative entwickelt, die möglicherweise die Bewohner der Region, die bisher von Salzabbau und Landwirtschaft leben, einbeziehen könnte. QUETZAL sprach am 30. April 2012 mit Robert Sieland, Mitglied des Freiberger Forscherteams, über einige „basics“ der Lithiumgewinnung und die Besonderheiten des Salar de Uyuni.

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TEIL 1

Robert Sieland ist Diplom-Geoökologe. Er hat von 2003 bis 2009 an der TU Bergakademie Freiberg studiert und sich auf Hydrogeologie und Hydrologie, sowie Ökologie, spezialisiert. Direkt nach seinem Studium hat er, ebenfalls in Freiberg, mit seiner Promotion zum Thema „Hydraulik und Geochemie des Salar de Uyuni“ begonnen. Für seine Forschungsarbeit war er zwischen 2009 und 2011 dreimal in Bolivien.

Quetzal: In Bezug auf die weltweiten Lithiumvorkommen wird ja unglaublich mit Zahlen und verschiedenen Kategorien und Begriffen wie „Reserven“ etc. jongliert. Mal werden in Bolivien – und dort hauptsächlich in der Salzlauge des Salar de Uyuní – 70 Prozent, dann wieder nur etwa 20 Prozent des weltweiten Lithiums vermutet. Gibt es eine einigermaßen seriöse, wissenschaftliche und nicht interessengeleitete Schätzung?

Sieland: Zunächst einmal muss man unterscheiden zwischen Ressourcen und Reserven. Ressourcen sind die tatsächlich in der Natur vorkommenden Mengen eines Rohstoffes, die – heute oder in Zukunft – gewonnen werden könnten.

Theoretisch…

Theoretisch, denn gemeint ist die Gesamtmenge. Reserve ist hingegen der Anteil der Ressourcen, der zum einen minimale physikalische und chemische Anforderungen heutiger Abbau- und Produktionsmethoden erfüllt und zum anderen unter heutigen technischen und ökonomischen Bedingungen tatsächlich abbaubar ist. Das heißt, die Reserven sind immer geringer als die Ressourcen.

Um wie viel Prozent ungefähr?

Bolivien: Weltweite Lithium-Produktion und Reserven (geschätzt, 2012) - Quelle: U.S. Geological Survey 2012Da kann man kein generelles Verhältnis angeben, das hängt immer davon ab, welche Ressourcen man betrachtet. Wenn wir jetzt das weltweite Lithiumvorkommen betrachten, dann müssen wir darauf achten: Welche Zahlen beziehen sich auf Ressourcen und welche auf Reserven? Die Schätzungen gehen relativ weit auseinander: 2008 wurden die Gesamtressourcen weltweit auf ca. 30 Millionen Tonnen geschätzt. Im Laufe der Zeit werden aber immer neue Vorkommen entdeckt, so dass also die Gesamtschätzung langsam ansteigt. Die neueste Zahl des US-amerikanischen geologischen Dienstes (USGS) lautet 34 Millionen Tonnen für 2012. Die Reserven liegen dagegen laut USGS derzeit bei 13 Millionen Tonnen.

Wie viel davon steckt laut Schätzungen im Salar de Uyuni?

Da gehen die Zahlen sehr weit auseinander: Der USGS, von dem ich sagen würde, er ist noch die seriöseste Quelle, sagt: 5,4 bis 9 Millionen Tonnen. Bis 2009 hat er jedes Jahr 5,4 Tonnen in seinem Report angegeben, und jetzt hat er erhöht auf 9 Millionen Tonnen. Die bolivianische Regierung selbst behauptet, dass im Salar de Uyuni eine Gesamtvorratsmenge von 350 Millionen Tonnen Lithium vorhanden sein soll und sagt zugleich, nur 40 Prozent davon seien abbaubar. Das wären dann aber immer noch 140 Millionen Tonnen Lithium. Das liegt ja an sich schon weit über den gesamten weltweiten Schätzungen. Da sollte man also sehr vorsichtig sein. Selbst wenn es aber „nur“ 9 von insgesamt 13 Millionen Tonnen wären, ist das trotzdem sehr viel: immerhin knapp 70 Prozent des Weltvorkommens.

Juliana Ströbele-Gregor hat einmal geschrieben, es gebe zwei Faktoren, die zu berücksichtigen sind und sich dabei auf dich berufen: Das ist einmal die Porosität der Salzschichten im Salar de Uyuni und zweitens die Frage der Tiefe der Bohrungen. Die Bolivianer rechnen ja wahrscheinlich bis ganz unten, 220 Meter tief.

Bolivien: Lithiumgewinnung im Salar de Uyuni mit Kegeln der TU Freiberg - Foto: Quetzal-Redaktion, Anke HertamDas ist richtig – und genau daran scheiden sich ja die Geister. Alle bisherigen Daten zur Verteilung des Lithiums sind aus den siebziger und achtziger Jahren. Eine französische Forschergruppe hatte Ende der siebziger Jahre sehr ausführliche Untersuchungen gemacht, allerdings nur von der obersten Salzkruste. Die hat eine maximale Mächtigkeit von bis zu elf Metern. Für diese oberste Salzschicht haben sie also Schätzungen gemacht und in ihrem Report 9 Millionen Tonnen angegeben. Und das ist, denke ich, die Zahl, die auch der USGS heute noch verwendet. Seitdem gab es aber zwei tiefere Bohrungen, 1986 und 1999, bis 120 bzw. 220 Meter Tiefe. Man hat dabei festgestellt, dass der Salar nicht nur aus einer Salzschicht besteht, sondern aus vielen, die jedoch immer wieder durch Tonschichten voneinander getrennt sind. Das hat mit der Entstehungsgeschichte des Salars zu tun. Das Interessante ist, dass die 220-Meter-Bohrung in einer Salzschicht endete. Das bedeutet, es war noch nicht das Grundgebirge erreicht, das Becken kann noch tiefer sein. Die bolivianische Regierung hat also vermutlich eine Tiefe von 220 Metern angenommen, von der sie sagt „Da ist ja immer noch Salz, es kann also Lithium vorkommen“, und hat die gleiche Konzentration und Porosität wie an der Oberfläche für ihre Berechnungen angenommen. Auf diese Weise kam sie wohl auf diese riesige Menge.

Von der Vorstellung eines Salz –„Sees“, mit Kruste oben und Wasser unten, muss man sich also verabschieden und eher an einen Schweizer Käse denken?

Das sowieso. Wir haben eine feste Salzschicht, aber das Salz enthält Poren, kleine Hohlräume und Risse. Und in diesen Hohlräumen befindet sich die Salzlösung. Und der Knackpunkt an den ganzen Schätzungen ist eben die Porosität der Salzschicht. Dazu gibt es überhaupt keine seriösen Informationen. Die einzige stammt von dem erwähnten französischen Forscherteam. Das hat damals mit nicht so recht nachvollziehbaren Methoden eine Porosität von 30 bis 40 Prozent geschätzt. Das ist ein sehr hoher Wert, und den haben sie noch dazu auf die gesamte Salzkruste hochgerechnet. Ich vermute dagegen, dass die Porosität mit der Tiefe abnimmt, weil ja immer mehr Salzschichten aufeinanderliegen und alles komprimieren. Da können sich keine so großen Hohlräume erhalten. Das heißt: Auch wenn wir tiefe Salzschichten haben, die früher nicht bekannt waren, kann es sein, dass die Porosität deutlich geringer ist als damals angenommen und somit die Gesamtmenge an Lithium in der Salzlauge nicht auf diese Weise hochgerechnet werden kann. Da wären dringend weitere Untersuchungen nötig.

Wieviel Lithium ist denn in einem Liter der Salzlösung von Uyuni enthalten?

Das ist unterschiedlich, denn Lithium ist nicht gleich im ganzen Salar verteilt. Die Gehalte schwanken zwischen 300 mg und über 2000 Milligramm, aber im Durchschnitt sind es etwa 500 Milligramm Lithium – ein halbes Gramm pro Liter, also weit weniger als 0,1 Prozent. Ein Liter wiegt ja wegen der hohen Salzgehalte bis zu 1,2 Kilogramm.

Ist das vergleichbar mit den Verhältnissen in anderen großen Lithiumvorkommen, z.B. in der Atacama-Wüste?

Nein, dort gibt es deutlich höhere Konzentrationen. Aber das Atacama-Vorkommen ist ohnehin einzigartig in der Welt, es ist das beste Vorkommen überhaupt. Im Vergleich zu sonstigen Salzseen hat der Salar de Uyuni aber trotzdem sehr hohe Gehalte.

Bolivien: Salzgewinnung im Salar de Uyuni, größter Salzsee der Welt sowie einer der Orte mit den weltweit größten Lithiumvorkommen - Foto: Quetzal-Redaktion: Maxim KarpilowskiAn dieser Stelle ist vielleicht noch eine ganz elementare Frage zu klären: Wo kommt das Lithium überhaupt her?

Das ist eine gute Frage, mit der sich ja auch unsere Forschung beschäftigt. Die Frage ist, warum im Hauptzuflussbereich des Rio Grande eine so extrem hohe Lithium-Konzentrationen von mehreren Gramm pro Liter zu finden ist. Es gibt da verschiedene Theorien. Man vermutet, dass das Lithium prinzipiell aus vulkanischem Gestein kommt. Die ganze Gegend ist ja vulkanischen Ursprungs. Im Laufe der Jahrtausende und Jahrmillionen wird das Gestein verwittert, und Salze werden mit dem Regen ausgeschwemmt. Da der Salar de Uyuni sich in einem geschlossenen Becken befindet, wo es keine Abflüsse gibt, muss ja alles Wasser zum niedrigsten Punkt fließen. Oder mit anderen Worten: Der Salar ist der niedrigste Punkt in diesem Altiplano. Die Flüsse fließen alle zu ihm hin, und es gibt keinen Abfluss. Das heißt, das Wasser kann nur verdunsten. Und die mitgeführten Salze kristallisieren dann aus und bilden eben diese Salzkruste. Das ist eine Theorie, wie das Lithium überhaupt dorthin kommt. Warum wir dort aber eine, im Verhältnis zu den anderen Elementen so hohe Konzentration vorfinden – da müssen noch andere Prozesse eine Rolle spielen.

Warum bleibt das Lithium denn nicht im Salz, sondern konzentriert sich in der Salzlösung?

Das liegt daran, dass Lithium ein extrem reaktives Element ist. Es reagiert sofort, sobald ein bisschen Wasser da ist. Das heißt, es geht bevorzugt in Wasser in Lösung und hält sich überwiegend in Wasser auf. Und deswegen sind die Gehalte an Lithium im Salz verschwindend gering, nur 10 Prozent dessen, was in der Salzlösung enthalten ist. Man könnte theoretisch auch das feste Salz abbauen, aber das wäre überhaupt nicht wirtschaftlich. Würde man den Salzsee vollständig austrocknen, so dass überhaupt kein Wasser mehr da ist, dann würde auch Lithium als Salz ausfallen, als Lithiumcarbonat oder Lithiumchlorid. Dann könnte man es als Feststoff abbauen.

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Den zweiten Teil des Interviews finden Sie hier.

Bildquellen: [1], [3] Quetzal-Redaktion, Maxim Karpilowski; [2] Quetzal-Redaktion, Anke Hertam

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