Einleitung
Kolumbien ist nach Russland der zweitgrößte Steinkohlelieferant für deutsche Kraftwerke. 2010 wurden fast acht Millionen Tonnen aus dem südamerikanischen Land importiert – Tendenz steigend. Während die hiesigen Stromerzeuger von der billigen Kohle profitieren, zahlen Menschen und Umwelt vor Ort die Zeche. Kleinbauern werden gewaltsam vertrieben oder unzureichend entschädigt. Der Staat und die multinationalen Konzerne entscheiden über die Köpfe der Anwohner hinweg. Wälder werden gerodet, Flüsse umgeleitet und riesige Abraummengen produziert. Durch den immensen Wasserverbrauch der Minen und die Zerstörung landwirtschaftlicher Nutzflächen wird die Ernährungssicherheit der Menschen gefährdet. Der Bergbau generiert große Gewinne, doch davon landet kaum etwas bei den Menschen, die dem Bergbau weichen müssen.
Kohlebergbau in Kolumbien
Der Steinkohlebergbau in Kolumbien boomt. Wurden 2007 noch 69 Millionen Tonnen gefördert, waren es 2010 schon 75 Millionen. Prognosen sagen für 2015 bereits eine Förderung von bis zu 120 Millionen Tonnen voraus. Über 95 Prozent der geförderten Kohle wird exportiert, vor allem nach Europa und in die USA. Die Exportkohle wird fast ausschließlich in den Departments La Guajíra und Cesar im Tagebau gefördert und per Zug und Sattelschlepper zu den atlantischen Verladehäfen transportiert. In naher Zukunft sollen auch weiter im Landesinneren gelegene Kohlevorkommen für den Export erschlossen werden, beispielsweise in der Region Catatumbo im Department Norte de Santander. Aktuell sind drei Unternehmen für 90 Prozent der Kohleexporte verantwortlich:
1. Cerrejón
Das Unternehmen Cerrejón baut Steinkohle im Department La Guajíra ab. Anteilseigner des Unternehmens sind die Bergbaugiganten Anglo American (Großbritannien), BHP Billiton (Australien) und Xstrata (Schweiz). Cerrejón verschifft die Kohle über den Verladehafen Puerto Bolívar. 2010 betrug die Jahresproduktion 31,5 Millionen Tonnen.
2. Drummond
Das US-Unternehmen betreibt im Department Cesár die Tagebaue Pribbenow, El Descanso, Similoa, Rincón Hondo und La Loma. Die Kohle wird per Zug über 180 km an die Karibikküste nahe Santa Marta transportiert und dort verschifft. 2010 wurden 22,5 Millionen Tonnen Kohle abgebaut.
3. Prodeco/Glencore
Ebenfalls im Department Cesar betreibt das Unternehmen Prodeco die Tagebaue Calenturitas und Proyecto La Jagua. Prodeco ist ein Tochterunternehmen des Schweizer Rohstoffkonzerns Glencore. 2010 betrug die Jahresproduktion 12,1 Millionen Tonnen. Im Zusammenhang mit Kohleförderung und -transport ist es in der Vergangenheit immer wieder zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen und massiven Eingriffen in die Umwelt gekommen. Durch den Ausbau der Förder- und Transportkapazitäten und die Erschließung neuer Abbaugebiete wird sich diese Situation weiter verschärfen.
Vertreibungen und Morde durch paramilitärische Einheiten
In den Abbaugebieten in den Departments La Guajíra und Cesár gibt es seit vielen Jahren eine starke Präsenz paramilitärischer Einheiten. Zwar hat der in diesen Gebieten vorherrschende „Bloque Norte“ 2006 offiziell die Waffen niedergelegt, dennoch gibt es nach wie vor Präsenz von Paramilitärs in den Abbauregionen. Nach Aussagen inhaftierter Paramilitärs sind im Zusammenhang mit der Erweiterung einiger Minen im Cesar und dem Ausbau der Bahnstrecke von dort zu den Verladehäfen an der Karibikküste zahlreiche AnwohnerInnen gewaltsam vertrieben oder sogar ermordet worden. Das so gestohlene Land wurde dann an die Bergbaukonzerne verkauft. Es ist nach wie vor unklar, ob letztere von den Geschehnissen wussten oder sogar an den Vorgängen beteiligt waren. Wahrscheinlich aber ist, dass sowohl Drummond als auch Prodeco indirekt von diesen Menschenrechtsverletzungen profitiert haben.
Das Beispiel E.ONE.ON baut in Datteln in Nordrhein-Westfalen gerade ein neues Kohlekraftwerk. Auch in Stade und bei Großkrotzenburg (Kraftwerk Staudinger) sollen neue Steinkohlekraftwerke entstehen. Dadurch wird sich nicht nur der Bedarf an Importkohle deutlich erhöhen, sondern auch die von E.ON verursachten CO2-Emissionen werden massiv steigen. Der Konzern schreibt über seine allgemeinen Einkaufsbedingungen: „Sie beinhalten die Forderung, bei der Auswahl der Lieferanten darauf zu achten, dass in der Produktion beziehungsweise beim Ausführen der Dienstleistung die Menschenrechte gewahrt bleiben, angemessene Arbeitsbedingungen sichergestellt sind, Umweltbelastungen minimiert und ethische Geschäftspraktiken sichergestellt werden.” Dennoch bezieht E.ON seit Jahren große Mengen Importkohle aus Kolumbien. |
Behinderung der gewerkschaftlichen Arbeit
Gewerkschaftliche Arbeit ist in Kolumbien oft lebensgefährlich. Die Führer der Kohlearbeitergewerkschaft Sintramienergetica, Valmore Locarno und Victor Hugo Orcasito, wurden 2001 von Paramilitärs ermordet, weil sie sich für bessere Verpflegung der Arbeiter eingesetzt hatten. Nach Aussagen demobilisierter Paramilitärs war Drummond in diese Morde verwickelt. Nach wie vor wird gewerkschaftliche Arbeit und Organisation behindert. Insbesondere bei Prodeco werden Arbeiter unter Druck gesetzt, damit sie nicht der Gewerkschaft beitreten. Gleichzeitig müssen gewerkschaftlich organisierte Arbeiter mit Repressalien oder Lohnkürzungen rechnen. Die Zahl der Arbeitskämpfe hat signifikant zugenommen, seit Glencore 1995 das Unternehmen Prodeco und danach weitere Minen übernommen hat. Obwohl die Situation bei Cerrejón weniger angespannt ist, wird auch dort insbesondere den Leiharbeitern die gewerkschaftliche Organisation erschwert.
Schlechte Arbeitsbedingungen
Alfredo Tovar, Mitglied der Gewerkschaft Sintramienergetica, berichtete Ende 2010 von zahlreichen Gesundheitsproblemen der Arbeiter als Folge der schlechten Arbeitsbedingungen. Viele litten unter Atemwegserkrankungen, Hör- und Sehbehinderungen oder Wirbelsäulenproblemen. Durch die zwölfstündigen Schichten und die Arbeit unter Zeitdruck kommt es immer wieder zu Unfällen, bei denen allein 2011 bereits sechs Arbeiter getötet wurden. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten sind nicht direkt bei den Unternehmen angestellt. Sie werden deutlich schlechter bezahlt, genießen nur unzureichenden Arbeitsschutz und sind daher öfter von Arbeitsunfällen betroffen.
Missachtung der Indigenen-Rechte
Die Cerrejón-Mine mit der dazugehörigen Infrastruktur liegt im Siedlungsgebiet der Wayuu-Indigenen. Die 150 km lange Zugstrecke für den Kohlentransport durchschneidet ihr gesamtes Territorium und auch der Hafen belegt das Gebiet eines großen Clans. Bisher wurden die Indigenen darüber weder konsultiert noch korrekt entschädigt. Diese Infrastruktur wurde zwar gebaut, bevor Kolumbien die ILO-Konvention 169 über die Rechte der Indigenen Völker ratifiziert hatte. Seit 1991 hat ILO 169 in Kolumbien aber Gesetzesrang und trotzdem hat Cerrejón bis heute keinen der Ausbauschritte mit den Indigenen abgesprochen und ihre Zustimmung eingeholt, auch nicht bei der Umsiedlung ganzer Dörfer. Bis 2013 plant Cerrejón nun eine weitere Expansion, wozu auch der wichtigste Fluss dieser trockenen Gegend auf 25 km Länge umgeleitet werden muss. Erstmalig hat Cerrejón versprochen, die Bevölkerung umfassend anzuhören und die freie und vorherige Zustimmung der Indigenen einzuholen. Eine umfassende Konsultation über vergangene Verletzungen des indigenen Territoriums und über den aktuellen Betrieb der Mine – eine Kernforderung vieler Wayuus – lehnt Cerrejónaber bis heute ab. In der Region Catatumbo, wo zukünftig Kohle abgebaut werden soll, versuchen die Verantwortlichen, die vorgeschriebene Konsultation der im Abbaugebiet lebenden Barí-Indigenen mit juristischen Tricks zum umgehen.
Kleinbauern verlieren ihre Lebensgrundlage
Durch die Kohletagebaue gehen große Ackerflächen für den Anbau von Nahrungsmitteln verloren. Die lokalen Gemeinschaften verlieren so ihre Lebensgrundlage und müssen dann aus dieser Position der Schwäche heraus mit den Unternehmen ihre Umsiedlung aushandeln. Diese Umsiedlungsverhandlungen ziehen sich oft über viele Jahre. Viele Betroffene geben vorher auf und akzeptieren völlig unzureichende Entschädigungen. Die Kohletagebaue stellen außerdem eine massive Belastung für den Wasserhaushalt in den betroffenen Regionen dar. Obwohl Wasser dort ein knappes Gut ist, werden riesige Mengen Wasser durch den Kohlebergbau verbraucht oder mit Schadstoffen belastet.
Massive Umweltzerstörungen
Der Kohleabbau findet in ökologisch sensiblen Regionen des Landes statt. Dennoch fallen den Tagebauen zahlreiche Wälder zum Opfer. Die verlorene Biodiversität kann auch durch sogenannte Renaturierungsmaßnahmen nicht wiederhergestellt werden. Außerdem müssen zahlreiche Flüsse umgeleitet werden, obwohl in den Abbaugebieten insbesondere Wasser ein knappes Gut darstellt. Für den Cerrejón-Tagebau muss der Ranchería-Fluss auf mehr als 20 Kilometern umgeleitet werden. Es handelt sich um den einzigen nennenswerten Fluss des Departments La Guajíra. Der geplante Tagebau in der Region Catatumbo hätte massive Auswirkungen auf den Catatumbo-Fluss.
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Der Beitrag erschien bereits in einem Factsheet der FIAN-Deutschland, Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien und Klima Allianz am 31.05.2011. Veröffentlichung des Artikels mit freundlicher Genehmigung der Organisationen.
Bildquellen: [1] Tabelleninformationen übernommen aus kohle-protest.de; [2] Karte aus kohle-protest.de; [3] Foto aus kohle-protest.de; [4] Foto von Troskiller