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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Lateinamerika: Reaktionen nicht-involvierter Länder auf den Kolumbienkonflikt

Florian Quitzsch | | Artikel drucken
Lesedauer: 5 Minuten
Lateinamerika Reaktionen nicht-involvierter Länder (260 Downloads )

Die Rufe nach einer einvernehmlichen Lösung unter Vermittlung der Organisation amerikanischer Staaten (OAS) [1] und der Rio-Gruppe [2] zur Beilegung des Konfliktes zwischen Ecuador, Kolumbien und Venezuela Anfang März 2008 waren in Lateinamerika von nahezu allen Ländern zu vernehmen. Neben Brasilien tat sich vor allem Chile hervor, um deeskalierend in der angespannten Situation zu vermitteln. Auch wenn Kolumbien nicht wenigen linksgerichteten und US-kritischen Politikern in Lateinamerika als Vasall der Vereinigten Staaten gilt, so hielten sich die meisten Länder mit überzogener oder polemischer Kritik am kolumbianischen Vorgehen zurück.

Von Chile, das seit der Rückkehr zur Demokratie auf internationalem Parkett stets um gutes Ansehen bemüht ist und welches bereits verschiedene Beiträge zu UN-Missionen geleistet hat, waren zurückhaltende Äußerungen hinsichtlich einer Aufforderung zur Entschuldigung der kolumbianischen Seite aufgrund der Grenzverletzung zu hören. Die Bemühungen um Verhandlungsangebote standen wesentlich stärker im Vordergrund. Die chilenische Staats- und Regierungschefin Michelle Bachelet traf sich deshalb mit ihrem ecuadorianischen Amtskollegen Rafael Correa, um die Lage vor Ort zu besprechen.

Aus Peru waren vorsichtige kritische Töne zu vernehmen. Ein wichtiger Grund ist die Priorität, welche den außenpolitischen Beziehungen Perus zu den USA normalerweise beigemessen wird. Aufgrund des in der Vergangenheit im eigenen Land geführten Anti-Terror-Kampfes gegen den Sendero Luminoso dürfte im politischen Tagesgeschehen wohl auch eher Zustimmung zum Vorgehen des kolumbianischen Staates gegenüber der FARC geäußert werden. Präsident Alan Garcia, welcher sich ebenfalls mit Rafael Correa traf, missbilligte die kolumbianische Aktion und forderte eine Entschuldigung für die Verletzung der ecuadorianischen Territorialsouveränität.

Eines der wenigen lateinamerikanischen Länder, welche das kolumbianische Vorgehen offen unterstützte, war El Salvador. Dessen Präsident Tony Saca González ließ verlauten, dass Kolumbien das legitime Recht zur Verfolgung von Terroristen habe, wo immer sie sich auch aufhalten mögen; allerdings mit der Einschränkung, nicht die Souveränität eines anderen Landes zu verletzen.

Kritische Stimmen waren dagegen aus Bolivien und Kuba zu vernehmen. Der bolivianische Präsident Evo Morales forderte wegen der Krise ein außerordentliches Treffen der Union südamerikanischer Staaten (Unasur). Gleichzeitig nutzte er aber die Gelegenheit dazu, den USA zu unterstellen, unter falschen Etiketten wie „Kommunismus“, „Drogenhandel“ oder „Terrorismus“ die Destabilisierung der Region zu befördern und politische Konflikte anzuheizen. Fidel Castro, der erst kürzlich zurückgetretene kubanische Staatschef, kritisierte die USA und warf ihnen vor, eine Krise in der Region zu provozieren. Die Äußerungen müssen wohl auch im Zusammenhang mit einer Meldung der in Miami erscheinenden Zeitung El Nuevo Herald vom 11. März gesehen werden. Das Kuba nicht eben freundlich gesinnte Presseorgan berichtete über die angebliche Verwicklung eines in Mexiko ansässigen Kubaners in die FARC unterstützende Aktivitäten.

Will man der Krise etwas Positives abgewinnen, ist es wohl das Funktionieren von Konfliktlösungsmechanismen in der Region. Bereits kurz nach der Eskalation wurde auf Antrag Ecuadors eine Sondersitzung der OAS einberufen. Entschärft wurde die Krise aber bereits eine Woche nach ihrem Ausbruch auf dem XX. Gipfeltreffen der Rio-Gruppe in der Dominikanischen Republik. Trotz der zunächst feindlichen Stimmung zwischen Chávez, Correa und Uribe scheinen das diplomatische Geschick von Gastgeber Leonel Fernández sowie die Interventionen der Staatsoberhäupter Mexikos und Argentiniens, Felipe Calderón und Christina Kirchner, zur Entspannung und temporären Versöhnung beigetragen zu haben. Daraufhin nahm auch Nicaraguas Präsident Daniel Ortega die Ankündigung, die diplomatischen Beziehungen zu Kolumbien abbrechen zu wollen, zurück. Die Meinung von Fidel Castro ließ ebenfalls nicht lange auf sich warten, postulierte er doch umgehend, dass der US-Imperialismus der einzige Verlierer der Krise sei.

Als diplomatische Fußnote muss erwähnt werden, dass in den zum Konflikt veröffentlichten Resolutionen der Rio-Gruppe wie auch der OAS zwar eine Verurteilung der Verletzung der ecuadorianischen Grenze erfolgte, aber nicht des kolumbianischen Vorgehens. Eine direkte Kritik der Regierung von Alvaro Uribe durch die OAS wurde durch das Veto der US-Vertretung in der Organisation verhindert. Ursprünglich hatten Washington und Bogotá eine Erwähnung Kolumbiens in der Erklärung sogar ganz vermeiden wollen.

Was aber bleibt neben dem bitteren Beigeschmack des politischen Konfliktes und einem kurzen militärischen Säbelrasseln, welches nicht gerade zur Stabilisierung der Verhältnisse zwischen Venezuela, Nicaragua und anderen Ländern auf der einen Seite und Kolumbien und den USA auf der anderen beigetragen haben dürfte?

Der deutschstämmige Soziologe und ehemalige inoffizielle Chávez-Berater Heinz Dieterich sieht durch die Krise die südamerikanischen Integrationsziele progressiver Länder wie Argentinien, Brasilien, Uruguay und Venezuela beflügelt. Eine weitere Konsequenz könnte darin bestehen, so Dieterich im Interview mit Inter Press Service [3], dass die lateinamerikanischen Länder – aber auch die EU – zu der Überzeugung gelangen, die Lösung des die Region destabilisierenden innerkolumbianischen Konfliktes nicht Uribe und Washington allein zu überlassen. Andere Beobachter konstatieren die zunehmende Isolation der rechtsgerichteten kolumbianischen Regierung, Washingtons engstem Verbündeten in der Region. So vermutete der nicaraguanische Soziologe Óscar René Vargas, dass Kolumbien und die USA eine Destabilisierung von Ecuador und Venezuela betreiben wollten. Doch nun sei Uribe in Lateinamerika isolierter als zuvor. Sollte dies wirklich der Fall sein, hätten dazu nicht nur die linksorientierten Staatschefs Correa, Chávez und Ortega, sondern auch die gemäßigteren Regierungen Argentiniens, Brasiliens und Chiles beigetragen.

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[1] Regionales Staatenbündnis der Amerikas. Alle 34 Staaten des (süd- und nord-) amerikanischen Kontinents sind Mitglied (Kuba wurde 1962 von den Aktivitäten der OAS ausgeschlossen). Ziele: inner-amerikanischer Beistand, die Beilegung von Streitigkeiten und die wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit.

[2] 1986 ins Leben gerufener Konsultationsmechanismus, dem momentan 21 Staaten Süd- und Mittelamerikas angehören und aus welchem ein regelmäßiger, enger politischer und wirtschaftlicher Prozess geworden ist.

[3] Siehe http://ipsnews.net/news.asp?idnews=41456 [Zugriff 24. März 2008].

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