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Der tägliche Kampf gegen Hunger und Vertreibung

Steffi Holz | | Artikel drucken
Lesedauer: 5 Minuten

Bericht über den Widerstand gegen den Sojaanbau in Paraguay

Die paraguayische Landwirtin und Aktivistin Esther Leiva - Foto: Quetzal-Redaktion, Steffi HolzVon den Auswirkungen des Sojaanbaus in Paraguay zu berichten, und davon, was das mit uns zu tun hat, ist im Mai diesen Jahres Esther Leiva, Landwirtin und Aktivistin, den langen Weg nach Deutschland gekommen. „Die Menschen hier sollen wissen, dass sie Gift auf dem Teller haben, wenn sie billiges Fleisch und Milchprodukte kaufen. Und sie sollen wissen, das der Sojaanbau für uns Vertreibung und Hunger bedeutet“, lautet die Botschaft der ersten Frau an der Spitze der paraguayischen Kleinbauernorganisation OLT.

Denn gentechnisch veränderte Soja, die in gigantischen Monokulturen in Paraguay angebaut wird, landet in hiesigen Futtertrögen und somit täglich auf unseren Tellern. Von den 35 Millionen Tonnen Soja die jährlich in die EU importiert werden, sind deutsche Bauern und Massentierbetriebe mit acht Millionen Tonnen die größten Abnehmer. Und der Bedarf steigt weiter, was in dem südamerikanischen Land, das weltweit an vierter Position im Sojaexport liegt, verheerende Folgen für Mensch und Umwelt hat: Der massive Pestizideinsatz, oft per Flugzeug, vergiftet die Landbewohner, ihre Tiere und Felder. Das ist besonders fatal, da die Kleinbauern, die immerhin die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, als Subsistenzbauern direkt von dem leben, was sie anbauen. Zerstörung des Regenwaldes, Bodenerosion und verseuchte Gewässer sind weitere Folgen der steten Ausweitung des Sojaanbaus. Da sich die Sojabarone und internationalen Agrarfirmen immer mehr Land einverleiben, werden die Kleinbauern vertrieben und landen in den Elendsvierteln der Städte. Die Sojaexpansion verschärft den Landkonflikt, der durch eine der ungerechtesten Landkonzentrationen weltweit ohnehin das drängendste soziale Problem in Paraguay ist.

Doch dagegen formiert sich Widerstand, und es war Esther Leiva wichtig, über den Kampf der Kleinbauern um Land und gegen das Agrarbusiness zu sprechen, der trotz starker Repression von Seiten des Staates und der Mächtigen im Lande auf vielfältige Weise geführt wird. „Wir haben keine andere Wahl“, betonte sie, „wir kämpfen für unser Recht und für das Leben.“

Für die meisten VerbraucherInnen waren diese Dimensionen des Sojaanbaus unbekannt und schockierend. Wie wichtig der Blick über den Tellerrand war, zeigten die vielen positiven Reaktionen der BesucherInnen. „Es muss einfach mehr dafür getan werden, dass wir Konsumenten hier in Deutschland mit diesen Problemen konfrontiert werden“, schrieb eine Leipziger Besucherin ins Gästebuch. Es bleibt zu hoffen, dass die Dringlichkeit, als VerbraucherInnen mit darüber zu entscheiden, was auf unsere Teller kommt, im Alltag umgesetzt und weitergetragen wird.

Bewusst einzukaufen und im Handel kritisch nachzufragen sind machtvolle Instrumente. Immer wieder wurde aber auch betont, wie wichtig eine veränderte Agrarpolitik in Deutschland und auf EU-Ebene ist. Im Saarland nutzte die paraguayische Aktivistin die Gelegenheit, bei einem agrarpolitischen Fachgespräch im Landtag, unter anderem mit VertreterInnen von Landwirtschafts- und Umweltministerium, Landwirtschaftskammer und Bauernverband, ihre Punkte darzulegen. Auch hier zeigten sich die Anwesenden beeindruckt vom globalen Zusammenhang.

Pestizideinsatz gehört zu Paraguays Monokulturen dazu - Foto: Quetzal-Redaktion, Steffi HolzBesonders wichtig war für Esther Leiva der Perspektivwechsel zwischen Stadt und Land; mit KonsumentInnen auf der einen und mit hiesigen LandwirtInnen auf der anderen Seite ins Gespräch zu kommen. Die Information, dass auch deutsche Bauern unter den Folgen einer Agrarpolitik und industrialisierten Landwirtschaft leiden, die Gewinne für die Großen bedeutet und die Existenz der kleinen Produzenten bedroht, war eine neue Erkenntnis für die Vorsitzende der Kleinbauernorganisation OLT im fernen Paraguay. Ebenso wie die Schilderungen ihrer KollegInnen in Brandenburg, Sachsen, Bayern oder Rheinland-Pfalz vom Wachstumsdruck und von Verschuldungsfallen, aber auch von Landaneignung durch große Firmen. Umso mehr beeindruckten die paraguayische Kleinbäuerin auf ihrer bundesweiten Reise Höfe, auf denen die Bauern ganz bewusst auf Soja verzichten und eigene Futtermittel anbauen, ihre Produkte selbst verarbeiten und vermarkten – gegen viele Widerstände – aber durchaus erfolgreich.

Das Wissen um die Kämpfe ihrer KollegInnen in Südamerika hat schließlich viele Landwirte hier darin bestärkt, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen weiter zu gehen: „Wir wissen nun ein Stück mehr, weshalb wir auf unserem Biohof täglich weiterkämpfen“, sagte eine bewegte Bäuerin nach Esther Leivas Vortrag. Viele Menschen denen die Aktivistin begegnete, waren beeindruckt von der entschlossenen Frau, für die der Kampf um eine bessere Welt gelebter Alltag ist. „Ihr Mut und Engagement geben neuen Ansporn für die politische Arbeit hierzulande“, brachte eine Besucherin dies auf den Punkt.

Die Kleinbäuerin und Aktivistin Esther Leiva war auf Einladung von FIAN Deutschland e.V. angereist. Gemeinsam mit dem Evangelischen Entwicklungsdienst, dem katholischen Fonds und der Stiftung Umverteilen konnte die vierwöchige Rundreise finanziert werden. Dass der Kampf, hierzulande und in Südamerika, ein gemeinsamer ist, war eine wesentliche Erkenntnis dieser Rundreise. Esther Leiva hatte in ihrem Gepäck schließlich viele neue Kontakte, das Wissen um die Solidarität von hier aus und die beflügelte Hoffnung auf eine bessere Welt: „Sie ist möglich, wenn wir gemeinsam dafür kämpfen.“

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Die Journalistin und Ethnologin Steffi Holz hat die Rundreise für FIAN organisiert und als Co-Referentin und Dolmetscherin begleitet.

Bildquellen: [1], [2] Quetzal-Redaktion, Steffi Holz

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