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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Die Beziehungen zwischen der indigenen Bewegung und der Regierung

Floresmilo Simbaña* | | Artikel drucken
Lesedauer: 14 Minuten

Annahme der neuen Verfassung. Ecuadors Bevölkerung feiert -  Foto: Presidencia de la República del EcuadorInformation und das Ablegen von Rechenschaft durch die staatlichen Autoritäten sind unabdingbare Voraussetzungen für die Demokratie. Wenn wir aber von der Demokratie als politischem System ausgehen, hat ein Ablegen von Rechenschaft über die Medien nur sehr wenig von einem Dialog. Ohne eine aktive gesellschaftliche Einbeziehung aller Beteiligten führt dies im besten Fall noch zu einer bloßen Sozialisierung oder reduziert sich schlicht und einfach auf Propaganda. Im Gegensatz dazu beinhaltet ein Dialog einen Prozess, Debatten, Konsens und Entscheidungsfindung. Dies wurde klar und deutlich veranschaulicht, als am vergangenen 28. September die Confederación de Nacionalidades Indígenas del Ecuador (Konföderation der Indigenen Nationalitäten Ecuadors) die indigenen Völker zum Protest aufrief und kurz darauf die Regierung Rafael Correa mit der CONAIE in Dialog trat.

Allgemein zeigt sich dieser Gegensatz im Widerstand gegen das Projekt der Plurinationalität und Bürgerrevolution. Für die indigenen Bewegungen ist der Demokratiebegriff in der dynamischen und flexiblen Entwicklung des Staates als Machtinstrument der Völker verwirklicht und in der Anerkennung und Stärkung der Strukturen einer Regierung der Gesellschaft. Für die Regierung hingegen beruht seine Verwirklichung in der Stärkung und Zentralisierung des Staates als politisches Subjekt und der Erweiterung – oder auch Universalisierung – der formellen Bürgerrechte.

Aber die Demokratie als System fordert die Aktivierung einer gesellschaftlichen Persönlichkeit, also die bewusste Aktion des Subjektes in der Öffentlichkeit mittels eigener Strukturen und nicht nur innerhalb des Staatsapparates. Dem könnte man entgegenhalten, dass solch ein System die Schwächung, wenn nicht den Untergang des Individuums und damit auch der Bürgerschaft nach sich zieht. Als Gegenargument könnte man anführen, dass, wenn sich das Individuum frei ausdrücken kann – nicht nur politisch, sondern auch künstlerisch, wissenschaftlich, usw. -, es auch als gesellschaftliche Persönlichkeit aktiv ist. Daraus lässt sich schließen, dass die individuelle Persönlichkeit bessere Entfaltungsmöglichkeiten hat, je stärker die kollektive Persönlichkeit entwickelt ist.

Ausgehend von diesem plurinationalen Standpunkt lassen sich die Subjekte einer Demokratie nicht auf den Staat und die Bürgerschaft reduzieren: Vielmehr umfassen sie auch die kollektive Persönlichkeit und die Selbstregierung, wo Bürgerschaft nur eines von vielen Elementen darstellt.

Die äußerst unterschiedlichen Demokratieauffassungen haben neben anderen Punkten die Beziehung zwischen der Regierung Correa und der CONAIE zusehends komplizierter gemacht. Seit der ersten Wahlkampagne 2006 zeigten sich diese Unterschiede und machten eine politische Allianz unmöglich. Der Kandidat Rafael Correa konzentrierte sich auf die Wählerumfragen, um die Stichwahl für die Präsidentschaft für sich zu entscheiden, während die indigene Bewegung interne Vorwahlen vorschlug. Während ersteres sich in die Formalitäten der Demokratie einfügte, bedeutete letzteres eine Dynamisierung und Potenzierung der Einbeziehung und der gesellschaftlichen Aktivität.

Die jüngsten Entwicklungen

Präsident Correa mit drei indigenen Frauen - Foto: Presidencia de la República del EcuadorTrotz der Annäherungen, die durch die Unterstützung der Kandidatur Rafael Correas im zweiten Wahlgang (2006) durch die CONAIE entstanden und dadurch, dass die Einberufung zur Verfassungsgebenden Versammlung zur gleichen Zeit stattfand, verschlechterte sich die Beziehung mit zunehmender Umsetzung des Regierungsprogrammes. Die CONAIE erklärte sich daraufhin willens, in einen ihrer Meinung nach politisch notwendigen Dialog mit Präsident Rafael Correa[1] zu treten, ohne jedoch eine Antwort zu erhalten.

Auch in der Verfassungsgebenden Versammlung, wo die Regierungspartei zu diesem Zeitpunkt 80 Prozent der Sitze hielt, gab es keinen Raum für einen Dialog. Gemäß des politischen Willens des damaligen Versammlungspräsidenten Alberto Acosta wurde der politische Block des Movimiento Plurinacional Pachakutik (Plurinationale Bewegung Pachakutik), dem auch die CONAIE angehört, eingeladen, an den Treffen der Regierungspartei Alianza País teilzunehmen. Als sich aber die politischen Differenzen zwischen Alberto Acosta und Rafael Correa zuspitzten und Acosta sich gezwungen sah, „einen Schritt zur Seite” zu machen, blieb der beginnende Prozess hin zum Dialog auf der Strecke. Mit dem Rücktritt Acostas vom Amt des Präsidenten der Verfassungsgebenden Versammlung endete gleichzeitig die Teilnahme des Patchakutik-Blocks an den Treffen.

Durch die Debatte um Plurinationalität und speziell durch die Anerkennung des „Rechts auf vorherige Zustimmung” in der neuen politischen Charta gab es immer größere Differenzen. Von da an bis zu den Protesten im letzten September hat es keinerlei Dialog mehr gegeben, ganz im Gegenteil: Durch das Voranbringen einiger Gesetzesentwürfe (Nahrungsmittelsouveränität, Sicherheit, Kohlenwasserstoffe, etc.) und die Reformen einiger staatlicher Institutionen (Consejo de Desarrollo de las Nacionalidades y Pueblos del Ecuador, CODENPE, Dirección Nacional de Educación Intercultural Bilingüe, DINEIB, Dirección de Salud Indígena) verschlechterten sich die entsprechenden Voraussetzungen nur.

Während der Debatte zum Wassergesetz verschärften sich die Fronten dermaßen, dass auch vor Anklagen und wüsten Beschimpfungen nicht Halt gemacht wurde. Die CONAIE schlug nicht nur vor, das Gesetzesprojekt der Regierung zu überwachen, sondern auch auf nationaler Ebene in Dialog zu treten und einen plurinationalen Staat auf Konsens-Basis zu errichten. Präsident Rafael Correa unterstellte den indigenen Vertretern daraufhin „zu versuchen, den Staat zu destabilisieren”. Er warf ihnen vor, sie würden den eigentlichen Gesetzesvorschlag nicht kennen und außerdem kaum 2 Prozent der ecuadorianischen Bevölkerung repräsentieren und versuchte so, den indigenen Organisationen ihre Legitimierung abzuerkennen[2]. Trotz alledem, wurde in der Comisión de Soberanía Alimentaria (Kommission für Nahrungsmittelsouveränität), die mit dem Gesetzesprojekt befasst war, Raum für Dialog zwischen den Gesetzgebern der Alianza País und der indigenen Bewegung geschaffen. Die Arbeit ging trotz etlicher Schwierigkeiten voran, aber als die wirklichen „Schlüsselprobleme” behandelt wurden, zogen sich die Delegierten der Regierungsparteien auf die Position „das wird in anderen Instanzen entschieden” zurück. Auch die Mitglieder der Verfassungsgebenden Versammlung stehlten sich mit der Aussage, „einige strategische Themen entzögen sich ihrer Entscheidungsgewalt”, aus der Verantwortung. Aus all diesen Gründen zieht sich die CONAIE aus den Arbeitskreisen der Verfassungsgebenden Versammlung zurück und gibt bekannt, dass sie in Zukunft nur mit Präsident Correa persönlich verhandelt, da er zweifelsohne Entscheidungsträger ist.

Kurze Chronik des indigenen Protests

Protest gegen den Gesetzentwurf zur Wassernutzung - Foto: Presidencia de la República del Ecuador Die hier aufgeführten Geschehnisse sind durchaus komplex. Dennoch sah es bis zum Montag, den 28. September, als der Protest begann, so aus, als gäbe es keine Abweichungen vom „normalen” Ablauf einer Mobilisierung, insbesondere von denen, die während der Amtszeit Rafael Correas stattfanden. Gegen 17 Uhr veränderte sich die Situation schlagartig: Während sich die Mobilisierung zu Beginn wie vorgesehen entwickelt hatte, stellte Marlon Santi, Präsident der CONAIE, einen Dialog mit dem Präsidenten der Republik in Aussicht und verkündete das Ende der Proteste. Damit sorgte er für Verwirrung und Widerstand bei den Organisationen in den Provinzen. Am Dienstag, den 29. sah alles nach einer empfindlichen Niederlage für die CONAIE aus, zumal der Präsident nichts von seinem angeblichen Angebot zum Dialog wusste.

Die erste Reaktion kam aus dem Amazonasgebiet. Der Präsident des Bündnisses der Nationalitäten des ecuadorianischen Amazonasgebietes, CONFENIAE, erklärte Marlon Santis Bekanntgabe für ungültig und bekräftigte die Entscheidung dieser regionalen Gruppierung der CONAIE, den Protest weiterzuführen. Als Ziele des Protests bestätigte er die Verteidigung der Landrechte und die Opposition zur staatlichen Politik des Rohstoffabbaus. Auf einer Versammlung des Bündnisses der Kichwa-Völker Ecuadors, ECUARUNARI, zeigte sich während einer heftigen Debatte die Unzufriedenheit zahlreicher Organisationen mit der starren politischen Haltung der nationalen Führung, und man unterstrich, dass die Beendigung der Proteste ein grober Fehler war, der die bereits angelaufene Mobilisierung in den Gemeinden zunichte machte. Man bekräftigte, dass es neben dem Wasser als Hauptmotiv der Proteste auch andere strategisch ebenso wichtige Streitpunkte, wie zum Beispiel die Notwendigkeit einer Landreform und eine interkulturelle, bilinguale Erziehung, gäbe.

All diese Erkenntnisse und der Fakt, dass im Amazonasgebiet die Mobilisierung weiterhin aufrechterhalten wurde, führten dazu, dass die Proteste reaktiviert werden mussten. Durch das Bekanntwerden des Todes eines Angehörigen der Shuar (Bosco Wisuma) spitzte sich die Lage zu und man beschloss, die Mobilisierung fortzuführen, bis der Präsident der Republik sich zu einem Dialog mit der indigenen Bevölkerung über all diese Problempunkte bereit zeige.

Was lässt sich aus diesen Ereignissen lernen?

Zunächst zeigt sich, dass in der derzeitigen „Epoche des Umbruchs” ein Thema wie Wasser zwar viele unterschwellige Probleme mit sich bringt, aber beileibe nicht das einzige Konfliktthema ist. Das kurzzeitige Erliegen der indigenen Proteste und ihre darauf folgende Reaktivierung brachten diese anderen Konfliktthemen nach einer „langen neoliberalen Finsternis” ans Licht und zeigten, dass sie in der „Bürgerrevolution” zuvor unbeachtet geblieben waren. Aktuell werden diese Themen als „Verwaltungsprobleme” im politischen Tauziehen zwischen der Regierung und den Großkonzernen behandelt. Diese Situation konnte die indigene Bewegung bisher noch nicht angemessen interpretieren.

Wasser ist ein Element, das in den letzten zwanzig Jahren enormes Konfliktpotential generiert hat. Seine Entprivatisierung und Verteilung sind zentrale Aspekte im Kampf gegen den Neoliberalismus, aber die Regierung weigert sich bisher, das Thema in seiner ganzen Komplexität anzugehen und das sicher, weil zu viele Eigeninteressen und Sektoren, in denen sich die Regierung engagiert, wie der Bergbau, betroffen wären.

Nach dem strategischen Kampf gegen den Freihandelsvertrag mit den Vereinigten Staaten (2003-2006) hat der Kampf ums Wasser der CONAIE ermöglicht, damit zu beginnen, ihre politische Linie und ihr theoretisches Konzept zu erneuern. Außerdem gab es erste Ansätze, Organisationsstrukturen zu verändern, was üblicherweise auch Widersprüche mit sich brachte. All das ermöglichte, den Kontakt zu den Gemeinden der Basis und die Verbindungen zur Politik auf nationaler Ebene zu verbessern. Ein Beweis dafür ist, dass im Gesetzgebungsprozess der Regierung Correa zum Wasser die CONAIE die einzige gesellschaftliche Organisation ist, die es geschafft hat, einen Alternativvorschlag zu präsentieren, die Debatte mitzugestalten und politisch präsent zu bleiben.

Die Mehrdimensionalität des Themas Wasser (Wirtschaft, Politik, Soziokultur, Umwelt) impliziert eine ziemlich weitreichende programmatische Herangehensweise. Die Wasserproblematik wurde von verschiedenen Seiten beleuchtet: die Umweltaspekte der Wasserbewirtschaftung, die Nutzungsarten, die Zugangsrechte… Aber erst in der Auseinandersetzung mit dem Freihandelsvertrag zeigte sich der Grad der in den letzten 20 Jahren erreichten Privatisierung: In Wirklichkeit liegt der Zugang zum Wasser größtenteils in Händen von Wasserkraft- und Bergbauprojekten, sowie privaten Verwaltungsstrukturen. Aus diesem Grund ist seine Entprivatisierung das wichtigste Ziel der Indigenen- und Bauernbewegung.

Vertreter der CONAIE kämpfen in Ecuador um ihre Rechte - Foto: Presidencia de la República del EcuadorDa die derzeit gültige Verfassung lediglich Übergangscharakter hat, ist festgelegt, dass die Verfassungsgebende Versammlung ein Jahr nach Inkrafttreten der Verfassung ein neues Gesetz zu den Wasserressourcen beschließen muss[3]. Daher hätte man sich nun obligatorisch diesem Thema zuwenden müssen. Die Regierung Correa beschloss allerdings, ihre Priorität auf das Bergbaugesetz zu legen, das im Januar 2009 beschlossen wurde. Die im Vorfeld geführte Debatte erhöhte die gesellschaftliche Brisanz und verschärfte die Differenzen zwischen der Regierung und der CONAIE. Kurz nach dem Beschluss des Bergbaugesetzes initiierten sowohl die Regierung als auch die indigene Bewegung verschiedene Debatten über den juristischen Rahmen der Ressource Wasser. Die CONAIE und die ECUARUNARI hatten ihre Gesetzesentwürfe zum Wasser und zur Biodiversität sowie einen Entwurf zur Nahrungsmittelsouveränität (19. November 2008) im Rahmen einer großen Mobilisierung präsentiert. Daraufhin intensivierten sich die Debatten mit den Basisgemeinden, wodurch letztere und die Organisationsführung zahlreiche Differenzen überwinden konnten.

Die Regierung Rafael Correa beauftragte ihrerseits den Minister für Wasser, einen Gesetzesentwurf für Wasserressourcen zu erarbeiten. Daraufhin wurde eine Kommission aus Delegierten des SENAGUA, einigen Vertretern von Bewässerungsorganisationen und mit dem Thema befassten NGOs gebildet, allerdings traten bereits nach Verfassen des ersten Entwurfes Diskrepanzen über den Inhalt und die Vorgehensweise auf. Das von der Kommission verfasste Dokument wurde vom SENAGUA besonders im Bezug auf die neue Institutionalisierung für die Ressourcenverwaltung hin abgeändert. Diese Änderung spaltete letzten Endes die Kommission. Von diesem Moment an konzentrierte sich die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft auf so genannte „Regionalforen”, in denen der jeweilige offizielle Entwurf vorgestellt wurde. Einmal präsentierte die Regierung einen Vorschlag, der als Umwelt- und Wassergesetz zwei große Themenkreise umfasste, allerdings nach der Ablehnung durch soziale Organisationen und aufgrund interner Diskrepanzen zurückgezogen werden musste. Schlussendlich präsentierte die Regierung den Entwurf Ley Orgánica de Recursos Hídricos, Uso y Aprovechamiento del Agua (kurz: Wasserressourcengesetz) nur zwei Monate vor Ablauf der bereits zitierten, in der Übergangsverfassung festgelegten Frist.

Dies führte zu Zeitdruck und einer Verschärfung der Debatte über das Wasser. Wie zu erwarten war, eskalierten die Meinungsverschiedenheiten zwischen der CONAIE und der ECUARUNARI einerseits und der Regierung andererseits. Die ECUARUNARI berief daraufhin Regionalversammlungen ein (Otavalo, Salasaca und Cuenca). Die indigene Führung rechnete mit 800 bis 1000 Teilnehmern, wobei tatsächlich insgesamt etwa 7000 Personen an den drei Versammlungen teilnahmen. Diese Tatsache führte durch ihr politisches Gewicht dazu, dass die Organisation die Bedingungen für das Organisieren eines Aufstandes für günstig ansah und diese Position in einer Ratsversammlung offiziell beschloss. Als Datum wurde der 28. September festgelegt. Unter dem Motto „El agua no se vende, el agua se defiende” (deutsch: Wasser wird nicht verkauft, sondern verteidigt) kam es zu Mobilisierungen, die, wie bereits beschrieben, trotz kurzer Unterbrechung und der bedauerlichen Tragödie um Bosco Wisuma, dazu führten, dass die Regierung Rafael Correa mit der CONAIE in den Dialog trat.

Der Verfassungsstaat und der verfassunggebende Staat[4]

Der Präsident der ecuadorianischen Nationalversammlung, Fernando Cordero, mit indigenen Vertretern beim Protest gegen das Ley de Aguas - Foto: Presidencia de la República del EcuadorDer Aufstand für die Verteidigung des Wassers mag viele überrascht haben, er hat aber auch zwei immer noch nebeneinander existierende politische Konzepte sichtbar gemacht: Den Verfassungsstaat und den verfassunggebenden Staat. Beim ersten geht es um die Anwendung der in der Verfassung festgelegten juristischen Struktur als unanfechtbare Voraussetzung, um Rechte zu garantieren und Gesellschaft und Staat zu organisieren. Daher rührt das von den Regierungsvertretern oft als Druckmittel eingesetzte Argument, dass „nichts außerhalb der Verfassung“ sein darf und sich „alles nach den in ihr festgeschriebenen Rechten” ausrichten muss. Das zweite Konzept bezieht sich auf die gesellschaftliche Dynamik, die sich im täglichen Leben zeigt und darum Basis und Fundament für die Definition des neuen plurinationalen Staates sein muss.

Diese beiden gesellschaftspolitischen Konzepte, die im Grunde zwei verschiedene Sichtweisen auf die Demokratie darstellen, treffen auch im Dialog zwischen der Regierung Correa und der CONAIE in heftigen, politisch aufgeladenen Debatten aufeinander. Die Argumente der Regierungsvertreter basieren auf institutionellen und juristischen Prinzipien. Die Vertreter der CONAIE hingegen setzen den juristischen Rahmen weniger eng: Er reicht vom Verfassungsrecht und vom Internationalen Recht bis hin zur Neuordnung der Besitzverhältnisse in Produktion und Wirtschaft.

Auch der Umgang mit dem jeweiligen Konzept weist in verschiedene Richtungen: Für die Regierungsvertreter gibt die juristische Rationalität dem Staat und seinen Institutionen die Fähigkeit, die Gesellschaft zu organisieren. Für die Vertreter der CONAIE ist die juristische Logik als den Staat und seine Institutionen definierende Dialektik einzig sinnvoll, wenn sie dazu beiträgt, die realen Konflikte der Menschen zu lösen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der indigene Aufstand für das Wasser und der damit erkämpfte Dialog zwei Konzepte post-neoliberalen Charakters zur Sprache gebracht haben, in deren Mittelpunkt die Demokratie steht. Die ECUARUNARI beschloss auf ihrem Kongress vom 17. bis 19. Dezember vergangenen Jahres, den Dialog mit der Regierung zu unterbrechen, da er an einem Tiefpunkt angelangt war und nicht zu neuen Ergebnissen führte. Gleichzeitig wurden neue Mobilisierungen angekündigt. Es bleibt zu hoffen, dass diese erneute politische Spannung die Chance für eine positive Entwicklung auftut.

Original Beitrag aus La Tendencia: Zeitschrift für politische Analyse 10/2010. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift.

Übersetzung aus dem Spanischen: Maxi Pöttrich

Bildquellen: Presidencia de la República del Ecuador.

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*Jurist und ehemaliger Führer der indigenen Bewegung. Derzeit Verantwortlicher für die Abteilung Tierras y Territorios der ECUARUNARI (Bündnis der Kichwa-Völker Ecuadors) und dort Dozent am Ausbildungsinstitut der Organisation

[1] Bis kurz vor der Eröffnung der Verfassungsgebenden Versammlung in Montecristi schickte die CONAIE mehrere Briefe an den Präsidenten der Republik, in denen sie um Anhörung bat, um Vorschläge u.a. für folgende Themen vorzubringen: Erdölpolitik, Umweltzerstörung im Amazonasgebiet, Landwirtschaft, Privatisierung von Land durch die Betreiber von Minen oder Wasserkraftwerken.

[2] Kintto Lucas schreibt: „Von den über 5000 indigenen Gemeinden haben mehr als 4600 Verbindungen zur CONAIE (Confederación de Nacionalidades Indígenas del Ecuador) und insbesondere zur ECUARUNARI, welche die Kichwa der Sierra vereint. Über 200 Gemeinden sind Mitglieder der FEINE (Federación Ecuatoriana de Indígenas Evangélicos), etwa 200 der FENOCIN (Federación Nacional de Organizaciones Campesinas Indígenas y Negras) und zwei der FEI (Federación Ecuatoriana de Indios). Die Bauernorganisationen haben einen meist regional begrenzten Einfluss, ohne nationalen Wirkungskreis und wenig Kapazität zur Mobilisierung”. Vgl. www.rebelion.org

[3]“Innerhalb einer Frist von höchstens 360 Tagen werden folgende Gesetze verabschiedet (…) Das Gesetz über die Regulierung der Wasserressourcen, den Gebrauch und die Verwendung von Wasser jetzt und in Zukunft, entsprechende Fristen, Bedingungen, Überprüfungsmechanismen, um in juristisch festgelegter Form die gerechte Verteilung dieses Gutes zu sichern”. (Erste Zeitweilige Verordnung, Teil 2). Die Verfassung trat am 19. Oktober 2008 in Kraft.

[4] Im Original wurden dafür die Begriffe Estado constitucional bzw. Estado constituyente verwendet.

1 Kommentar

  1. pacary sagt:

    Ist dieser Artikel eine Übersetzung? Und wenn ja von wem? Vielen Dank

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