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Interview mit Robert Sieland
Geoökologe der TU Bergakademie Freiberg zu den Lithium-Vorkommen im Salar de Uyuni, Bolivien (Teil 2)

Andrea Lammers | | Artikel drucken
Lesedauer: 9 Minuten

Bolivien: Lithiumgewinnung im Salar de Uyuni mit Kegeln der TU Freiberg - Foto: Quetzal-Redaktion, Anke HertamIm ersten Teil des Interviews sprachen wir mit Robert Sieland über die Lithium-Ressourcen im Salar de Uyuni in Bolivien. Im zweiten Teil geht es um die verschiedenen technischen Verfahren der Lithiumgewinnung, das so genannte „Kegelprojekt“ der TU Freiberg sowie die möglichen Folgen des großtechnischen Lithiumabbaus für die Umwelt.

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Teil 2

Quetzal:Wie wird Lithium aus der Salzlösung gewonnen wird?

Sieland: Das Lithium ist zwar in der Salzlösung in vergleichsweise hohen Konzentrationen vorhanden, aber um es technisch zu gewinnen, sind die Gehalte sehr, sehr gering, teilweise sogar unter einem Prozent. Man müsste enorm viel Energie in einen Aufbereitungsprozess stecken, um das Lithium herauszuholen. Um die Gewinnung einigermaßen wirtschaftlich zu gestalten, muss diese Salzlösung also zunächst aufkonzentriert werden. Dazu nutzt man einfach die natürlichen Gegebenheiten, also Sonne und Wind, um das Wasser zu verdampfen und das Lithium, das ja bis zum Schluss im Wasser gelöst bleibt, anzureichern. Ein zweiter Vorteil dabei ist, dass man durch diese Eindampfung auch schon bestimmte Salze abtrennen kann, die man nicht haben möchte, insbesondere Natriumchlorid oder Kaliumchlorid. Die fallen früher als Feststoffe aus und können dadurch abgetrennt werden.

Soweit wir wissen, gibt es verschiedene Methoden das Lithium aufzukonzentrieren. Wie verhält sich das?

In der Atacama-Wüste gibt es derzeit die weltweit größte Lithium-Produktion (etwa 70 Prozent). Dort geschieht die Eindampfung über riesige Verdampfungsbecken. Das heißt, man legt dort mehrere Quadratkilometer große Becken an, pumpt die Salzlösung hinein und lässt sie durch die sehr intensive natürliche Sonneneinstrahlung über sehr lange Zeit eindampfen. Wenn dann eine bestimmte Konzentration erreicht ist, kann man die Lösung quasi abziehen und im nächsten technischen Schritt aufbereiten. Mit solchen riesigen Eindampfbecken versucht auch die bolivianische Regierung am Salar de Uyuni zu arbeiten. Grundproblem ist aber, dass wir dort ganz andere klimatische Verhältnisse haben als in der Atacama-Wüste. Das ist ja die trockenste Region der Erde überhaupt mit weniger als 10 Liter Niederschlag pro Quadratmeter pro Jahr. Im Salar de Uyuni haben wir dagegen eine Regenzeit von Dezember bis März, und es fallen jährlich Niederschläge von ca. 150 Litern pro Quadratmeter. Das ist immer noch wenig, z.B. im Vergleich zu Deutschland, wo im Durchschnitt 800 Liter pro Quadratmeter fallen, aber es reicht eben in der Regenzeit aus, um die Eindampfung unmöglich zu machen.

Die Technische Universität Bergakademie Freiberg ist ja einen anderen Weg gegangen. Ihr arbeitet am sogenannten „Kegelprojekt“. So ein Kegel sieht ein bisschen aus wie eine bolivianische „Chulu“-Mütze…

Bolivien: Lithiumgewinnung im Salar de Uyuni mit Kegeln der TU Freiberg - Foto: Quetzal-Redaktion, Ariane SchönDie TU Freiberg hat seit vierzig Jahren sehr enge Kontakte zu der Universität von Potosí in Bolivien, und auf Basis dieser guten langjährigen Beziehungen wurde eben von den Kooperationspartner in Bolivien der Vorschlag an uns herangetragen, ob wir nicht gemeinsam ein Projekt machen könnten, das sich mit diesem riesigen Lithiumvorkommen im Salar de Uyuni beschäftigt. 2007 gab es erste Gespräche und es wurde dann eine Vereinbarung unterzeichnet. Wir haben uns überlegt, dass wir die Eindampfung schneller machen müssen, als es in riesigen Becken möglich ist, und da sind wir eben auf Kegelkonstruktionen gekommen. Da wird also die Salzlösung hochgepumpt und fließt dann auf der Außenhaut der Kegel nach unten. Das heißt, wir haben also zusätzlich noch eine Bewegung und damit wird die Verdampfung durch Sonne und Wind wesentlich effektiver und schneller.

Lässt sich dieser Unterschied messen?

Mit den Kegeln hat man die Salzlösung in wenigen Tagen, bis maximal einer Woche, „erntereif“. Bei den Becken dauert das in der Regel zwischen acht und zwölf Monaten, wobei aber eben die dreimonatige Regenzeit plus eventuell noch länger dauernde Überschwemmungen zu berücksichtigen sind. Das heißt, ein Jahr reicht eventuell gar nicht aus, falls die Niederschläge kurz vor dem Ende des Eindampfungsprozesses einsetzen.

Aber sind nicht andererseits die Kegel ziemlich klein?

Die Prototypen, die wir entwickelt haben, waren maximal drei Meter hoch und wurden aus ganz einfachen Materialien gebaut, die vor Ort überall verfügbar sind, also aus Metallstangen und Plastikplanen oder verschiedenen Stoffen. Denkbar ist auch, die Kegel direkt aus Salz zu bauen, indem man Salzhaufen aufschüttet und auf die Oberfläche eine Plane spannt. Insofern sind die Kosten für solche Kegel dann auch sehr gering. Aber natürlich ist so ein kleiner Kegel zwar schnell, liefert aber keine große Menge. Um das Ganze industriell zu betreiben, muss man dann schon mehrere hundert von diesen Kegeln aufstellen. Wir hatten mal durchgerechnet ca. 300 Kegel. An den Kegeln, die ja noch in der Entwicklungsphase sind, kann man dann über verschiedene Größen und Durchmesser auch noch den Prozess für größere Mengen an Salzlösung optimieren.

Es klingt auch so, also wäre dann die Abtrennung der anderen Salze leicht möglich?

Bolivien: Lithiumgewinnung im Salar de Uyuni mit Kegeln der TU Freiberg - Foto: Quetzal-Redaktion, Sven KühnelGenau. Das geht mit den Kegeln besonders elegant. Die Salze fallen nämlich auf der Außenhaut in der Reihenfolge aus, in der sie sich chemisch nicht mehr im Wasser lösen können. Als erstes fällt Natriumchlorid aus, denn davon ist in der Lösung am meisten vorhanden. Wenn ich also weiß, bis zu welcher Konzentration Natriumchlorid ausfällt, kann ich quasi den Prozess kurz unterbrechen und kann das abkratzen und separat als Speisesalz verkaufen. Wenn ich das dann weiterlaufen lasse, dann werden als nächstes Kaliumchlorid, Magnesiumsulfat und andere Salze ausgefällt. So dass ich also eine zeitliche Trennung der Salze habe und jeweils he kann.

Wenn die Kegel mit den Eindampfungsbecken der bolivianischen Regierung konkurrieren wollten, müsste man dann nicht etwa 4.000 Kegel haben, das haben wir jedenfalls mal versucht auszurechnen, um die gleiche Menge Lithiumcarbonat zu gewinnen? Das wäre ja ein Wald von Kegeln…

Das kann sein.

Aber der Salar ist ja auch sehr groß – etwa viermal so groß wie das Saarland oder halb so groß wie ganz Sachsen-Anhalt…

Ja, zehntausend Quadratkilometer. Man muss aber berücksichtigen, dass sich in einem „Wald von Kegeln“ diese untereinander beeinflussen, sich also z.B. die Luftfeuchtigkeit erhöht. Das heißt, die Effektivität der Eindampfung würde verringert. Man müsste immer kleinere Gruppen von Kegeln aufbauen und die immer ein Stück voneinander entfernt aufstellen.

Da würde die Technik ja eigentlich gut zu einer dezentralen Struktur passen, in die die lokale Bevölkerung, die indigenen comunidades (Gemeinden), einbezogen sind.

Das stimmt. Man kann die Kegel ja auch sehr mobil überall einsetzen, und wenn die Regenzeit beginnt, könnte man sie auch wieder abbauen oder einfach stilllegen. Sobald es dann trocken wird, könnte man den Prozess wieder neu starten. Auf die Weise gäbe es Verluste nur kurzzeitig, wenn der Regen unerwartet kommt. Ein weiterer Vorteil der Kegel ist, dass sie – im Gegensatz zu den großen Becken – nicht dauerhaft das Landschaftbild verändern.

Und wie viel würde ein Kegel kosten?

Unser Ziel ist es, die Herstellungskosten unter 200 US-Dollar zu halten. Man kann da aber auch noch einiges tun, indem man Salz verwendet oder billigere Stoffe und Planen, je nachdem. Immer fünf Kegel brauchen außerdem ein Solarpanel für die Stromversorgung.

Ihr habt ja Versuche gemacht in der Gemeinde Tahua. Ist es denn realistisch, dass die comunidades bzw. eben jeweils Familien diese Kegel verwalten und betreiben?

Bolivien: Indigene - Foto: Quetzal-Redaktion, wdTheoretisch wäre das möglich. Es bräuchte eben ein wenig Ausbildung dazu. Man braucht da kein Studium, man bräuchte nur einfach jemanden, der den Leuten das in angemessener Form erklärt und zeigt. Ob die comunidades das dann wirklich umsetzen und machen wollen, das hängt von vielen Rahmenbedingungen ab, nicht zuletzt vielleicht auch davon, wie die Leute so eine neue Technik akzeptieren und für sich annehmen.

Habt ihr gesehen, ob da eine gewisse Bereitschaft besteht? Oder haben die Leute gleich abgewehrt?

Nein, nein! Die waren euphorisch und wollten unbedingt mitmachen. Mehrere Dörfer auf einmal wollten gleich die Kegel bei sich haben. Das Problem war, dass die zwanzig Dorfbewohner, die sich die Prozedur dann angeguckt haben, nur für einen Tag kamen und am nächsten verschwunden waren. Wir wissen nicht warum. Wir bräuchten da Einheimische, die das Projekt überzeugend vermitteln können. Und auch Ethnologen, die die Strukturen und jahrhundertealten Traditionen dieser comunidades kennen und überlegen, wie man da überhaupt Neues einführen kann. Da sind wir als Naturwissenschaftler überfordert.

Zum Schluss noch ein weiteres wichtiges Thema – die ökologischen Folgen der Lithiumgewinnung, speziell der Wasserverbrauch. Was weiß man darüber?

Die staatliche bolivianische Bergbaugesellschaft COMIBOL hat – in Anlehnung an Daten aus Chile – eine Schätzung gemacht, dass sie bei industrieller Produktion von Lithium ca. 4.000 Kubikmeter Süßwasser und ca. 5.000 Kubikmeter leicht salziges Brackwasser pro Tag verbrauchen wird. Um diese Mengen pro Tag zu gewinnen, reicht das Flusswasser aus dem Rio Grande – dem Hauptzufluss – bei weitem nicht aus. Das heißt, es muss zusätzlich sehr viel Grundwasser gefördert werden. Hier hat man jedoch über Isotopenuntersuchungen festgestellt, dass das Grundwasser sehr alt ist – zwischen 90 und über eintausend Jahre. Das bedeutet, dass das, was man als Grundwasser fördert, nicht durch heutige Niederschläge gebildet wird, sondern vor vielen hundert bis tausend Jahren gebildet wurde. Es ist also quasi eine nicht erneuerbare Ressource. Wann man das fördert und verbraucht, dann wird dieser „Vorratsbehälter“ im Untergrund langsam leer.

Das heißt, auch die Sorge der BewohnerInnen rund um den Salar, was denn passieren könnte mit ihrem Gemüse- und Quinua-Anbau und ihrer Lamazucht, ist durchaus berechtigt…

Das würde ich schon so sehen. Bei diesen Mengen an gefördertem Grundwasser wird der Grundwasserspiegel abgesenkt. Damit kann es dazu kommen, dass Quellen versiegen und Feuchtstellen trockenfallen, womit dann eben kein Anbau, z.B. von Quinua, mehr möglich ist. Die Frage ist eben auch, wo gefördert wird und wie groß der Auswirkungsbereich ist. Aber auch für die Kegel ist die Frage, wie viel Frischwasser gebraucht wird, um sie sauber zu waschen etc. Es gibt eben noch kein Pilotprojekt, bei dem man das erfahrungsmäßig schon mal abschätzen könnte.

Bolivien: Lithiumgewinnung im Salar de Uyuni mit Kegeln der TU Freiberg - Foto: Quetzal-Redaktion, Robert Sieland Bolivien: Lithiumgewinnung im Salar de Uyuni mit Kegeln der TU Freiberg - Foto: Quetzal-Redaktion, Judith Heinrich

 

 

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Teil 1 des Interviews finden Sie hier.

Bildquellen: [1] Quetzal-Redaktion, Anke Hertam; [2] Quetzal-Redaktion, Ariane Schön; [3] Quetzal-Redaktion, Sven Kühnel; [4] Quetzal-Redaktion, wd; [5] Quetzal-Redaktion, Robert Sieland; [6] Quetzal-Redaktion, Judith Heinrich

1 Kommentar

  1. malte sagt:

    diese seite hat mir wirklich sehr bei der anfertigung meiner hausarbeit zu dem thema: lithiumabbau im bolivianischen salar de uyuni geholfen. vieln dank auch an herrn sieland, der mir so umfangreiches material hat zukommen lassen.

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